Potsdam und die Europaspiele 2015: Zwischenstation, Meisterschaft, Show-Einlage
In Aserbaidschans Hauptstadt Baku finden in diesem Jahr die ersten Europaspiele statt. Das kontinentale Mini-Olympia hat für Potsdams Athleten einen ganz unterschiedlichen Stellenwert.
Die Trikots eines Fußballvereins sind eine lukrative Werbefläche. Erst recht, wenn es sich dabei um die Shirts des amtierenden Spanischen Meisters handelt. Seit einigen Wochen tragen die Spieler von Atlético Madrid nun schon einen außergewöhnlichen Schriftzug auf der Brust. Denn der Champions-League-Finalist des vergangenen Jahres macht nicht etwa Reklame für ein Energieunternehmen, einen Autohersteller oder irgendeine klebrig-süße Brause. Nein, die Madrilenen werben für eine Sportveranstaltung. „Baku 2015“ steht auf den traditionell mit rot-weißen Längsstreifen designten Trikots der Rojoblancos, die seit 2013 eine Sponsorenpartnerschaft mit dem Land Aserbaidschan führen. Und genau dort – in der Hauptstadt Baku – finden im Juni die ersten Europaspiele statt. Olympia für den europäischen Kontinent.
Mehr als 6000 Athleten, auch einige aus Potsdam, sollen teilnehmen und in 20 Sportarten um Medaillen kämpfen. Die Republik auf der Schwelle zwischen Europa und Asien rührt daher nun kräftig die Werbetrommel. Die Macher kämpfen um Aufmerksamkeit, wollen das Image des Landes aufpolieren. Denn Aserbaidschan steht wie viele andere Gastgeber von Sportgroßereignissen – Stichworte: Olympia in Sotschi und Fußball-Weltmeisterschaft in Katar – am Pranger. Laut der Organisation Human Rights Watch werden Menschenrechte verletzt, die Presse- und Meinungsfreiheit eingeschränkt.
Ringen um Akzeptanz für Ausrichter und Event
Aber nicht nur der Ausrichter ringt um Akzeptanz. Auch die Veranstaltung an sich, die als Mini-Olympia in Anlehnung an die Asien-, Afrika- und Pan-Amerikaspiele aus der Taufe gehoben wurde, wird durchaus kritisch betrachtet und auf ihre Sinnhaftigkeit hinterfragt. Innerhalb der Potsdamer Spitzensportszene lässt sich die unterschiedliche Einordnung des Wettkampfs nachvollziehen.
Leichtathleten vom Luftschiffhafen werden am Kaspischen Meer nicht zu sehen sein, ebenso wie die großen Stars dieser Sportart. Weil in Vorbereitung auf die diesjährige Weltmeisterschaft in Peking die Europaspiele nicht in den Leistungsaufbau passen, wird in Baku die Leichtathletik als Team-EM durchgeführt – mit den Nationen der 3. Liga innerhalb dieses Ländervergleichs.
Europaspiele statt eigene Europameisterschaften
„Für uns passt der Wettkampf ganz gut in den Jahresplan“, sagt hingegen Ralph Welke. Der Chef-Trainer des KC Potsdam erklärt aber auch im selben Atemzug, dass die European Games nicht den höchsten Stellenwert für die Kanuten genießen. „Das ist eher ein Beiwerk in der Saison, eine Zwischenstation.“ Höhepunkt wird die Weltmeisterschaft Mitte August in Mailand, wo die deutschen Boote wichtige Quotenplätze für Olympia 2016 ergattern sollen. Durch die Austragung der Europaspiele wird der diesjährige Kanu-Wettkampfkalender entsprechend aufgebläht. Dreimal wird um internationales Edelmetall gepaddelt: bei der Europameisterschaft Anfang Mai in Racice, bei den Europaspielen sowie bei der WM. „Nach Racice und Baku wird aber nur eine kleine deutsche Truppe reisen“, erzählt Canadier-Bundestrainer Welke. Vorrangig sollen die Boote im Einer und Zweier besetzt werden. Aus der brandenburgischen Landeshauptstadt sind vor allem Sebastian Brendel, Franziska Weber, Ronald Rauhe, Conny Waßmuth und Ronald Verch Anwärter auf einen Startplatz.
Ob Potsdamer Judoka in Baku auf die Matte treten werden, ist indes äußerst fraglich. Weil sich der britische und europäische Judo-Verband einen Disput um einen Sponsor für die Europameisterschaft in Glasgow geliefert hatten, wurden die für April geplanten kontinentalen Titelkämpfe kurzerhand gestrichen. Stattdessen werden nun die Europaspiele als offizielle EM ausgetragen. „Allerdings werden die Nominierungskriterien dafür wohl höher angesetzt“, erklärt Mario Schendel, Coach beim UJKC Potsdam. UJKC-Top-Athleten wie Martin Setz werden bei der Auslese „wahrscheinlich durch das Raster fallen“, vermutet Schendel. Wichtige Ranglistenpunkte für die Olympia-Qualifikation werden sie bei anderen Events sammeln müssen.
Schwimmer schicken nur ihre besten Junioren nach Baku
Auch im Schwimmen werden die Europaspiele in eine EM umgewandelt – allerdings nicht für die Elite-Sportler wie Christian Diener und Yannick Lebherz. Die beiden Athleten des Potsdamer SV trainieren für ihren Jahreshöhepunkt: die WM in Kasan. In Baku werden stattdessen Europas beste Juniorenschwimmer ihre jährliche JEM austragen. „Das ist gut so. In dem großen Rahmen steigt sicherlich das Interesse an den Rennen“, meint Thomas Luckau, der gemeinsam mit Norbert Warnatzsch die Schwimmtalente dieser Altersklasse am Luftschiffhafen trainiert. „Wir hoffen, dass sich zwei unserer Sportler qualifizieren.“
Definitiv wird Max Poschart seine Bahnen in Baku ziehen. Der Potsdamer, der in Leipzig trainiert, ist einer von drei deutschen Flossenschwimmern, der für die European Games nominiert wurde. „Wir gehören aber nicht zum offiziellen Wettkampfprogramm, sondern sind als Demonstrationssportart eingeladen. Für uns ist das etwas Besonderes“, freut sich der mehrfache Deutsche Meister und WM-Finalist auf seine Showeinlage im Becken. Ihm gefällt die Idee der Europaspiele – und auch die Sport-Spitzenverbände scheinen von dem Modell überzeugt. Die Premiere ist noch nicht einmal über die Bühne gegangen, da wird schon intensiv ein Ausrichter für die zweite Auflage im Jahr 2019 gesucht.
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