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DOSB-Präsident Alfons Hörmann in Frankfurt.
© dpa

Das Sportjahr 2015 im Rückblick: Als Hamburg noch der strahlende Sieger war

Im März noch feierte Hamburg in Sachen Olympiabewerbung einen Sieg über Berlin. In der Hauptstadt empfand man dies als demütigend.

Er macht noch eine Pause, eine kurze, eine letzte. Ist die überhaupt nötig, kommt jetzt wirklich noch einmal Spannung auf? „Der einmütige Vorschlag lautet“, hatte Alfons Hörmann angefangen, der Präsident des DOSB, des Deutschen Olympischen Sportbundes, ehe seine Pause mit allerletzten Hoffnungen aus Berlin gefüllt werden kann und dem Luftholen für den Jubelschrei in Hamburg.

Hinter ihm haben sich das Präsidium und der Vorstand des DOSB aufgebaut, sie sollen demonstrieren, was Hörmann mit einmütig meint. Manche blicken ernst geradeaus, manche lächeln, einige schauen feierlich. Dann erlöst Hörmann sich selbst und alle anderen und schickt mit seinem Allgäuer Idiom Hamburg auf die Reise, die einmal auf dem Olymp enden soll, 2024 oder 2028. Der bitterste Moment für Berlin an diesem Abend sollte da aber noch kommen.

Der Sieger bekommt alles

Wie ein Ringrichter macht Hörmann auch dem Letzten deutlich, dass gerade ein Wettbewerb zu Ende gegangen ist, mit einem Sieger und einem Verlierer. Der Sieger bekommt alles, vielleicht sogar zwei Chancen, sich beim Internationalen Olympischen Komitee den Zuschlag für die Olympischen und Paralympischen Spiele zu holen. Sich der Welt noch einmal ganz neu vorzustellen und noch dazu wochenlang ein Fest zu feiern. Der Verlierer bekommt nichts. Fast nichts. Allenfalls ein paar Fußballspiele im olympischen Turnier. Doch das ist kein guter Trost für eine Stadt, die in diesem Jahr das Endspiel der Champions League ausrichten darf.

Ein zweitägiges olympisches Finale war es an der Otto-Fleck-Schneise in Frankfurt am Main, wo die großen Sportverbände des Landes sitzen, ein neutraler Ort, neben dem Stadion, in dem die Frankfurter Eintracht derzeit deutlich besseren Fußball spielt als die Konkurrenten aus Berlin und Hamburg.

Zwei völlig unterschiedliche Kandidaten

Berlin reiste als faktischer Außenseiter und gefühlter Favorit an, die letzte Meinungsumfrage hatte eine höhere Zustimmung der Hamburger Bevölkerung ergeben, 64 zu 55, aber Berlin ist eben Hauptstadt, eine Stadt, die so viel kann, sich jedes Kunststück zutraut, offen für alles ist. Da sollte doch noch etwas gehen.

Hamburg und Berlin seien sich in manchem so ähnlich, heißt es. Doch in diesem Wettbewerb prallten zwei völlig unterschiedliche Kandidaten aufeinander. Ein virtueller auf einen steinernen, eine schöne Animation auf einer Insel im Hamburger Hafen, auf dem Olympia gefeiert werden soll, auf die Fotos des fertigen Olympiastadions, auf dessen blauer Bahn Usain Bolt vor wenigen Jahren so schnell gerannt ist wie vor ihm und nach ihm kein anderer Mensch. Berlin hat Bilder. Aber Hamburg eine Idee.

Der Sonntag sollte und musste auch der Tag der Berliner werden

Eine kleine Berliner Delegation kam nach Frankfurt am Main, um Hamburg auf der Zielgerade doch noch zu überholen, angeführt von Sportsenator Frank Henkel, verstärkt durch Kaweh Niroomand, der nicht nur einen deutschen Volleyballmeister managt, sondern auch für eine Botschaft steht: Berlin hat mir als Einwanderer aus dem Iran eine Chance gegeben. Und ich habe sie genutzt. Jetzt will ich etwas zurückgeben, Chancen für andere ermöglichen. Zwei besondere Frauen standen mit Henkel und Niroomand auf der Bühne, beide Fahnenträgerinnen, Hockeyspielerin Natascha Keller bei den Olympischen, die blinde Schwimmerin Daniela Schulte bei den Paralympischen Spielen.

