Wie geht es 2020 weiter?: 1. FC Union schließt Verstärkungen nicht aus
„Ein Fehler zu viel“ kostet dem 1. FC Union eine sehr gute Ausgangsposition. Mit welchem Personal die Berliner in die Rückrunde gehen, ist unklar.
Erik Thommy stand da wie ein Weihnachtsmann. Nur ein weißer Rauschebart fehlte dem Düsseldorfer Siegtorschützen und vielleicht ein paar Zentimeter Körpergröße. Trotzdem scherten sich im Innenraum des Stadions die Journalisten wie eine Schar kleiner Kinder um ihn, statt Geschenken hofften sie auf schmissige Antworten – besonders auf die Frage, was er kurz vor seinem Traumtor aus 30 Metern gedacht habe.
Thommy hätte so darauf antworten können wie einst WM-Siegtorschütze Helmut Rahn: „Ich die Kirsche auf'n linken Schlappen, dann zieh ich ab. Und was dann passiert is, wisst ihr ja.“ Aber Thommy ist Rechtsfuß und die Zeiten sind andere. „Ich hatte schon ein paar Sekunden vorher den Ball und hab links zwei Spieler durchstarten sehen, hab überlegt, den Ball nochmal rauszulegen, aber irgendwie hat sich's dann nicht so angeboten, ich hab die Option nicht als gut empfunden“, erzählte er über jene 90. Minute im Bundesliga-Spiel gegen den 1. FC Union.
1. FC Union spielt nur eine gute Hälfte
In modernem Fußballdeutsch, leicht unterlegt mit bayerisch-schwäbischem Akzent, fuhr Thommy fort: „Deswegen hab ich nochmal abgekappt, bin in die Mitte gezogen und hatte den Ball auf meinem starken rechten Fuß. Von dem her war ich einfach nur entschlossen und wollt' das Ding aufs Tor bringen mit 'ner gewissen Schärfe. Dass er so gut einschlägt, klar, da gehört vielleicht ein bisschen Spielglück dazu.“ Und was dann passiert ist, das wissen sie vor allem beim 1. FC Union. Statt ein 1:1 und damit einen Punkt mit in die Weihnachtsfeiertage zu nehmen, verloren die Berliner durch Thommys exakte Berechnungen eben 1:2.
„Das war schlussendlich ein Fehler zu viel und dann verlierst du ein Spiel, das du nicht unbedingt verlieren hättest müssen“, sagte Trainer Urs Fischer, dessen Froher-Weihnachts-Wunsch wenig froh klang. Zu pomadig waren seine Spieler in der ersten Halbzeit über den Platz getrabt, ziemlich passiv hatten sie gewirkt. „Das ist ein Punkt, an dem wir arbeiten müssen: Wir kriegen nicht immer zwei stabile Halbzeiten aufs Feld“, analysierte Unions Manager Oliver Ruhnert. Gegen Hoffenheim habe Union die zweite Hälfte nicht angenommen, gegen Düsseldorf fehlte im ersten Durchgang der Fokus.
„Wir können froh sein, dass es nur 1:0 steht“, sagte Mittelfeldspieler Robert Andrich, „wir waren irgendwie gar nicht da, die Räume waren viel zu groß.“ Die zweiten 45 Minuten, in denen Union mehr Tempo und Torchancen hatte, gefielen Andrich wesentlich besser, ausgenommen der Schluss. „Am Ende kriegst du dann so ein Ding“, sagte er frustriert. „Dass der Thommy so schießen kann, weiß man ja, aber das ist natürlich trotzdem sehr, sehr ärgerlich.“
Durch den späten Gegentreffer hat Fischers Mannschaft eine sehr gute Ausgangsposition für die Rückrunde verspielt. Statt mit sieben Punkten Vorsprung auf die Abstiegsplätze in die Rückrunde zu starten, werden es nur deren fünf sein. Und von Konkurrenten wie Bremen, Köln, Frankfurt oder Hertha BSC, die momentan noch hinter Union stehen, ist zu erwarten, dass sie vor der Rückrunde noch ein paar stille Reserven aktivieren. Entsprechend differenziert fielen die Statements im Berliner Lager aus.
