Marko Pesic im Interview: "Alba Berlin sollte die Hingabe nie verlieren"
Marko Pesic spielte jahrelang erfolgreich für Alba Berlin. Jetzt ist er Sportdirektor beim FC Bayern. Im Interview spricht er über das Pokal-Halbfinale, Uli Hoeneß und den Weg des Rivalen.
Herr Pesic, vor einem Jahr haben Sie das Pokalfinale in eigener Halle in letzter Sekunde gegen Alba Berlin verloren. Wie tief sitzt der Stachel noch?
Das war schon bitter. Wir hatten zuvor im Halbfinale ein großartiges Spiel gegen Bamberg gemacht. So einen Wettbewerb gewinnt aber selten die beste Mannschaft – sondern das Team, das an diesen zwei Tagen die beste Tagesform und auch ein Quäntchen Glück hat. Und Alba Berlin ist traditionell ein Verein, der weiß, wie man den Pokal spielt.
Ihr Team geht mit 13 Siegen in Serie in das Top Four an diesem Wochenende. Kommen das Turnier und das Halbfinale gegen Alba im perfekten Moment?
Wir werden am Samstag sehen, wie die Tagesform ist. Bei uns ist eine positive Entwicklung im Gange, ich bin zufrieden. Durch eine Verletzung oder eine Krankheit kann man das Momentum aber auch schnell verlieren, das sieht man ja gerade bei Alba.
Wer beim FC Bayern arbeitet, wird immer an Titeln gemessen. Bislang konnten Sie nur die Meisterschaft 2014 nach München holen. Wie groß ist der Druck in dieser Saison?
Wir waren in den vergangenen drei Jahren jeweils in einem Endspiel. Auch aufgrund dieser Entwicklung wollen wir unbedingt Titel gewinnen. Aber welcher das sein wird und wann er kommt, ist schwer vorauszusehen oder zu planen.
Im Sommer läuft Ihr Vertrag aus – machen Sie sich in dieser Hinsicht Sorgen?
Neulich hat mich erst jemand darauf angesprochen. Ich habe gesagt: „Verdammt, du hast Recht.“ Vorher hatte ich daran überhaupt nicht gedacht – und das tue ich auch jetzt nicht. Ich habe keine Existenzängste, die Zeit als Spieler mit den Erfolgen damals gibt mir da wohl eine gewisse Gelassenheit. Mein Titelhunger ist jedoch immer noch derselbe wie früher. Und wir haben mittlerweile rund 30 Mitarbeiter – gerade für sie wünsche ich mir Titel als Bestätigung ihrer Arbeit.
Beide Dinge – Vereinsgedanke und Leistungswillen – werden beim FC Bayern von Uli Hoeneß personifiziert. Was hat sich verändert, seitdem er aus der Haft entlassen wurde und wieder im Verein aktiv ist?
Von außen sieht es vielleicht so aus, dass für Herrn Hoeneß nur Siege und Erfolge zählen. Wenn ich aber mit ihm spreche, geht es ihm vielmehr um eine Entwicklung. Wir telefonieren fast täglich.
Worüber sprechen Sie?
Nicht nur über den sportlichen Bereich. Er fragt: „Wie siehst du das? Was müssen wir tun, um dieses oder jenes zu entwickeln?“ Als er weg war, hatten wir zwei schwierige Jahre.
Was hat gefehlt?
Eine gewisse Unterstützung. Wenn Herr Hoeneß jetzt mal nicht zu einem Spiel kommen kann, ruft er mich vorher an und sagt: „Es tut mir leid, ich kann nicht kommen. Aber wo kann ich helfen?“ Das hat gefehlt.
Wird Uli Hoeneß am Samstag zum Fußballspiel Hertha gegen Bayern oder zum Basketballspiel Alba gegen Bayern gehen?
Er wird zum Fußball gehen und dann so schnell wie möglich zum Basketball kommen. Ich habe ihm gesagt, am schnellsten geht es mit der S-Bahn.
Hoeneß hat auch neuen Schwung in die Diskussion um eine neue Halle in München gebracht. Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz will für sein Eishockeyteam eine Arena für 10 000 Zuschauer errichten, Ihr Team soll als Mieter darin spielen.
Eine neue Halle ist langfristig unausweichlich. Ich habe auch selbst als Spieler in Berlin miterlebt, was für einen Sprung ein Umzug für einen Verein bedeuten kann. Wir werden aber nicht in die Halle ziehen, nur um den Wünschen von Red Bull oder der Stadt zu entsprechen. Wir haben schon eigene Vorstellungen und einen Businessplan, vor allem muss es auch für unsere Fans und Sponsoren passen.
