Boxen in Zeiten der Klitschkos: Armes Schwergewicht
Die Klitschkos dominieren das Schwergewicht im Boxen nach Belieben. Einen Vorwurf kann man den Bruderpaar deswegen nicht machen, meint Michael Rosentritt in seinem Kommentar. Aber wo sind bloß all die anderen großen und schweren Jungs?
Manuel Charr ist ein tapferer Junge. Er ist groß, stark und durchaus charismatisch. Nun bekommt er die Chance seines Lebens. Er wird am Samstagabend in Moskau um die Weltmeisterschaft im Schwergewicht boxen. Vermutlich wird er im Ring ebenso chancenlos bleiben wie so viele, die es gegen Witali Klitschko versucht haben. Auch wenn dieser inzwischen schon im fünften Lebensjahrzehnt steht.
Man kann den Klitschkos, dem boxenden und das Schwergewicht dominierenden Bruderpaar, kaum Vorwürfe machen. Beide, sowohl Wladimir als auch Witali, haben in den vergangenen Jahren die Rangliste hoch und runter geboxt. Eigentlich müssten beide gegeneinander boxen, aber das verbietet ihnen der Schwur ihrer Mutter gegenüber.
Wo sind die großen, schweren Jungs? Wo sind die Herausforderer, die Klasse und Mumm haben, die nicht nur abkassieren wollen, wenn sie gegen einen der Klitschkos in den Ring steigen? Wo sind die hungrigen und gut ausgebildeten Amerikaner, die ein Jahrhundert lang das Schwergewicht dominierten? Seit mehr als zwanzig Jahren stellt die USA keinen Olympiasieger im Schwergewicht. Der letzte war Ray Mercer 1988, und das auch nur, weil Kuba die Spiele boykottierte. Der letzte große Amerikaner, der Olympiasieger und anschließend auch Weltmeister in diesem Limit wurde, war George Foreman. Mexiko, 1968!
Seit Jahren fäusteln die oft als große Hoffnung gepriesenen Amerikaner aussichtslos dem wichtigsten Titel im Boxen hinterher. Ihnen fehlt schlicht die Qualität. Auch deshalb hängt das Schwergewichtsboxen in den Seilen. Auch für die Klitschkos ist das nicht gut. Ihnen fehlen die großen Kämpfe, oder besser: die großen Herausforderer. Ali hatte Frazier und Foreman, Lewis hatte Tyson und Holyfield – aber wen haben die Klitschkos?