Nach dem Eurocup-Finale: Alba zwischen Trauer und Stolz
Die Silbermedaille legten Albas Profis schnell wieder ab, die Enttäuschung nach der Finalniederlage im Eurocup war groß. Die Freude, überhaupt so weit gekommen zu sein, setzte erst später ein.
Steffen Hamann sitzt auf einer Werbebande und schüttelt mechanisch den Kopf, den Blick zu Boden gerichtet. Blagota Sekulic ist auf der Spielerbank so in sich zusammengesunken, dass man nie vermuten würde, dass er normalerweise 2,08 Meter groß ist. Während die „Campeones“-Gesänge der Fans von Valencia BC durch die Fernando-Buesa-Arena von Vitoria donnern, lassen sich mehrere Spieler von Alba Berlin Handtücher reichen, um irgendetwas zu haben, in das sie ihr Gesicht vergraben können. Als die Berliner Basketballer zur Ehrung als Zweitplatzierte des Eurocups 2010 trotten, stimmen auch die spanischen Zuschauer in die „Alba“-Rufe der rund 100 Berliner Fans ein. Kapitän Julius Jenkins klatscht jeden seiner Mitspieler ab, dann muss er den Kopf einziehen, eine Konfettikanone feuert Papierschnipsel in hohem Bogen auf die neuen Eurocup-Champions aus Valencia, die den silbernen Pokal unter tosendem Jubel ihrer Fans in die Höhe stemmen.
Für den ganz großen Erfolg hat es für Alba nicht gereicht an diesem Sonntagabend, die 44:67 (22:36)-Finalniederlage gegen den spanischen Tabellenvierten Valencia BC war eine klare Angelegenheit. Das gesamte Spiel über erschrecken die Spanier Alba mit unbarmherziger Verteidigung, kein Berliner erzielt an diesem Abend mehr als neun Punkte. Vorbei an baskischen Polizisten, die ihre Gesichter mit schwarzen Stoffmasken gespenstisch verhüllt haben, ziehen sich die Alba-Spieler in die Kabine zurück. Der Jubel der spanischen Spieler, die wie von Sinnen Sekt durch die Katakomben der Halle spritzen, dringt dumpf durch die geschlossene Tür. Albas Flügelspieler Derrick Byars starrt auf die Silbermedaille in seiner Hand, die meisten seiner Mitspieler haben sie längst abgenommen. „Alle haben mit viel Herz gespielt“, sagt Byars. „Deswegen ist es auch besonders schwer, den zweiten Platz zu akzeptieren.“ Byars ist genauso wie Jenkins und Sekulic angeschlagen in das Wochenende gegangen, Immanuel McElroy hat das Halbfinale nur mit Wadenkrämpfen durchgestanden. Jetzt wollen alle nur noch unter die Dusche und raus aus der Halle.
Im Kabinengang geben Valencias Spieler jetzt Fernsehinterviews, das große spanische Talent Victor Claver trägt dabei nach alter Basketballsitte das abgeschnittene Korbnetz um den Hals. Er darf sich nicht nur über den Pokal freuen, sondern auch über die Qualifikation für die Europaliga, die der Titel mit sich bringt. Die spanischen Fans, die auch jetzt noch auf den Tribünen ausharren, verlangen mit Sprechchören nach der Mannschaft. Vor der Halle, zwischen Rote-Kreuz-Autos und Übertragungswagen, stehen Marco Baldi und Henning Harnisch bei einer Zigarette zusammen. Albas Geschäftsführer Baldi nimmt seinen Sportdirektor in den Arm. „Mensch, Harnisch“, sagt er, dann schweigen beide.
Ein paar Minuten später sagt Baldi, diese Europokalsaison habe gezeigt, „warum wir den Vertrag mit Luka Pavicevic vorzeitig verlängert haben“. Die Arbeit des Trainers sei nicht zu übersehen. „Aber heute hat Valencia gespürt, dass uns die Energie gefehlt hat. Wir waren leer.“ Im vergangenen Jahr hat Pavicevic das Team in die Zwischenrunde der Europaliga geführt, in dieser Saison hätte es beinahe den zweitwichtigsten Europapokal gewonnen. „Wir haben zwei Jahre lang gut in Europa ausgesehen“, sagt Baldi. „Und es gibt keinen Grund, dass das nächstes Jahr anders wird.“
Luka Pavicevic kommt von der Pressekonferenz, mit einer Cola-Dose in der Hand bewegt er sich wie ein Schlafwandler. Obwohl ihm anzusehen ist, wie weh ihm die Niederlage tut, überwiegt bei ihm der Stolz auf sein Team. „Wir haben Verletzungen und Operationen überstanden. Wir waren diese Saison überall – Ukraine, Türkei, Israel, Griechenland, Spanien. Wir haben sieben Berge und sieben Ozeane überquert, um hier spielen zu dürfen“, sagt Pavicevic und nimmt einen Schluck. „Und genau das habe ich auch meinen Spielern gesagt: Es gibt keinen Grund, irgendetwas zu bedauern.“ Albas Fans feiern die Spieler draußen noch einmal mit Sprechchören, dann steigen sie in ihren Bus. Die letzte Europokal-Dienstfahrt steht in diesem Moment auch der Mannschaft noch bevor: Am Morgen nach dem Finale macht sich das Team ebenfalls per Bus auf die Fahrt nach Berlin.