Australian Open: Angelique Kerber hat ihr Lachen wiedergefunden
Angelique Kerber ist auf dem Weg zu alter Stärke: Sie lässt Maria Scharapova keine Chance und kommt in nur 64 Minuten weiter. Alexander Zverev scheidet hingegen aus.
Angelique Kerber blickte hoch in die voll besetzten Ränge der Rod-Laver-Arena, und in die Gesichter der 15.000 Zuschauer, die aufgesprungen waren und sie für ihre mitreißende Leistung frenetisch bejubelten. Kerber saugte diesen Moment tief in sich auf. Sie strahlte und schien so glücklich, wie seit sehr langer Zeit nicht mehr. Und was für ein großer Sieg war Kerber da in der dritten Runde der Australian Open gelungen: Mit 6:1 und 6:3 hatte sie Maria Scharapowa so beeindruckend abgefertigt, als sei die ehemalige Weltranglistenerste bloß irgendeine Amateurin. "Ich habe es so genossen", sagte Kerber ganz beseelt, "es fühlt sich so gut an, wenn einfach alles funktioniert." Auf dieses schöne Gefühl hatte Kerber ein ganzes Jahr lang verzichten müssen.
Nach ihrer letzten Partie der vergangenen Saison im chinesischen Zhuhai war Kerber mit Tränen vom Platz geschlichen und hatte "endlich ist es vorbei" geschluchzt. Eine völlig verkorkste Saison lang hinter der Norddeutschen, die ein extremer Kontrast zum so wunderbaren Jahr 2016 bildete, als Kerber die Australian und die US Open gewann, sich die olympische Silbermedaille holte, es in insgesamt acht Endspiele schaffte und so als erste Deutsche nach Steffi Graf die Nummer eins der Welt wurde. Ein Jahr später hatte sich dieser Traum-Lauf in einen Albtraum verwandelt: Kerber beendete die vergangene Saison ohne Titel, auf Platz 22 der Weltrangliste und zutiefst ernüchtert. Fünf Wochen lang fasste Kerber keinen Tennisschläger an. Dann entschied sie, die Reset-Taste zu drücken. Kerber trennte sich schweren Herzens von ihrem Trainer Torben Beltz, der sie seit ihrer Jugend begleitete, und verpflichtete den Belgier Wim Fissette. "Ich brauchte den Wechsel", sagte Kerber nun, "und es war die richtige Entscheidung.
Zverev verliert in fünf Sätzen gegen Chung Hyeon
Seit dem ersten Tag der Vorbereitung habe ich wieder Spaß." Der Belgier spricht Deutsch und trifft bei Kerber den richtigen Ton. Sie redeten viel miteinander und das tat Kerber gut. "Angie hat in der Vorbereitung jeden Tag hart gearbeitet, aber immer mit einem Lächeln auf den Lippen", sagte Fissette. Kerber verbesserte wieder ihre Fitness, die der Grundstein für ihr defensiv-starkes Spiel ist. Fissettes Plan ist, "Angies Spiel weniger ausrechenbar zu machen. Denn jeder weiß inzwischen, wie sie spielt". Soll heißen: mehr Mut in der Offensive. Und: Umstellung des Aufschlags, ihrer langjährigen Achillesferse. Und der Plan geht bisher auf, zum Leidwesen Scharapowas: "Angie ist immer sehr stark, wenn sie viele Matches auf dem Konto hat - und viel Selbstvertrauen." Und das ist mit dem zwölften Sieg in Folge 2017 so groß wie lange nicht. Gegen Hsieh Su-Wei aus Taiwan ist sie am Montag im Achtelfinale in jedem Fall klar favorisiert. Alles andere "kann ich gut ausblenden", betont Kerber. Doch als einzige verbliebene Grand-Slam-Siegerin im Feld ist die "alte/neue" Kerber längst wieder Favoritin auf den Titel, obwohl ihr das selbst viel zu schnell geht.
Zu schnell ging es in Melbourne auch für den deutschen Überflieger Alexander Zverev . Der 20-Jährige gestand nach seiner bitteren 7:5, 6:7, 6:2, 3:6 und 0:6-Niederlage gegen den aufstrebenden Südkoreaner Chung Hyeon ein, dass es ihm bei den Grand Slams noch an Erfahrung fehlt. "Im Moment bedeuten sie mir noch zu vie. Ich komme her und will unbedingt gut sein. Und viele erwarten von mir, dass ich weit komme. Das ist nicht einfach für mich". Aber Kerber, die zum Jahresbeginn mit Zverev beim Hopman Cup antrat, macht dem Weltranglistenvierten Mut: "Ich weiß, wie er sich fühlt. Bei mir hat es bei den Grand Slams auch etwas gedauert. Aber er ist noch so jung, und hat noch so viele Chancen, einen zu gewinnen. Da bin ich sicher."