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Vier Tote in Brandenburg: "Xavier" verwüstet Potsdam

Umgerissene Bäume, kaputte Autos, ratlose Menschen an Bahnhöfen, kein Durchkommen im Straßenverkehr: In Potsdam und im Kreis Potsdam-Mittelmark hat das Sturmtief "Xavier" Chaos hinterlassen. Der Sturm-Tag im Live-Blog.

Gestern sorgte das Sturmtief Xavier in Potsdam für Verwüstung. Vier Menschen in Brandenburg waren ums Leben gekommen. Am Donnerstagnachmittag waren bei der Feuerwehr zahlreiche Notrufe eingegangen, die Feuerwehr sprach von einem Ausnahmezustand. 

Vier Brandenburger ums Leben gekommen - sieben Tote in Deutschland

In anderen Teilen Brandenburgs waren Menschen durch den Sturm ums Leben gekommen. Auf der L 1905 zwischen Lindow und Schönberg (Ostprignitz-Ruppin) starb ein Autofahrer, nachdem ein Ast durch die Windschutzscheibe seines Autos stieß. Bei Schönermark wurde eine Frau in einem Auto von einem Baum erschlagen, wie die Polizei in Potsdam mitteilte. Am Abend informierte Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) über einen Autofahrer, der auf einer Kreisstraße zwischen Merz und Ragow durch einen umstürzenden Baum ums Leben gekommen war.

Neben den drei Menschen in Autos sei ein 72 Jahre alter Mann an der B1 zwischen Müncheberg und Hoppegarten (Märkisch-Oderland) von einem Baum erschlagen worden, als er Äste von der Straße entfernen wollte, wie die Polizei in Potsdam mitteilte.

In Mecklemburg-Vorpommern, Berlin und in Hamburg meldeten Behörden ebenfalls Todesopfer: Deutschlandweit haben durch den Sturm am Donnerstag sieben Menschen ihr Leben verloren. Die Bilanz der Brandenburger Polizei: 500 witterungsbedingte Einsätze, zahlreiche Unfälle, 22 Verletzte und vier Tote. 

Innenminister Schröter: "Ich kann mich nicht an einen so schweren Sturm mit so vielen Todesopfern erinnern"

Brandenburgs Regierungschef Dietmar Woidke (SPD) reagierte mit Bestürzung auf die Schreckensmeldungen. „Meine Gedanken sind bei den Opfern und den Angehörigen. Ich hoffe, es kommt zu keinen weiteren Opfern und großen Schäden“, so Woidke.

Das Innenministerium in Potsdam aktivierte wegen des Unwetters das Koordinierungszentrums Krisenmanagement (KKM). Dieses werde bis auf Weiteres tätig sein, sagte Ministeriumssprecher Ingo Decker.

Auch Karl-Heinz Schröter (SPD) reagierte geschockt auf das Unglück. "Ich kann mich nicht an einen so schweren Sturm mit so vielen Todesopfern erinnern", sagte der Innenminister am Donnerstagabend. "Offenbar habe der Sturm den Höhepunkt in Brandenburg früher als prognostiziert erreicht", so Schröter. Viele hätten offenbar gadacht, sie kommen noch nach Hause.

Feuerwehr twittert über "Potsdam im Ausnahmezustand"

Die Berufsfeuerwehr meldete über Twitter, die Retter seien in Potsdam im Dauereinsatz - durch die Innenstadt habe es zeitweise kein Durchkommen gegeben. Einsatzkräfte rückten am Nachmittag zu einer Straßenbahnstrecke aus, weil eine rund 15 Meter hohe Pappel auf eine Tram gestürzt war - über Twitter sprach die Feuerwehr von "Potsdam im Ausnahmezustand".

Bus- und Zugverkehr eingestellt, Hunderte sitzen an Bahnhöfen fest

Chaos herrschte auch am Potsdamer Hauptbahnhof: Der Bus- und Tramverkehr wurde vom Nachmittag bis zum Abend im gesamten Potsdamer Stadtgebiet und im Landkreis Potsdam-Mittelmark eingestellt - auch der Verkehr der Regional- und S-Bahnen zwischen Potsdam und Berlin wurden gestoppt. Noch am Abend warteten Fahrgäste, die in Potsdam festsaßen, im Hauptbahnhof.

Mindestens fünf Bäume waren sowohl in der Heinrich-Mann-Allee als auch in der Drewitzer Straße in Waldstadt umgekippt und lagen quer auf der Fahrbahn. Darunter eine zwanzig Meter hohe Birke. Auch in anderen Teilen der Stadt entwurzelten die Orkanböen, die laut Deutschem Wetterdienst mit bis zu 115 Stundenkilometern durch Potsdam fegten, etliche Bäume und sorgten für Schäden an Autos, Häusern und Straßen.

Schlossparks und -gärten in Potsdam gesperrt

Dabei hatte die Stiftung am Donnerstagmittag über Twitter noch Entwarnung gegeben: Man habe die Parks geöffnet, "bitte seien Sie aufmerksam", hieß es. 

