Nach Doping-Beichte: Armstrongs dreistes Gejammer
Seine lebenslange Sperre sei nichts geringeres als eine "Todesstrafe". Das sagte der einstige Radprofi Lance Armstrong im zweiten Teil seiner TV-Beichte. Trotzdem hofft der Texaner auf ein Comeback.
Beim zweiten Teil der Lance-Armstrong- Show bestätigt sich eine alte Fernseherfahrung. Die Folgesendungen eines Mehrteilers reichen selten an das Auftaktstück heran. So war es auch in diesem Fall. Hatte Dopingsünder Lance Armstrong in der Nacht vom Donnerstag zum Freitag wenigstens noch ein Minimal-Dopinggeständnis abgeliefert, so ging es im zweiten Teil des Fernseh-Interviews mit der Moderatorin Oprah Winfrey vor allem um die verletzte Eitelkeit des früheren Radsportstars. Als „Todesstrafe“ bejammerte er seine lebenslange Sperre und beklagte, nicht gleich behandelt worden zu sein wie andere Ex-Doper.
Dem Texaner war wohl entgangen, dass andere Doper erst vor der US-Antidoping-Agentur Usada ausgepackt und dann eine reduzierte Strafe erhalten hatten. Armstrong hatte Gespräche mit der Antidopingbehörde abgelehnt und auch auf eine öffentliche Anhörung verzichtet. Erst Monate später bequemte er sich zu einem Teilgeständnis zu eigenen Konditionen. Über Hintermänner und die Organisation des Dopingsystems äußerte er sich auch da nicht, was Experten von Wada- Präsident John Fahey über Usada-Boss Travis Tygart bis hin zum deutschen Antidopingpapst Werner Franke kritisierten. Der einzige, der Armstrong lobte, war bezeichnenderweise Pat McQuaid. Der Präsident des Radsport-Weltverbands UCI freute sich, dass der Amerikaner die UCI in dem dubiosen Spendenskandal aus der Schusslinie geholte hatte.
Den zweiten Teil des Interviews nutzten weder Armstrong noch Winfrey, um offen gebliebene Aufklärungswünsche aus der Nacht davor zu erfüllen. Die Dopingtechnologien spielten gar keine Rolle mehr. Armstrong erdreistete sich sogar, zu behaupten, sein Comeback 2009 und 2010 sauber bestritten zu haben. „Ich hatte dies Kristin versprochen. Und ich bin sauber gefahren“, erklärte er. Seiner Aussage zufolge sei dieses Versprechen gegenüber seiner Ex-Frau eine Grundbedingung für deren Einwilligung in seine Rückkehr in den Tourzirkus gewesen.
Hämatokritwerte deuten auch auf Doping in den Jahren 2009 und 2010 hin
Doch nicht nur die Usada hegte Zweifel an der Einhaltung dieses Versprechens. Die Leistungsdaten aus diesen beiden Jahren legen Manipulationen nahe. So erhöhte sich Mitte Juni 2009 der Hämatokritwert von Armstrong innerhalb von 16 Tagen von 38,2 auf 45,7 Prozent. Die Höhenlage von Armstrongs Trainingsort Aspen im US-Bundesstaat Colorado konnte nach Ansicht des Experten Gary Wadler, der unabhängig von der Usada arbeitete, diese große Differenz nicht erklären. „Da läuten die Alarmglocken. Vom rein medizinischen Standpunkt aus ist das etwas ungewöhnlich“, zitierte die „US Daily News“ den Wissenschaftler.
Armstrong dachte offenbar gar nicht daran, diese und andere Zweifel an seinen Blutwerten auch in den Comeback-Jahren zu diskutieren. Er ging auch nicht darauf ein, warum er im März 2009 einen Dopingkontrolleur 20 Minuten warten ließ. 20 Minuten reichen aus, um das Blutvolumen so zu manipulieren, dass Messwerte unter die kritischen Grenzwerte sinken. Glaubwürdig ist Armstrongs Saubermannbehauptung für die letzte Karrierephase daher nicht.
Der zweite Teil des Interviews entpuppte sich als Test für ein neues Fernsehformat: statt Gerichtsshows nun die Bewährungshelfer-Show. Fast eine ganze Stunde lang testete Oprah Winfrey aus, ob der einstige Sportstar auch wirklich versteht, was er anderen angetan hat. Nur wenn die Sprache auf Armstrongs Mutter und die drei ältesten Kinder kam, deutete sich so etwas wie Scham in den Erklärungen und im Mienenspiel des Delinquenten an. Ansonsten beharrte er auf seinem Recht, wieder an Wettkämpfen teilzunehmen. Da reagierte selbst die unendlich geduldige Oprah Winfrey verdutzt. Armstrong präsentierte sich als der alte Egozentriker, dem immer noch nicht klar ist, dass er nicht außerhalb des Rechts steht.