Vor den Australian Open: Alexander Zverev gibt sich plötzlich geläutert
Der deutsche Tennisspieler möchte „ein besserer Mensch“ werden – und bei den Australian Open ausschließlich sportliche Schlagzeilen produzieren.
Alexander Zverev ist ein Muster an Beständigkeit. Vielleicht nicht unbedingt auf dem Tennisplatz, dafür aber garantiert daneben. Das Jahr 2021 ist gerade einmal fünf Wochen alt und der beste deutsche Profi hat bereits wieder reichlich Schlagzeilen produziert. Zunächst wurde das Ende der Zusammenarbeit mit Trainer David Ferrer bekannt, dann trennte sich Zverev von seiner Managementagentur – oder umgekehrt. Und schließlich erklärte er, künftig ein deutscher Sportheld werden zu wollen. Mit Siegen auf dem Tennisplatz versteht sich.
Sein Vorgänger Boris Becker reduzierte das Ganze zuletzt bei Eurosport auf einen einzigen Satz und gab Zverev für die am Montag beginnenden Australian Open Folgendes mit auf den Weg: „Die Zeit der Ausreden ist vorbei.“
In etwas mehr als als zwei Monaten wird Alexander Zverev 24 Jahre alt. Seit langem gilt er als der kommende Superstar im Tennis. Zur Ablösung von Novak Djokovic, Rafael Nadal oder Roger Federer ist es aber bis heute nicht gekommen. Auf einen Grand-Slam-Titel muss der Hamburger noch immer warten.
Zverev hat viel versucht mit Trainern wie Ivan Lendl oder Juan Carlos Ferrero und zuletzt Ferrer. Sie alle sind aus verschiedenen Gründen mit ihm nicht dahin gekommen, wo sie hinwollten und wo sich Zverev selber sieht – ganz nach oben.
Wohl auch deshalb hat Zverev nun wieder alles auf Anfang gestellt. „Ich habe mich dazu entschieden, zurück zu den Wurzeln zu gehen und mich von meiner Familie beim Coaching und von meinem Bruder Mischa und Sergej Bubka beim Management unterstützen zu lassen“, erklärte er die neue Besetzung der entscheidenden Posten in seinem Berufsleben. Auf die logische Wahl von Becker als Trainer verzichtet er weiter: „Wir reden seit Jahren mit Boris. Wir haben einen sehr guten Kontakt. Aber die nächsten Monate ist das kein Thema“, sagte er in einem Interview mit der Bild am Sonntag.
Boris Becker sagt über Zverev: „Die Zeit der Ausreden ist vorbei“
Stattdessen setzt Zverev wieder komplett auf die Familie oder den engsten Freundeskreis. So wie er das seit seiner Kindheit kennt. Seine Eltern waren erfolgreiche Tennisspieler, sein Bruder hat es als Profi ebenfalls weit gebracht. Ihnen vertraut er und sie kennen ihn besser als jeder andere. Und mit ihnen glaubt er, nun endlich die ersehnten Erfolge bei großen Turnieren erreichen zu können. „Er ist langsam im besten Tennisalter. Er weiß, dass die Verantwortung bei ihm liegt“, mahnte Becker.
Beim ATP-Cup im Vorfeld der Australian Open zeigte sich Zverev in ordentlicher Form, er bezwang zunächst den Kanadier Denis Shapovalov, verlor dann jeweils knapp gegen Novak Djokovic und Daniil Medwedew. Immerhin schaffte er mit der deutschen Mannschaft den Einzug ins Halbfinale, wo sie am Samstag gegen Russland ausschied.
Zverev musste sich in seinem Einzel gegen Medwedew am Rücken behandeln lassen, konnte es aber zu Ende spielen. Sein Erstrundenduell beim Grand-Slam-Auftakt in Melbourne mit dem US-Amerikaner Matthew Giron schon in der Nacht auf Montag scheint aber nicht gefährdet.
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Becker ist überzeugt davon, dass Zverev zu den Favoriten auf den Titel gehört: „Ich würde mich sehr täuschen, wenn er nicht sehr weit kommt“, sagte er und erhöhte damit den Druck auf seinen jungen Landsmann noch mehr.
Mit hohen Erwartungen lebt Zverev schon seit Jahren, erfüllen konnte er sie noch zu selten. 2020 kam er einem Grand-Slam-Titel zwar nahe, aber das Sportliche trat angesichts seiner diversen privaten Kalamitäten in den Hintergrund. Eine frühere Freundin warf ihm häusliche Gewalt vor, das Thema wird von einem US-Journalisten immer wieder hochgekocht. Zverev weist alle Vorwürfe zurück und sagt, dass er nichts mehr dazu sagen will.
Lieber möchte er darüber reden, dass er bald Vater wird. „Ich freue mich riesig darauf“, sagte Zverev auch wenn er mit der Mutter des Kindes nicht mehr zusammen ist und die wiederholt klar gemacht hat, dass sie das Sorgerecht für sich beansprucht.
Davon unbeeindruckt, gibt sich Zverev derzeit betont umgänglich: „Die ganzen Geschichten, die ich hatte, sind nicht schön gewesen, aber daraus muss man lernen. Daraus muss man ein besserer Mensch werden.“ In Australien will er mit dieser neuen Einstellung ausschließlich positive Schlagzeilen produzieren. Rein sportliche zunächst, denn alles andere lässt sich auf dem Tennisplatz kaum regeln.