Vereintes koreanisches Frauen-Eishockeyteam: Abschiedstränen unter Feinden
Die Geschichte des vereinten koreanischen Eishockeyteams ist die schönste der Olympischen Winterspiele von Pyeongchang.
Es waren herzzerreißende Szenen, die sich am Montagmorgen vor dem Willkommenszentrum des Olympischen Dorfs in Gangneung, Südkorea, abspielten. Nur 20 Meter trennten die zwölf Eishockeyspielerinnen aus Nordkorea von jenem Bus, der sie über die vielleicht bestbewachte Grenze der Welt zurück nach Norden bringen sollte. Doch sie benötigten volle zehn Minuten, um ihn zu erreichen, berichtet die südkoreanische Zeitung „Hankyoreh“.
Die südkoreanischen Spielerinnen, mit denen sie bei den Olympischen Spielen ein gemeinsames Team gebildet hatten, waren gekommen, um ihre Teamkolleginnen aus dem Norden zu verabschieden. Plötzlich umarmten sich Spielerinnen aus zwei Ländern, die sich offiziell immer noch im Kriegszustand befinden. Viele weinten auch Abschiedstränen. Als die Nordkoreanerinnen endlich ihren Bus erreicht hatten, öffneten sie die Fenster, um ihren Teamkolleginnen noch ein letztes Mal die Hände reichen zu können.
Die Südkoreanerin Choi Ji Yoen hatte jeder Nordkoreanerin einen handschriftlichen Abschiedsbrief mitgegeben und gemeinsame Fotos von ihrem Handy als Souvenir ausgedruckt. „Ich habe ihnen gesagt, dass ich sie vermissen werde, weil wir uns in den letzten Wochen sehr nahe gekommen sind“, sagte Choi der südkoreanischen Nachrichtenagentur Yonhap. „Ich hoffe, dass ich sie wiedersehen kann, aber ich weiß, dass es sehr schwer werden wird.“
Die Geschichte der ersten vereinten koreanischen Olympiamannschaft ist die vielleicht schönste der am Sonntag zu Ende gegangenen Olympischen Winterspiele von Pyeongchang. Denn die Entscheidung der Politik im Januar, ein vereintes Team an den Start zu schicken, hatte im südkoreanischen Team großen Ärger verursacht. Es ergab sportlich überhaupt keinen Sinn, so kurz vor dem Turnier zwölf neue Spielerinnen zu integrieren, die international eine Liga unter den Südkoreanerinnen spielen. Und weil mindestens drei Nordkoreanerinnen zum Einsatz kommen mussten, bedeutete dies auch, dass jeweils mindestens drei Südkoreanerinnen zusehen mussten. Drei Spielerinnen, die sich seit vier Jahren auf die Spiele vorbereitet und die als Amateure sehr viel dafür aufgegeben hatten. „Ihnen zu erklären, dass sie nicht spielen dürfen, war die größte Herausforderung“, sagte Trainerin Sarah Murray.
Es dauerte nicht lange, bis das Team zusammenwuchs
Die Kanadierin erklärte den Spielerinnen, dass sie Teil von etwas Größerem seien. „Es gab anfangs einige interne Widerstände“, berichtete Murray, „aber das änderte sich, als wir diese netten und fröhlichen nordkoreanischen Spieler kennengelernt haben.“ Es habe nicht lange gedauert, und das Team sei zusammen gewachsen. Nicht nur in der Umkleide gab es keine Trennung mehr. Die Spielerinnen saßen beim Essen zusammen, feierten gemeinsam Geburtstag und tanzten sogar in der Umkleidekabine zu südkoreanischem K-Pop. „Sie sind alle Koreanerinnen, in ihnen fließt dasselbe Blut“, sagte Murray. Allerdings trennte die beiden Teams noch eine große Sprachbarriere.
In der Eishockey-Fachsprache unterscheiden sich beiden Länder fundamental. Während die Südkoreanerinnen sehr viele Begriffe als Lehnwörter aus dem Englischen entnommen haben, ist im international isolierten Nordkorea eine völlig eigene Fachsprache entstanden. Im Süden sagen die Spielerinnen zu einem Schuss „syut“, der Norden sagt „chyeoneoki“. Die Trainer mussten den Spielerinnen eine drei Seiten lang Liste mit rund 70 Begriffen geben, damit sie sich auf dem Eis verstehen. Es reichte trotzdem im Turnier nur zu fünf Niederlagen, einem Torverhältnis von 2:28 und dem letzten Platz. Der Puck aber, mit dem das vereinte koreanische Team gegen Japan seinen ersten Treffer erzielte, wird in der Ruhmeshalle des Internationalen Eishockey-Verbandes (IHF) einen Ehrenplatz erhalten.
Süd- und Nordkorea haben mit dieser ersten gemeinsamen Mannschaft olympische Geschichte geschrieben. Wahrscheinlich auch eine einmalige. Bei den Paralympics in Pyeongchang vom 9. bis 18. März wird Nordkorea zwar auch teilnehmen. Mit welchen Athleten ist allerdings noch unklar. Und für die Spiele 2022 in Peking erscheint eine sportliche Qualifikation des Eishockey-Frauenteams unwahrscheinlich. Und so bleibt auch Sarah Murray vor allem der wehmütige Blick zurück. „Ich hätte mir nicht vorstellen können, dass es so gut funktionieren würde“, sagte die Kanadierin. Als sie sie den nordkoreanischen Trainer Pak Chol Ho zu Abschied umarmte, musste auch sie weinen.