Nations League: 2:2 - Deutschland verschenkt Sieg gegen die Niederlande
Im letzten Gruppenspiel der Nations League führt Deutschland lange mit 2:0 gegen die Niederlande - am Ende bleibt das Team von Jogi Löw erneut ohne Sieg.
Streckenweise klang es wie bei einer Abiturklausur in Mathematik. Mehr als ein leises Wispern war von den Rängen nicht zu vernehmen. Und so viele leere blaue Sitze sind in der Arena auf Schalke sonst nur zu sehen, wenn der heimische S04 kurz vor Schluss mit zwei oder mehr Toren zurückliegt. Ein bisschen reserviert ist das Publikum also immer noch, wenn die deutsche Fußball-Nationalmannschaft spielt. Aber nach einem verkorksten Jahr mit dem Vorrundenaus bei der WM und dem Abstieg in der Nations League arbeitet sie mit Eifer daran, verlorene Sympathien zurückzugewinnen – das aber gelang ihr am Montagabend nur bedingt.
Im letzten Spiel des Jahres führte die Mannschaft von Bundestrainer Joachim Löw vor 42 186 Zuschauern mit 2:0 – am Ende stand ein 2:2 (2:0)-Unentschieden, das sich für die Deutschen wie eine Niederlage anfühlte. Es passte zumindest zu diesem Jahr 2018 mit all seinen Enttäuschungen. Die holländischen Fans hingegen feierten das Remis wie einen Sieg. Das 2:2 von Verteidiger Virgil van Dijk mit Abschluss der regulären Spielzeit sichert den Holländern Platz eins in der Gruppe und damit die Teilnahme an der Endrunde der Nations League im kommenden Juni. Den Deutschen hingegen drohen nach dem Abstieg aus der ersten Division nun auch schwere Gegner in der EM-Qualifikation. Verliert Polen an diesem Dienstag nicht, landet das DFB-Team in Lostopf zwei.
Löw hatte seine Mannschaft nach dem 3:0 gegen Russland am vergangenen Donnerstag auf drei Positionen verändert. Für Matthias Ginter, Jonas Hector und Kai Havertz rückten Mats Hummels, Nico Schulz und Toni Kroos in die Mannschaft – ein bisschen mehr Erfahrung also anstelle jugendlichen Elans. Aber das machte sich nicht nachteilig bemerkbar. Im Gegenteil. Wie schon bei der knappen Niederlage gegen Weltmeister Frankreich vor einem Monat hat Kroos sichtlich Spaß an seinen jungen, dynamischen Mitspielern. Die Deutschen waren gegen die zuletzt starken Holländer von Beginn an die eindeutig bessere und auch überlegene Mannschaft. Schon nach 26 Sekunden gab Thilo Kehrer, der vor der Dreierkette die rechte Außenbahn beackerte, den ersten Torschuss ab.
Die Nationalmannschaft hat die Lust am schnellen und direkten Spiel wieder entdeckt: So wie nach knapp zehn Minuten, als Serge Gnabry einen Pass von Toni Kroos gleich auf Timo Werner weiterleitete, der ebenfalls nicht lange wartete, aus gut 20 Metern abzog und den Ball hart neben dem Pfosten zur 1:0-Führung ins Tor setzte. Der Leipziger hätte nur zwei Minuten später fast das 2:0 erzielt, als es wieder einmal schnell ging, Nico Schulz von links in die Mitte passte, Werner den Ball aber nicht richtig traf.
Die Holländer spielten lange so, als hätten sie kein gesteigertes Interesse, die Endrunde der Nations League zu erreichen. Nach vorne wurden die sie kaum gefährlich. Den einzigen Torschuss für die Gäste vor der Pause gab Deutschlands Innenverteidiger Niklas Süle ab, der den Ball per Kopf in Richtung des eigenen Tores lenkte. In der Defensive wiederum stellten sich die Gäste bisweilen seltsam naiv an – nicht nur, als Schulz einfach mal über seine linke Seite nahezu ungehindert bis in den Strafraum durchstarten konnte, sondern auch vor dem 2:0 der Deutschen. Kroos konnte den Ball im Mittelkreis unbehelligt nach vorne spielen, Matthijs de Ligt verschätzte sich, so dass Leroy Sané mit einem abgefälschten Schuss von der Strafraumgrenze die Führung ausbauen konnte.
Die Holländer, die zuletzt viel Lob abbekommen hatten, brauchten lange Zeit. Freuen durfte sich Javairo Dilrosun. Der Offensivspieler von Hertha BSC wurde kurz vor der Pause für den angeschlagenen Ryan Babel eingewechselt. Es ist eine skurrile Geschichte. In dem Stadion, in dem er vor gerade mal etwas mehr als zwei Monaten sein Debüt als Profifußballer gefeiert hat, lief er nun auch erstmals für die holländische Nationalmannschaft auf. Doch während der 20-Jährige mit Hertha 2:0 auf Schalke gewonnen und ein Tor vorbereitet hatte, endete sein Länderspieldebüt denkbar bitter. Nach gerade mal 20 Minuten musste Dilrosun wieder vom Platz, weil er sich verletzt hatte.
Das Team von Joachim Löw überließ den Gästen in der zweiten Hälfte die Initiative, geriet aber selten in Gefahr – ehe Quincy Promes fünf Minuten vor Schluss nach einem Ballverlust des eingewechselten Leon Goretzka der Anschlusstreffer gelang und die Chance auf den Gruppensieg wieder auflebte. Lange sah es so aus, als bildete die Einwechslung von Thomas Müller, der in Gelsenkirchen sein 100. Länderspiel bestritt, den Höhepunkt der zweiten Hälfte. Am Ende kam es dann doch ein bisschen anders.