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Kleiner Mann ganz groß. Auf dem Platz ist Antoine Griezmann mittlerweile ein Schwergewicht. Obwohl er nur knapp 70 Kilo wiegt.
© REUTERS

Fußball-EM in Frankreich: Antoine Griezmann - der verschmähte Sonnenkönig

Einst wollte ihn kein französischer Klub haben. Nun soll Antoine Griezmann Frankreich zum EM-Titel führen. Dabei erhält er Hilfe von Spongebob.

Eric Olhats ist ein unscheinbarer Typ. Mit Brille im Haar und Pulli um die Schulter sieht er aus, als sei er gerade auf dem Weg zum Tennistraining, und nichts deutet darauf hin, dass dieser Kerl der französischen Nationalmannschaft möglicherweise den EM-Titel ermöglicht. Doch wenn Antoine Griezmann weiter so verlässlich trifft, wird sich Frankreich vielleicht bald schon bei Olhats bedanken müssen.

Olhats ist Griezmanns Entdecker. Einst hat er den Stürmer spielen gesehen, nur wenige Minuten und eher durch Zufall. Auf dem Heimweg von einer Arbeitsreise machte Olhats, damals Scout von Real Sociedad San Sebastian, bei einem Jugendturnier in Paris Halt, weil er einen befreundeten Kollegen treffen wollte. Griezmann, gerade 14 Jahre alt, hatte zuvor schon bei Auxerre, Saint-Etienne, Sochaux und Metz vorgespielt, jedoch eine Absage nach der nächsten bekommen.

„Ich bekam immer die gleiche Antwort. Ständig hieß es, ich wäre zu klein. Kein Klub im Land wollte mich verpflichten“, erzählte er einmal. Einzig in Montpellier erbarmte man sich seiner und nahm ihn mit zu jenem Turnier. Olhats, nicht einmal Jugendscout, sondern für Real Sociedads Profis zuständig, sah etwas in dem kleinen Jungen, das die anderen Späher nicht sahen. Und drückte ihm nach dem Spiel eine Visitenkarte in die Hand, darauf ein Angebot: „Eine Woche Probetraining bei Real Sociedad.“

Griezmann kam der Einladung nach und wechselte 2005 tatsächlich nach Spanien. Vier Tage lang musste Olhats die Eltern des Jungen überreden, den Sohn gehen zu lassen. Eine Beharrlichkeit, die sich nicht nur deswegen ausgezahlt hat, weil Olhats mittlerweile Griezmanns Berater ist. Bei Real Sociedad durchlief Griezmann sämtliche Jugendteams, ohne Olhats wäre Griezmanns Weg in Spanien sicherlich weniger schnörkellos verlaufen. Als den Teenager das Heimweh plagte, nahm Olhats ihn bei sich auf und sorgte für die nötige Nestwärme. „Ich war Vater, Mutter, Lehrer, alles“, sagt er.

2009, vier Jahre nach seinem Wechsel nach Spanien, feierte Griezmann sein Profidebüt, für San Sebastian schoss er insgesamt 52 Tore in 202 Spielen. Aus dem schmächtigen, verschmähten Jungen war ein gestandener Profi geworden, der 2014 für 30 Millionen Euro zu Atletico Madrid ging, seither einmal im Champions-League-Finale stand und vom Schweizer International Centre for Sports Studies gerade als wertvollster Spieler der Welt eingeschätzt wurde. Nicht schlecht für einen, der eigentlich zu leicht war.

Griezmann kann vor allem treffen, treffen, treffen

Dabei ist Griezmann eigentlich immer noch zu leicht. Bei 176 Zentimetern Körpergröße wiegt er nur knapp 70 Kilogramm, neben Mitspielern wie Olivier Giroud oder Paul Pogba wirkt er manchmal immer noch wie ein Schuljunge. Wäre da nicht diese unglaubliche Qualität, diese Eleganz und Effektivität, die Griezmann auf dem Platz ausstrahlt. Irgendwo zwischen David Silva und David Beckham verortet er sein eigenes Spiel, aber das ist nur die halbe Wahrheit. Denn nicht nur kann Griezmann dribbeln wie Silva und passen wie Beckham, er kann vor allem treffen, treffen, treffen.

In den vergangenen beiden Jahren schoss er für Atlético 57 Tore, beim strauchelnden EM-Gastgeber Frankreich war er es, der das Team mit seinen zwei Toren ins Viertelfinale brachte. Nach dem Spiel gegen die Iren überschlug sich die französische Presse mit Liebesbekundungen an den verlorenen Sohn. Und auch die spanische Presse huldigte Atléticos Ausnahmespieler, der mittlerweile fast so lange in Spanien lebt wie er es in Frankreich getan hat, und sogar Baskisch spricht. „Griezmann ist der wahre Sonnenkönig“, schrieb „Marca“ überschwänglich.

Mit 24 Jahren ist Griezmann nun nicht nur eine der prägenden Figuren der EM, sondern auch einer der besten Offensivspieler Europas. Sein Vereinstrainer Diego Simeone geht sogar noch einen Schritt weiter: „Er gehört für mich zu den drei besten Stürmern der Welt.“ Noch 2012 wurde Griezmann aus der französischen U 21 geworfen, weil er sich eine ausgiebige Partynacht gegönnt hatte. Ein Fehlverhalten, das mittlerweile undenkbar ist.

Griezmann hat seinen Vertrag bei Atlético verlängert, übernimmt Verantwortung auf dem Platz und scheint in allen Belangen erwachsen geworden zu sein. Außer vielleicht bei der Wahl seines Glücksbringers: Griezmann trägt bei Spielen seit jeher Spongebob-Unterwäsche unter der Sporthose. Bislang, so scheint es, wirkt der Glücksbringer.

Stephan Reich

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