„Ich hätte sicherlich ein noch positiveres Fazit ziehen können, wenn dieser Punkt gelungen wäre“, sagte Ruhnert. Sehr ärgerlich sei es gewesen, diesen so spät zu verlieren. „Da müssen wir natürlich aufpassen, weil solche Sachen immer wehtun.“ In der Rückrunde werde man deshalb nochmal richtig arbeiten müssen.
Weil Ruhnert aber auch den Blick fürs große Ganze über die weißen Düsseldorfer Betonwände schweifen ließ, fand er durchaus noch ein paar positive Aspekte. Welche Teams Union hinter sich gelassen habe, sei beispielsweise „phänomenal“, fand Ruhnert. Etwa den Stadtrivalen Hertha BSC, den der Köpenicker Macher aber ausdrücklich nicht erwähnte. Die Punkteausbeute stimme sowieso, „20 Punkte hätten wir blind unterschrieben“, sagte Ruhnert.
Die Spieler sahen es ähnlich. „Du hast ein super Gefühl, aber aus dieser englischen Woche machen wie einfach zu wenig“, sagte Torhüter Rafal Gikiewicz. Einen Punkt haben die Berliner aus den letzten drei Spielen nur gesammelt. „Ich weiß, wie schwer eine Rückrunde ist, ich war zwei Jahre in Freiburg. In der Rückrunde steigt von Spiel zu Spiel der Druck“, fügte Gikiewicz an und warnte vor dem Auftaktprogramm, das unter anderem Auswärtsspiele beim Tabellenersten Leipzig und beim Vierten Dortmund bereithält. Mitte Januar bis Mitte Februar werde eine schwere Zeit, prophezeite Gikiewicz noch, „wir müssen dann Punkte holen.“
Ob der 1. FC Union personell nachlegt, ist offen
Ob die Berliner auch noch den einen oder anderen Spieler für die zweite Saisonhälfte holen, ließ Manager Ruhnert offen. „Wir haben im Verein klar gesagt, dass wir alles versuchen werden, was in der Macht des Vereins steht, um die Liga zu halten.“ Jeder wisse um die langen Ausfälle von Akaki Gogia oder Grischa Prömel. Während Gogia an seinem Kreuzbandriss noch länger laborieren dürfte, hofft Ruhnert bei Prömel auf eine möglichst zeitnahe Rückkehr. Zumindest soll er im Januar mit der Reha auf dem Feld starten. „Wenn Grischa fit ist, brauchen wir auf dieser Position keinen anderen Spieler“, sagte der Manager in Düsseldorf.
Auch Keven Schlotterbeck, der so spielstarke Innenverteidiger, stand den Berlinern in der Schlussphase dieser Vorrunde verletzungsbedingt nicht mehr zur Verfügung. Entsprechend hält sich Ruhnert viele Optionen offen, nannte aber keine Namen. Auch zur Personalie Steven Skrzybski äußerte er sich zurückhaltend. Schalkes Stürmer, der eine lange Union-Vergangenheit hat, bekommt beim Revierklub kaum Einsatzmöglichkeiten und wird deshalb mit den Berlinern in Verbindung gebracht.
Viele Interessenten gab es für Nicolai Rapp. Wie Union am Montag mitteilte, wird der Defensivallrounder für die Rückrunde an Darmstadt 98 verliehen. Auch andere Spieler, die bislang wenig oder gar keine Einsatzzeit bekamen, könnten noch abgegeben werden. Wie der Aufsteiger ins neue Jahr geht, wird deshalb spannend. Daran trägt auch der wort- und schussgewaltige Erik Thommy seinen Anteil.