Zweite Liga: 1. FC Union: "Der Druck wird größer"
Wenn es darauf ankommt, kann der 1. FC Union seine Leistung nicht abrufen. Deshalb liegt der Berliner Zweitligist schon jetzt hinter den eigenen Erwartungen zurück.
Jens Keller bezeichnet sich regelmäßig als optimistischen Menschen. Noch am Montag hatte Unions Trainer gesagt, dass er trotz der jüngsten Ergebnisse keinen Grund sehe, pessimistisch zu sein. Nach der schwachen Leistung bei der 0:1-Niederlage in Sandhausen am Dienstag finden sich aber kaum unmittelbare Gründe für Zuversicht beim 1. FC Union. Der Berliner Zweitligist ist mittlerweile seit fünf Spielen sieglos – und das drückt die Stimmung. Schon in der zweiten Halbzeit in Sandhausen machte sich der Frust bei den Spielern deutlich bemerkbar. Es wurde gemeckert, gehadert, und Sebastian Polter grätschte seinen Gegenspieler in der Nachspielzeit böse um.
So hatten sich die ambitionierten Köpenicker das erste Fünftel der Saison nicht vorgestellt – erst recht nach den zwei Siegen zum Auftakt gegen Ingolstadt und Kiel. „Wir sind gut gestartet, haben dann aber den Faden verloren“, sagt Mittelfeldspieler Stephan Fürstner. „Jetzt sind wir in einer Negativspirale.“ Nach der starken vergangenen Spielzeit, in der Union dem Aufstieg in die Bundesliga so nah war wie nie zuvor, sahen sich Klubverantwortliche und Fans schon deutlich weiter. Mit Roberto Puncec verließ nur ein Stammspieler den Verein, dafür wurde mit Marc Torrejon aber erfahrener Ersatz verpflichtet. Zudem wurde die Breite des Kaders – vor allem in der Offensive – durch Zugänge wie Marcel Hartel und Akaki Gogia verbessert. Auf dem Papier gehört Union zu den stärksten Mannschaften der Liga.
Anders als im Vorjahr ist auch die Zielsetzung deutlich offensiver: Die Berliner wollen aufsteigen. Genau diese gestiegene Erwartungshaltung scheint jedoch zum Problem zu werden für den 1. FC Union. Wie schon in der vergangenen Rückrunde, als das Team Anfang April noch Tabellenführer war, dann aber fünf von neun Spielen verlor, wackelt Union. „Wir haben die Qualität, müssen sie aber auch auf die Wiese bringen“, sagt Fürstner. Die Berliner scheinen den Druck des Favoriten nicht zu vertragen und durch die aktuelle Negativserie fehlen auch Selbstvertrauen sowie Leichtigkeit. „Ich habe schon viel schlimmeren Druck erlebt“, sagt Akaki Gogia. „Wenn wir oben mitspielen wollen, müssen wir aber eine Schippe drauflegen.“
Überzeugten die Berliner in den vorherigen Saisonspielen aber zumindest streckenweise, war die Vorstellung in Sandhausen ein klarer Rückschritt. „Der Frust ist groß“, sagt Gogia. Das Team stehe sich momentan oft selbst im Weg. In 90 Minuten erspielte sich Union keine einzige klare Torchance. Die Mannschaft hatte zwar mehr Ballbesitz, wusste damit aber nichts anzufangen. Dem Spiel fehlten Ideen, Geschwindigkeit und Tiefe. Die Angriffsbemühungen beschränkten sich auf fehlerhafte Kurzpässe und in der Schlussphase auf lange Bälle in den Strafraum, die für die großen Sandhäuser Verteidiger keine Probleme darstellten. „Wir haben den Druck aufs Tor nicht erhöhen können und das ist enttäuschend“, sagt Keller.
Aufgrund der englischen Woche und der Blessuren von Toni Leistner und Felix Kroos rotierte Keller, der seine Formation normalerweise kaum verändert, auf fünf Positionen. Diese für Keller ungewöhnliche Maßnahme zahlte sich nicht aus und wird wohl eine Ausnahme bleiben. Viele Argumente für weitere Einsätze von Beginn an haben die hineinrotierten Spieler jedenfalls nicht geliefert.
In der Tabelle ist Union mittlerweile ins Mittelfeld zurückgefallen, der Rückstand auf die Aufstiegsplätze angewachsen. Spieler und Trainer sind sehr bedacht darauf, die Situation nicht zu dramatisieren. Die Mannschaft habe die Qualität und werde aus dieser schweren Situation auch wieder herauskommen, lautet der einhellige Tenor. Das Wort „Krise“ fällt noch nicht, zumindest ergebnistechnisch fehlt dazu aber nicht viel. Toni Leistner betonte noch nach dem Unentschieden gegen Braunschweig, dass in der Zweiten Liga jeder jeden schlagen könne und man mit zwei Siegen wieder oben daran ist. Das stimmt zwar, langsam muss Union dafür aber wieder anfangen zu gewinnen. „Wir müssen die Situation so erkennen, wie sie ist“, sagt Fürstner. „Es ist noch genug Zeit, aber der Druck wird größer.“