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Zwei Fäuste für vier Siege. Torhüterin Almuth Schult hat im Turnier noch kein Gegentor kassiert.
© REUTERS

DFB-Torhüterin vor WM-Viertelfinale: Almuth Schult ist anders erfolgreich

Die auf einem Bauernhof aufgewachsene Almuth Schult ist die heimliche Anführerin im deutschen Team. Gegen Schweden wird es besonders auf sie ankommen.

Von David Joram

Die Fußballwelt kann eine recht brutale sein, für den etwas kleineren Kosmos der deutschen Fußballerinnen gilt das auch. Als der Deutsche Fußball-Bund vor dieser Weltmeisterschaft in Frankreich einen Medientag in Grassau ansetzte, zerfiel das Team ungewollt in zwei Lager. In eines, das die Reporterinnen und Reporter mäßig bis kaum interessierte – und in eines, das vor Interesse schier überquoll. Alexandra Popp, die Kapitänin, Dzenifer Marozsan, die nun verletzte Grande Dame auf der Zehnerposition, oder Lena Goeßling, die erfahrene Abwehrspielerin, zählten zum zweiten Lager. Und auch Almuth Schult, die Torhüterin, die sich so ganz anders zu verhalten scheint.

Obwohl Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg die vier Siege bei dieser WM gerne der mannschaftlichen Geschlossenheit zuschreibt, dürfte es gegen Schweden umso mehr auf Schult ankommen. Die 28-Jährige will auch das Viertelfinale an diesem Samstag (18.30 Uhr, live in der ARD) ohne Gegentor überstehen. Zieht die deutsche Elf ins Halbfinale ein, würde sie gleichzeitig den Traum von der Olympiateilnahme wachhalten. Nur die besten drei europäischen Teams qualifizieren sich für Tokio 2020. Dafür arbeitet Schult hart.

Während die Kolleginnen fleißig die sozialen Netzwerke nutzen, um ihre gestählten Muskeln zu präsentieren, glänzt Schult auf Plattformen wie Instagram durch Abwesenheit. „Almuth allwissend“ nennen sie ihre Mitspielerinnen, sie spiele gerne mal den „Klugscheißer“, sagt Mittelfeldspielerin Lina Magull. Dazu passt, dass Schult mit vielen Enzyklopädien auf einem Bauernhof im Wendland aufwuchs. Sie kann immer noch Kühe melken und Heu pressen. „Wenn eine Frage geklärt werden musste, wurde das von den Kindern nachgeschlagen. So haben wir unseren Wissensstand erweitert“, sagte Schult in einem Interview mit dem Online-Portal „Sportbuzzer“.

Die listige Bauernhof-Tochter mag die aufgeregte Dauerbelastung im Netz nicht, Schult äußert stattdessen auch mal tiefsinnige wie kritische Gedanken. „Wir hoffen, dass der DFB den Frauenfußball weiter nach vorne bringt. Aber die Signale, die ich momentan wahrnehme, deuten leider in eine andere Richtung“, klagte sie vor der WM in einem Interview mit der „FAZ“. Dem Verband warf sie Geringschätzung vor, sie habe den Eindruck, dass es die meisten Funktionäre nicht gerade als Vorteil ansehen würden, wenn Frauenfußball im Lebenslauf auftauche. Es sind auch solche Aussagen, die Schults Ruf begründen. Sie gilt als charakter- und meinungsstark, als Persönlichkeit. Die Kapitänsbinde trägt zwar Stürmerin Alexandra Popp, als heimliche Anführerin aber gilt Schult.

Schult ist wahnsinnig ehrgeizig

Sportlich weiß die Torhüterin des VfL Wolfsburg bei diesem Turnier ohnehin zu überzeugen. Sie sagt aber: „Wir haben eine starke Mentalität, jeden Schuss zu blocken. Es liegt nicht nur an mir, dass wir bisher kein Gegentor kassiert haben. In manchen Situationen hatten wir auch Glück.“ Das Glück lag vor allem darin begründet, dass Schult die teils groben Fehler ihrer Vorderleute wettmachte. In direkten Duellen und bei hohen Bällen zählt sie zur absoluten Weltspitze. Sie verleiht dem Team in hektischen Phase Ruhe und Stabilität. „Für mich ist sie die kompletteste und daher auch die beste Torhüterin der Welt“, sagte Vorgängerin Nadine Angerer im Tagesspiegel-Interview. Schult reiht sich ein in die Riege der großen deutschen Weltmeister-Torhüterinnen wie Silke Rottenburg und Angerer.

Als größtes Talent gilt die Torfrau allerdings nicht, sie brauche ein hohes Trainingspensum, heißt es. Einer, der bereits mit ihr zusammengearbeitet hat, vergleicht sie mit Oliver Kahn. Ein bisschen verrückt, im positiven Sinn, sei sie, und wahnsinnig ehrgeizig. Was an Talent fehle, versuche Schult in den Übungseinheiten wett zu machen.

Bisher ist ihr das wunderbar gelungen, auch die Kontinuität stimmt, seit sechs Jahren steht Schult beim deutschen Vorzeigeklub VfL Wolfsburg unter Vertrag. Bis 2022 ist sie an den VfL gebunden, was danach kommt – offen. „Infrage kommt das immer“, antwortete Schult unlängst auf die Frage, ob sie sich einen Wechsel ins Ausland vorstellen könne. „Jede Spielerin, die in Deutschland mit mir zusammengespielt hat, hat mit erzählt, wie toll es ist, eine andere Kultur kennen zu lernen“, sagte Schult. Sie sei zwar sehr heimatverbunden und glücklich in Wolfsburg, „aber das eine schließt das andere ja nicht aus.“ Maß, Mitte und Ziel, das verkörpert sie wie kaum eine andere Spielerin. Vielleicht bekommt sie deshalb eine so hohe Aufmerksamkeit.

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