Nach der ersten Präsentation vor den olympischen Fachverbänden am Sonntag verließ Frank Henkel den Saal im Hotel Lindner am Stadion mit zufriedenem Lächeln und rosiger Gesichtsfarbe und redete wie ein Sportler, der gerade einen Etappensieg errungen hatte. Von „geschlossener Mannschaftsleistung“ sprach er und davon „überzeugt zu haben“.

Substanz und Gefühl

Seinen Eindruck teilten einige Beobachter, auch Befürworter Hamburgs. Berlin habe sich stark präsentiert, mit Substanz und Gefühl und besonders sei gewesen, dass da eben vier Leute auf der Bühne standen, die Vielfalt verkörpern und Sportsgeist. Hamburg dagegen war in der Präsentation die One-Man-Show des Sportsenators Michael Neumann.

Der Sonntag sollte und musste auch der Tag der Berliner werden. Die Fachverbände kommen mit ihren Meisterschaften, ob national oder international, so gerne nach Berlin. Von ihnen erwartete sich die Stadt den entscheidenden Schub, um die fehlende Zustimmung in der Bevölkerung auszugleichen. An einem klaren Votum für Berlin hätte das DOSB-Präsidium nur schwer vorbei gehen können.

Doch ihre Abstimmung blieb geheim, es gab keinen Knalleffekt, der jedes einzelne Mitglied des DOSB-Präsidiums über Nacht noch einmal zum Grübeln hätte bringen können. Da ahnten einige aus Berlin schon, dass sich vielleicht doch nichts mehr tut, dass alles schon entschieden ist für Hamburg. „Ich habe ein schlechtes Bauchgefühl“, sagte einer aus der Delegation. Das Gefühl wurde am nächsten Tag nicht besser.

Drei Einwände gegen die Hauptstadt

Noch einmal präsentierten sich beide Städte, diesmal 43 Experten aus Politik, Gesellschaft und Sport. Aber ein Votum für Berlin brachten auch sie nicht zustande, und als es vorbei war, stellten sich Henkel und Neumann vor ein Banner in der Zentrale des Deutschen Fußball-Bundes mit der Aufschrift „Willkommen beim Weltmeister“ zu einem letzten Händedruck. Henkel führte das Wort, Neumann lächelte. Dann fuhren sie beide in ihre Städte zurück.

Hamburg hatte für den Montagabend eine Großarena angemietet, die Berliner Delegation einigte sich erst im Lauf des Tages darauf, wo sie das Ergebnis eigentlich zusammen erfahren wollte. Auch das sah nicht so aus, als glaubte sie noch an einen Sieg. Ein Berliner, der in Frankfurt geblieben war, zählte am Nachmittag dann an drei Fingern die Einwände gegen die Hauptstadt ab: Tempelhofer Feld, BER und die Meinungsumfrage zu Olympia.

Niederlage, in Ordnung. Aber so?

Um zwanzig nach sechs am Abend setzte sich das Präsidium des DOSB zur Entscheidung zusammen. Da hatte der RBB Hamburg schon zum Sieger erklärt. Die Berliner warteten gar nicht erst auf das Endergebnis des DOSB-Präsidenten. Sie gratulierten Hamburg schon auf offiziellen Kanälen.

Um sieben vor sieben soll abends die Entscheidung gefallen sein im Präsidium des DOSB. Und sie fiel am Ende deutlich aus. Deutlich, weil das Präsidium gegen siebzehn Uhr das Ergebnis der olympischen Fachverbände erhalten hatte. Ein Ergebnis zum Raunen. 18 von ihnen sprachen sich für Hamburg aus, elf für Berlin, vier für beide Kandidaten. Und als Hörmann das hinterherschob nach der Verkündung des Siegers, war dies der schmerzhafteste Moment des Abends.

