Torwart-Transfermarkt kommt in Bewegung: Allison und die Torhüter-Kettenreaktion
Alissons Transfer nach Liverpool könnte eine große Torwartrochade auslösen. Weitere Kandidaten sind Chelseas Thibaut Courtois und Paris' Alphonse Areola.
Für seinen neuen Trainer Jürgen Klopp ist Alisson „einer der besten Torhüter der Welt“. Deshalb waren dem FC Liverpool die Dienste des Brasilianers, der bei der WM mit starken Leistungen auffiel, 72,5 Millionen Euro wert. Für so viel Geld inklusive möglicher Boni kommt Alisson aus Rom zu Klopps Team. Warum das so bemerkenswert ist? Weil die Ablöse, trotz horrender Summen, die im vergangenen Jahr für Spieler wie Kylian Mbappé (180 Millionen Euro), Neymar (220 Millionen Euro) oder Philippe Coutinho (125 Millionen Euro) ausgegeben wurden, die höchste ist, die jemals für einen Torwart gezahlt wurde. Der bisherige Transferrekord auf der Torwartposition lag bis Donnerstag bei 53 Millionen Euro – und stammt aus dem Jahr 2001. Damals wechselte Gianluigi Buffon aus Parma zu Juventus Turin.
17 Jahre später könnte Alissons Wechsel nun eine weltweite Kettenreaktion auf der Towartposition nach sich ziehen. Der Erste, den sie trifft, ist der Deutsche Loris Karius. Die bisherige Nummer eins ist den Stammplatz nach dem verpatzten Champions-League-Finale nun los. Bleibt die Frage, was jetzt mit den weltbesten Torhütern passiert, wenn der Brasilianer Alisson dem FC Liverpool schon 72,5 Millionen Euro wert ist.
Auf den ersten Blick scheint es so zu sein, als ob die Weltklasse-Torhüter, anders als ihre Kollegen auf dem Feld, vereinstreuer sind. Oder dass den Vereinen mehr an ihnen liegt – weil sie schwerer zu ersetzen sind als etwa ein Stürmer. Manuel Neuer zum Beispiel, der vielleicht beste Torhüter der vergangenen Jahre, gilt jetzt als viertwertvollster Torwart, aber auch er steht schon sieben Jahre lang für den FC Bayern im Tor. David de Gea (Manchester United) und Thibaut Courtois (noch FC Chelsea), die zweit- und drittwertvollsten Torhüter der Welt, wechselten beide ebenfalls schon 2011 und mauserten sich nach und nach erst zu unverzichtbaren Leistungsträgern. Courtois wurde sogar mehrmals verliehen und erst bei Atletico Madrid richtig stark. Der laut Transfermarkt.de derzeit wertvollste Torhüter der Welt ist Jan Oblak. Der Slowene wechselte vor vier Jahren für 16 Millionen Euro zu Atletico – als Ersatz des Stammkeepers Miguel Moya – und spielte sich dort erst ins Rampenlicht.
Insgesamt entsteht so der Eindruck, dass die die Klubs zuletzt eher sparsam gewesen sind auf der Position, verhältnismäßig jedenfalls. Allisons Landsmann Ederson, der als aktuell drittteuerster Torhüter gehandelt wird, kam für 40 Millionen Euro zu Manchester City. Und mit Englands Nationaltorwart Jordan Pickford wechselte ein weiteres vielversprechendes Talent für eine Ablösesumme von 30 Millionen Euro zum FC Everton. Aber die beiden sind eben noch keine großen Namen – die sind ihren Vereinen bisher treu geblieben.
Wer den Spielermarkt in den vergangenen Jahren beobachtet hat, kann zu dem Schluss kommen, dass genau jetzt auf der Torwartposition eine ähnliche Rochade beginnt, wie sie Neymar im Sommer 2017 mit seinem Wechsel aus Barcelona nach Paris ausgelöst hat. Als ihn die Franzosen unter Vertrag nahmen, war zunächst Liverpools Coutinho die Wunschlösung als Nachfolge. Der durfte aber erst ein halbes Jahr später seine Koffer packen. So holte Barcelona für 105 Millionen Ousmane Dembélé von Borussia Dortmund. Liverpool bediente sich, im Wissen, dass die Stunden Coutinhos an der Anfield Road bald gezählt sein werden, bei der AS Rom – Mohammed Salah kam für 42 Millionen Euro. Die Römer wiederum gaben für ihre Verhältnisse viel Geld aus und verpflichteten Außenstürmer Cengiz Ünder aus der Türkei für knapp 14 Millonen Euro. Alle Ablösesummen der genannten Transfers überstiegen die Marktwerte der betreffenden Spieler deutlich. So wie nun bei Alisson, dem Neymar unter den Torhütern.
Die Ablösesummen für Top-Torhüter dürften weiter steigen
Richtig in Schwung bringen könnte das Torwart-Geschacher nun Real Madrid. Der Champions-League-Sieger zeigt bereits Interesse an Chelseas Courtois. Und das kann teuer werden für die Spanier. Der belgische Nationaltorwart hat einen Vertrag bis 2019 und – noch – einen Marktwert von 65 Millionen Euro. Ihn im kommenden Jahr ablösefrei gehen zu lassen, wie Juventus Turin es nun beim Transfer Buffons nach Paris getan hat, können sich die Londoner nicht leisten. Und doch ist es möglich. „Die Leute beschweren sich immer, dass Spieler ihren Verträgen nicht nachkommen, aber vielleicht werde ich es tun“, sagte Courtois kürzlich. Charmante Worte im wahnwitzigen Fußballkosmos, die er gleich mit dem nächsten Satz wieder einschränkt: „Ich glaube nicht, dass ein Trainer jemanden mit meinen Qualitäten auf die Bank setzen möchte, auch wenn ich nicht unterschreibe.“
Es liegt also auch ein Stück weit an der persönlichen Entscheidung des 26 Jahre alten Belgiers, wie sich der Markt entfaltet. Denn ihn zu ersetzen, wird sich der FC Chelsea wiederum viel kosten lassen – und sich sicherlich einen Weltklasse-Torhüter holen.
Vielleicht ja aus Paris: Durch den erwähnten Wechsel Buffons duelliert sich der Italiener dort nun mit Alphonse Areola um den Stammplatz. Möglich, dass der bisher unumstrittene Franzose Areola das nicht mitmacht. Dann könnte es erst richtig losgehen auf dem Transfermarkt. Und wenn dieser erst mal voll Fahrt aufgenommen hat, dann wird sich wahrscheinlich kaum jemand mehr daran erinnern können, dass es Klopp und seine Liverpooler waren, die den Anfang gemacht haben.