Vor der neuen Basketball-Saison: Alba Berlin spürt die Tücken des Erfolgs
Die Berliner Basketballer treten nach der so erfolgreichen vergangenen Saison nun in der Euroleague an. Das hat nicht nur Vorteile für die Planung.
Drei, vier Mails checken, den Müll rausbringen, ein bisschen telefonieren, zwischendrin die Waschmaschine einschalten und dann noch ein paar Akten durchgucken – Home-Office kann eine praktische Sache sein. Noch dazu, wenn sich das Eigenheim in einer Umgebung befindet, in der andere gerne Urlaub machen. Auf Gran Canaria zum Beispiel. Dort haust Himar Ojeda seit einigen Tagen. Der Sportdirektor von Alba Berlin hat jedoch wenig Zeit für Sonne und Strand, denn in den Planungen für die kommende Saison des Basketball-Bundesligisten gibt es noch Baustellen. Da ist in Sachen Home-Office viel Disziplin gefragt.
„Ich habe geglaubt, dass es ein bisschen einfacher werden würde“, sagt Ojeda. Schließlich spielt Alba in der kommenden Saison in der Euroleague. Die Teilnahme am höchsten europäischen Wettbewerb hatte er immer als das letzte noch fehlende Puzzlestück angesehen, um zu einer internationalen Topadresse für Spitzenspieler zu werden. Aber: „Die Euroleague hat auch den Effekt, dass jeder denkt, dass sein Gehalt höher sein müsste“, sagt Ojeda. „Auch bei unseren eigenen Spielern.“
Die Kaderplanung kam deshalb nur schwer in Gang. Das 17-jährige Toptalent und Gesicht der Berliner Nachwuchsphilosophie Franz Wagner verließ den Klub zugunsten seines College-Traums in den USA. Publikumsliebling und Nationalspieler Joshiko Saibou ließ Alba nach Bonn ziehen. Und auch die Vertragsverhandlungen mit Leistungsträgern wie Spielmacher Peyton Siva oder Kapitän Niels Giffey zogen sich. Es dauerte etwas, bis Bewegung in die Sache kam. Dann unterschrieb Siva für zwei weitere Jahre, Alba schlug gleich dreimal auf dem Spielermarkt zu, und inzwischen hat auch Giffey ein neues Arbeitspapier unterzeichnet.
Vom US-College kam Aufbauspieler Makai Mason neu ins Team, er lief bereits für das deutsche Nationalteam auf. Dank seiner guten Kontakte nach Spanien lotste Ojeda zudem den Schweden Marcus Eriksson nach Berlin, der Dreierspezialist unterschrieb gleich für vier Jahre. Und dann erledigte der Sportdirektor noch seinen Hauptauftrag im Rahmen der NBA Summer League: den US-amerikanischen 2,06-Meter-Mann Tyler Cavanaugh von einem Engagement bei Alba zu überzeugen. „Ich bin sehr zufrieden“, sagt Ojeda.
Alba hat acht Import-Spieler im Kader
Auch wenn Center Dennis Clifford und Spielmacher Derrick Walton Alba verlassen, stehen nun dennoch acht Import-Spieler im Kader. Sie werden angesichts von nur sechs Plätzen in der Liga rotieren müssen. „Wir brauchen einen tiefen Kader“, sagt Ojeda. Mit der Unterschrift von Talent Jonas Mattisseck unter einen neuen Vertrag wären die Planungen abgeschlossen. Ojeda glaubt, dass das bald passiert.
Nur wer das Team dann in der kommenden Saison trainiert, ist immer noch nicht klar. Ojeda hofft, dass Trainerlegende Aito Garcia Reneses auch weiterhin bei Alba seine Künste lehrt. Doch die Entscheidung des 72-Jährigen, ob er sich nach einer Augenoperation fit genug für eine weitere Saison in Berlin fühlt, steht noch aus. Mitte August beginnt bei Alba die Vorbereitung, bis dahin soll die Frage geklärt sein. „Ich bin bereit, zu verschiedenen Szenarien überzugehen, wenn Aito nicht zurückkommt“, sagt Ojeda. Ein paar Nachfolgekandidaten hätte er schon im Kopf, Gespräche gab es aber noch nicht.
An Albas rasantem Stil sowie der Nachwuchsphilosophie soll sich jedenfalls auch in der kommenden Saison nichts ändern. Auch deshalb war Reneses stets in die Kaderplanung eingebunden. Jetzt ist für ihn in Barcelona aber Erholung angesagt. Kein Home-Office.
Leonard Brandbeck