Brutal abgestraft

Niederlage, in Ordnung. Aber so? „Wir sind brutal abgestraft worden. Von denen, mit denen wir täglich zusammenarbeiten“, sagte einer aus dem Berliner Sport. „Wissen die, was sie angerichtet haben?“, fragt ein anderer. Dieses Votum musste sich für die Berliner anfühlen, als seien aus Verbündeten Verräter geworden. Da könnte Vertrauen zerbrochen sein. Nicht genug damit, dass Berlin verloren hat. Das hätte man mit der fehlenden Zustimmung der Bevölkerung erklären, ja entschuldigen können. Doch mit diesem Votum steht auf einmal der Ruf Berlins auf dem Spiel, dauerhaft die deutsche Sportmetropole Nummer eins zu sein, an der kein Weg vorbei führt.

Die Fachverbände haben genug von Berlin, sie ziehen weiter. Der Präsident des Rugby-Verbandes, dessen Sportart 2016 auch olympisch wird, sagte: In Berlin haben wir alles, in Hamburg bekommen wir alles. Ähnlich formulierte es auch Hörmann in seiner Begründung. Hamburg sei die Chance, auf ein „neues Olympiazentrum“. Hier könne „die Entwicklung einer norddeutschen und nordeuropäischen Metropolregion vorangetrieben werden“. Dabei steht Berlin doch für das Neue, den nächsten Schritt, die Zukunft. Aber die Stadt ist ausgerechnet in ihrer Spezialdisziplin geschlagen worden.

Der olympische Geist

Olympische Spiele sind 44 Weltmeisterschaften auf einmal. Die meisten davon hätte Berlin aus dem Stand veranstalten können. Aber das reichte nicht. Der deutsche Sport wollte mehr, Hörmann sagt, Hamburg habe eben auf die „olympische Idee, den olympischen Geist abgezielt“. Der olympische Geist wohnt im olympischen Dorf. Das olympische Dorf sollte in Berlin auf dem Gelände des dann stillgelegten Flughafens Tegel entstehen. In Hamburg ist es auf dem Kleinen Grasbrook geplant, zusammen mit dem Olympiastadion, dem Schwimmstadion und anderen Stätten. „Da lassen sich viele Wege zu Fuß, auf dem Fahrrad oder mit dem Schiff zurücklegen. Das verspricht olympische Atmosphäre“, sagte Hörmann, und hatte damit gleichzeitig den Vorbehalt geäußert, dass sich der olympische Geist in Berlin vielleicht auf dem Weg vom olympischen Dorf ins Olympiastadion und all die anderen über die Stadt verstreuten Sportstätten verflüchtigen könnte.

Je länger Hörmann redete, und je mehr auch andere Mitglieder aus Präsidium und Vorstand ihre Argumente ergänzten, desto deutlicher wurde die Niederlage für Berlin. „Die haben einfach zu spät mit ihrer Kampagne angefangen“, sagte Michael Vesper, der Vorstandsvorsitzende des DOSB. Vor allem hat Berlin auf allen Feldern verloren, in der Meinungsumfrage, bei den Spitzenverbänden und am Ende auch beim DOSB-Präsidium. Die Entscheidung sei nicht einstimmig, aber einmütig gefallen, sagte Hörmann. Und es gab keinen, der sie nicht nachvollziehen konnte unter den anwesenden Funktionären. „Wir wollen die Spiele“, so hatte Berlin geworben. Hamburg war „Feuer und Flamme“. So gesehen haben beide Städte das Ergebnis schon mit ihrem Wahlspruch vorweggenommen.

Hier können Sie die Ereignisse am Montag in unserem Olympia-Ticker nachlesen.

Dieser Text erschien am 16. März auf der Dritten Seite.

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