Potsdamer bei Olympia 2016: Zum Greifen nah
23 Sekunden Rückstand auf Bronze: Nach seinem fünften Platz im olympischen 20-Kilometer-Gehen sinniert der Potsdamer Christopher Linke darüber, was passiert wäre, wenn er im entscheidenden Moment nicht zu lange überlegt und die Medaillenchance ergriffen hätte.
Am Tag danach war Ronald Weigel hin- und hergerissen. Am Freitagabend hatte sein Schützling Christopher Linke im olympischen Geher-Wettbewerb über 20 Kilometer in Rio einen starken fünften Platz belegt. „Eine tolle Geschichte“, jubelte Weigel, „eine absolute Vorbildleistung.“ Ein klein wenig ärgerte sich der Potsdamer Bundestrainer aber auch. Denn Linke war nah dran an einer Medaille, hatte einen Kilometer vor Schluss zwei Sekunden Rückstand auf Bronze. „Leider habe ich Christopher immer nur ein paar Sekunden an der Verpflegungsstation gesehen. Wenn ich an der Strecke hätte coachen können ...“, sinniert der 57-Jährige.
Dann hätte er auch nicht mehr dazu beitragen können, dass Linke zu diesem Zeitpunkt endgültig angekommen war in der Weltspitze der Geher. „Das kann ich mir jetzt definitiv auf die Visitenkarte schreiben“, sagte der 27-Jährige vom SC Potsdam am Morgen nach dem Wettkampf den PNN. Bis zwei Kilometer vor dem Ziel hatte er auf dem schwierigen Ein-Kilometer-Rundkurs an der Copacabana das Rennen in der fünfköpfigen Spitzengruppe mitbestimmt. „Ich habe mich sehr lange sehr gut gefühlt“, sagte er. Und dann begann das Nachdenken. „Bei Kilometer 17 habe ich gespürt, dass ich um den Sieg mitgehen kann. Und vielleicht habe ich da zu lange überlegt und gewartet“, lässt Linke diesen Moment Revue passieren. „Ich hätte attackieren müssen.“ Stattdessen taten es die später siegreichen Chinesen Wang Zhen (1:19,14) und Zelin Cai (1:19:26), der Australier Dane Bird-Smith wurde Dritter (1:19:37). Linke ging 1:20:00 Stunden – die zweitschnellste Zeit seiner Karriere.
"Über den vierten Platz hätte ich mehr geärgert"
„Wer weiß, was möglich gewesen wäre, wenn ich die Attacke gesetzt hätte“, grübelte Linke. „Wenn du zwei Kilometer vor dem Ziel plötzlich vorn bist, gehst du wie beflügelt“, weiß er. Doch dann schaut er zurück – auf das schwierige vergangene Jahr mit Verletzungen und einem enttäuschendem 35. Platz bei den Weltmeisterschaften. „Da darf ich über einen fünften Platz bei Olympia nicht unzufrieden sein“, sagt er und scherzt: „Über den vierten Platz hätte ich mich mehr geärgert.“
„Christopher war auf eine Medaille nicht vorbereitet“, sagt Trainer Ronald Weigel, selbst mit olympischen Silber und Bronze dekoriert. Eine Platzierung unter den Top 8 war realistisches Ziel nach einer sehr guten Vorbereitung frei von Verletzungen sowie guten Resultaten bei den vorolympischen Wettkämpfen. Doch die 20 Kilometer von Rio werden Linke Mut geben, hofft Weigel. „Er weiß jetzt, dass er es draufhat.“ Ohnehin ist Weigels Plan für seine Athleten auf die Zukunft ausgerichtet. „Die Grundlagen sind da, die Ausdauer sehr gut, sodass wir noch viel Freude mit den Jungs haben werden“, spricht er auch für Hagen Pohle und Nils Brembach, die bei ihrer olympischen Premiere in Rio 18. und 38. wurden und womit sie Weigel zufolge nicht enttäuscht haben. „Eigentlich kamen die Spiele zu früh“, bemerkt der Trainer. Denn noch hätten seine Athleten – mit 27 Jahren ist Linke der älteste – ihre maximale Leistungsfähigkeit nicht erreicht. „Wir haben gerade mal die Grundlage gelegt für künftige Erfolge“, prophezeit Weigel.
Rio als mutmachender Lernprozess
Einer, der das genauso sieht, weiß wie man Olympiasieger wird: Peter Frenkel, Goldmedaillen-Gewinner von 1972. „Eine großartige und außergewöhnlich starke Leistung“, lobte der Potsdamer Linkes fünften Platz. Er habe ihm sogar im Vorfeld eine Medaille zugetraut. „Rio war ein Lernprozess, der ihm Mut machen wird“, sagt Frenkel, der zudem die Auftritte von Brembach und Pohle würdigt. Ob Letzterer am kommenden Freitag wie geplant auch über die 50 Kilometer an den Start gehen wird, ist jedoch fraglich. Den 24-Jährigen plagen Schienbein-Probleme, mit denen er bereits den 20-Kilometer-Wettkampf bestritt. „Hinter seinem zweiten Start steht ein Fragezeichen“, sagt Weigel. Pohle werde zwei Tage Rad fahren und weiter intensiv behandelt. „Ein paar Tage haben wir noch Zeit, um zu entscheiden, ob wir einen Start wagen“, so Weigel. Sollte er schmerzfrei sein und das Rennen in Angriff nehmen, traut ihm Peter Frenkel „eine starke Leistung“ zu. „Er wird besser sein als über die 20 Kilometer“, sagt der einstige Weltklasse-Geher. Er hatte das Rio-Trio kurz vor der Abreise zu sich nach Hause eingeladen, um ihnen etwas von seiner Erfahrung und seine Wünsche mit auf den Weg zu geben. „Ich wollte ihnen zeigen, dass ich hinter ihnen stehe“, so Frenkel.
Das hätten sich Weigel und die Athleten auch von ARD und ZDF gewünscht. Nicht eine Sekunde des 20-Kilometer-Wettbewerbs wurde gezeigt – weder in den TV-Übertragungen noch in den vielen Livestreams, die beide öffentlich-rechtlichen Sender von den Wettkämpfen in Rio anbieten. Selbst in den Videotext-Meldungen tauchte Linkes Erfolg in einer der olympischen Kernsportarten und traditionsreichsten Leichtathletik-Disziplinen erst Stunden später auf. „Das ist beschämend und ignorant“, kritisierte Weigel und schimpft: „Da werden zig Zeitlupen von Vorkämpfen gezeigt, aber keine Sekunde der ersten Leichtathletik-Entscheidung dieser Spiele.“
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