Am Nachmittag fanden Radfahrer und Fußgänger vor den Gärten dann doch verschlossene Tore mit entsprechenden Hinweisschildern vor. Auch die IGA und die Zoos in Berlin meldeten, keine Besucher mehr durch die Eingänge zu lassen. 

"Diesen Sturm habe ich definitiv unterschätzt"

"Diesen Sturm habe ich definitiv unterschätzt", sagte eine Leserin den PNN. "Auf dem Pfingstberg sind einige Bäume umgestürzt. Vor meine Füße eine große Eiche vor dem Lepsiushaus. Ernsthaft: Allein in der Straße am Neuen Garten habe ich mindestens sechs umgestürzte Bäume gesehen, die zum Teil dramatisch in die Vorgärten gekracht sind."

Bereits am Mittag hatte die Schlösser-Stiftung Parks und Gärten nach der Sturmwarnung für Potsdam abgeriegelt. Am Vormittag hieß es, dass auch die meisten Schlösser nicht für die Öffentlichkeit zugänglich seien. Aufgrund möglicher Schäden und Aufräumarbeiten gebe es zudem voraussichtlich Einschränkungen für die Besucher - auch in den nächsten Tagen.

Potsdamer helfen sich gegenseitig

In sozialen Netzwerken teilten Potsdamer Fotos von beschädigten Dächern, verwüsteten Parkplätzen und Grünanlagen. Auf Facebook bedankte sich eine Nutzerin bei einer Unbekannten, die mit ihrem Auto hielt, als sie die Frau mit ihrer Tochter über die Rehbrücke laufen sah und anbot, sie mitzunehmen. "Ich hätte sonst vom Kirchsteigfeld bis Waldstadt laufen müssen. Hatte auch schon Bekanntschaft mit mehreren Ästen gemacht", schrieb sie. 

Es seien Böen von 110 bis 120 Stundenkilometern gemessen worden, teilte ein Sprecher des Deutschen Wetterdienstes (DWD) in Potsdam am Nachmittag mit. 

Sturm kam früher als prognostiziert

Zugreisende mussten sich auf vielen Strecken in der Bundesrepublik auf Einschränkungen einstellen. Noch bevor das Sturmtief die Region Berlin-Potsdam erreicht hatte, teilte die Bahn über Twitter mit, Reisende sollten sie sich aktuell nach ihren Verbindungen erkundigen. Im vielen Regionen Norddeutschlands wurde der Zugverkehr vollständig eingestellt; zwischen Potsdam und Berlin fuhren Züge ab 16 Uhr zum Teil mit langen Verspätungen. Zur selben Zeit starteten Flugzeuge vom Berliner Flughafen Schönefeld weitgehend planmäßig - während das Flughafenpersonal in Tegel die Vorfeldabfertigung unterbrochen hatte. 

Am Mittag sahen Prognosen das Sturmtief Xavier früher als vermutet in Potsdam: Laut dem Portal "Wetter Online" könnten bereits ab 18 Uhr heftige Sturm- und Orkanböen über die Landeshauptstadt hinweg fegen. Schüler der 5. und 6. Klassen der Rosa-Luxemburg-Schule in der Innenstadt wurden bereits um 14 Uhr nach Hause geschickt. Eltern der Dritt- und Viertklässler wurden aufgefordert, ihre Kinder aus der Schule abzuholen. 

Vorsicht auf dem Bürgersteig: Schutz vor Sturmgefahren

Das Bundesamt für Gafahrenschutz und Risikobewertung hat eine Liste mit Warnhinweisen veröffentlicht, um die Bevölkerung für Unwetter zu wappnen. Bei schwerem Sturm sollten Bürger demnach den Aufenthalt im Freien meiden. Sollte dies nicht möglich sein, sei Vorsicht geboten: „Ein Blick nach oben kann lebenswichtig sein“, heißt es auf der Website des Bundesamtes.

Vor allem, wenn man im Stadtgebiet an Häuserreihen entlanggeht: Starke Sturmböen können Dachziegeln lösen, die dann zu Boden stürzen - auch Balkonpflanzen können von Balkonen in Richtung Bordstein fliegen. Zudem sei Vorsicht an Baugerüsten geboten, die bei stürmischem Wind nicht unterquert werden sollten.  

"Mit dem Gesicht erdwärts"

Einen Bogen sollten Passanten und Radfahrer auch um Freileitungen und Wälder machen: Kabel und Äste können sich lösen, ganze Bäume umstürzen. Schutz bieten in der Regel Gebäude - wenn auch nicht alle, wie das Bundesamt warnt: „Meiden Sie Räume mit großer Deckenspannweite, wie etwa Hallen." 

Und was, wenn ein schwerer Sturm wütet und man nicht rechtzeitig ins Haus kommt? „Suchen sie möglichst eine Mulde oder einen Graben auf, legen Sie sich mit dem Gesicht erdwärts und schützen Sie Kopf und Nacken mit den Händen“, empfiehlt das Bundesamt für Katastrophenschutz.

Offizielle Informationen und Gefahrenhinweise für Unwettersituationen finden Sie hier. (PNN mit dpa)

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