Dopingmittel Methylhexanamin und Sibutramin: Analytiker Geyer: „Einfach dämlich“
Am Beispiel des jamaikanischen Sprinters erklärt der Dopingexperte Hans Geyer, wie Athleten Nahrungsergänzungsmittel zum Verhängnis werden können.
Herr Geyer, im Fall um den jamaikanischen Sprinter Asafa Powell deutet einiges darauf hin, dass die Sportler ein verunreinigtes oder gefälschtes Nahrungsergänzungsmittel genommen haben. Kann man sich vor einem solchen Risiko überhaupt schützen?
Eine Quelle von Nahrungsergänzungsmitteln mit minimiertem Dopingrisiko ist die so genannte Kölner Liste, auf der Nahrungsergänzungsmittel stehen, die regelmäßig auf bestimmte Dopingssubstanzen kontrolliert werden. Wir haben es aber immer mehr mit Nahrungsergänzungsmitteln zu tun, die nicht verunreinigt, sondern absichtlich gefälscht sind.
Was steckt dahinter?
Manche Anbieter bewerben ihre Produkte mit den Wirkungen eines Dopingmittels, aber auf der Packung ist nicht ersichtlich, was eigentlich drin ist. Da werden oft Dopingsubstanzen wie die Stimulanzien Methylhexanamin und Sibutramin oder Anabolika reingemischt, die billig auf dem chinesischen Markt eingekauft werden können. Gefährlich sind vor allem Nahrungsergänzungsmittel, die Fettabbau und Muskelwachstum in kurzer Zeit versprechen. Da sollte man besonders vorsichtig sein.
Wie groß ist die Gefahr?
Nahrungsergänzungsmittel beziehungsweise Abnahmemittel, die mit dem Stimulanz Methylhexanamin gefälscht sind, führen jährlich weltweit zu etwa 300 positiven Dopingfällen. Die Nahrungsergänzungsmittel sind ohnehin ein Riesenmarkt, weil die Gesellschaft von einer Fitness- und Ästhetikwelle erfasst ist und ein Teil der Bevölkerung gierig danach ist.
Wie kann ein Athlet beweisen, dass er Opfer eines verunreinigten oder gefälschten Nahrungsergänzungsmittels geworden ist? Schickt er einfach das Mittel ein?
So einfach ist es nicht. Um Manipulationen des Athleten auszuschließen, werden nach einem positiven Befund des Nahrungsergänzungsmittels aus dem Besitz des Athleten noch einmal original verpackte Produkte eingekauft und analysiert. Wenn auch die verunreinigt sind, hat der Athlet eine Chance, seine Unschuld zu belegen.
Könnte der Leistungssport überhaupt noch ohne Nahrungsergänzungsmittel auskommen? Sind sie unbedingt notwendig?
Für Athleten, die sich unterkalorisch ernähren, weil sie auf ihr Gewicht achten müssen wie Leichtgewichtsruderer oder Gymnastinnen, machen diese Mittel durchaus Sinn, um Mangelerscheinungen vorzubeugen. Athleten, die sich hochkalorisch ernähren, wie gerade die Radfahrer bei der Tour de France, brauchen die Kalorien aus Ergänzungsmitteln. Deshalb sieht man sie sogar beim Berganstieg ihre Riegel zu sich nehmen. Man kann auf dem Fahrrad eben kein Schnitzel essen.
Kann man überhaupt anhand der Packung sehen, ob ein Nahrungsergänzungsmittel gefährlich ist?
Auch für Spitzensportler ist das fast unmöglich, denn auf der Packung sind eigentlich immer Substanzen aufgelistet, die nicht auf der Dopingliste stehen. Auf der Packung eines Mittels, das Methylhexanamin enthielt, stand zum Beispiel Geranium-Wurzelextrakt. Oft wird mit der Wirkung irgendwelcher Pflanzen geworben.
Haben Sie eine Erklärung, warum im hochprofessionellen Sport mit all seinen Analysemöglichkeiten und seiner finanziellen Substanz Athleten trotzdem immer wieder zu solchen fragwürdigen Mitteln greifen?
Viele liefern sich einfach selbst ernannten Gurus aus, die ihnen große Versprechungen machen. Die kündigen dann an, ihnen mit rein pflanzlichen Produkten bei der Fettverbrennung und beim Muskelwachstum zu helfen. Die Fälle, die wir jetzt haben, sind wahrscheinlich einfach dämlich. Ich weiß nicht, ob der Spitzensportler tatsächlich immer so gut betreut und beraten ist, wie es immer aussieht.
Hans Geyer, 56, ist Stellvertretender Leiter des Instituts für Biochemie an der Deutschen Sporthochschule in Köln und gehört zum Stab des Zentrums für präventive Dopingforschung.