Haben Sie eine Halle, die Ihnen als Vorbild vorschwebt?
Die Max-Schmeling-Halle ist die perfekte Basketballhalle.
Aber man kann nicht Eishockey darin spielen …
… okay, aber das Setting, die steilen Tribünen, wie die Leute Basketball schauen können – das müssen wir in München hinbekommen. Und das wird Herr Hoeneß sicher mit Herrn Mateschitz besprechen.
In den vergangenen Jahren gab es eine große Rivalität zwischen Alba und Bayern, in dieser Saison haben Sie die Berliner zweimal klar besiegt, mit 39 und 24 Punkten. Ist Alba noch ein besonderer Gegner für den FC Bayern?
Wir ziehen schon Motivation daraus, Alba Berlin schlagen zu wollen. Wir haben so viele Schlachten in den vergangenen Jahren miteinander geschlagen, das verbindet uns im positiven Sinne, jedes Spiel gegen Alba ist ein besonderes. In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat sich Alba sehr verändert, doch der Klub und sein Umfeld werden nie den Stolz verlieren, einer der größten Vereine in Deutschland zu sein. Die alte Strahlkraft ist noch da: Alba muss immer gewinnen. Das ist die Situation, in der sich Alba stets befindet.
Meinen Sie, dem Klub wäre damit geholfen, seine Ansprüche zurückzuschrauben?
Ich glaube, Alba versucht schon seit ein paar Jahren, diesen Status loszuwerden, indem sie vor der Saison kleinere Ziele ausrufen. Nach meinem Verständnis von Alba passt das eigentlich nicht zu dem Verein, wie ich ihn gelebt habe. Denn Alba steht für einen großen und erfolgreichen Verein.
Vor ein paar Jahren hat Alba verkündet, angesichts der finanziellen Überlegenheit von Bamberg und Bayern im Wettbieten um Profis nicht mitzumachen und auf junge, unfertige Spieler zu setzen. Wie erfolgreich sehen Sie Alba auf diesem Weg?
Ich bin natürlich nicht auf dem Laufenden, was bei Alba intern passiert und unter welchen Bedingungen die Verantwortlichen täglich arbeiten. Ich bin aufgrund meiner Vergangenheit mit dem Klub auch vorbelastet. Ich kann nur sagen: Der Basketballverein Alba sollte die Hingabe, immer Erster sein zu wollen, niemals verlieren, auch nach außen hin nicht. Denn das hat den Klub immer ausgezeichnet. Für mich klingt es seltsam, wenn jemand sagt: Alba ist eine der besten sechs Mannschaften. Das finde ich persönlich als jemand, der lange bei Alba war – und ganz abgesehen von meiner Position beim FC Bayern – nicht angemessen für diesen Verein. Jeder kann erzählen, Bayern habe mehr Geld. Alba hat dafür mehr Struktur, Alba hat viel mehr Erfahrung, viele Zuschauer, Alba ist Alba!
Ihre Familie ist eng mit Berlin und Alba verbunden – aber auch mit München und dem FC Bayern. Im Sommer ist Ihr Vater Svetislav Pesic als Bayern-Trainer zurückgetreten, um sich einer Knie-Operation zu unterziehen. Wie geht es ihm?
Er hat im Winter auch noch eine künstliche Hüfte bekommen, aber jetzt geht es ihm schon wieder ziemlich gut. Er ist frisch. Er guckt im Fernsehen nicht nur, was Bayern macht. Sondern alle Spiele, die er gucken kann.
Sprechen Sie über den FC Bayern, wenn Sie sich zum Familienkaffee treffen?
Wir treffen uns meistens bei den Basketballspielen von meinem Sohn Luka, der spielt in der U 12. Mein Vater sagt, dass man ab jetzt mit Luka rechnen kann, weil er selbst ihn ab sofort trainiert.
Einzeltraining bei Svetislav Pesic? Können Sie das aus eigener Erfahrung empfehlen?
Das kann ich. Ich kann mit meiner Karriere total zufrieden sein. Aber wenn ich meinem Vater besser zugehört hätte, wäre ich ein noch besserer Spieler geworden. Wahrscheinlich ist das Verhältnis Enkelkind-Großvater aber auch einfacher als das zwischen Vater und Sohn.