Die große Testfahrt: Wo es bei Potsdams Radwegen Probleme gibt
30 Potsdamer haben sich am Montag auf ihre Räder geschwungen und mit Politikern eine Testfahrt durch Potsdams Straßen unternommen. Ihre Bilanz ist durchwachsen.
Potsdam - „The sound of cycling“, wie es der Titel der „parlamentarischen Radtour“ durch Potsdam versprach, ist am Montagnachmittag wegen der Hitze etwas gedämpft. Der Stimmung allerdings tut das keinen Abbruch. Knapp 30 Teilnehmer schwingen sich vor dem Fortunaportal des Landtages auf die Räder, um sich am europaweiten Tag des Fahrrads vom Zustand des Potsdamer Radwegenetzes zu überzeugen.
Eingeladen hatten der Landesverband Brandenburg des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC), der Landestourismusverband Brandenburg und die TMB Tourismus-Marketing Brandenburg GmbH. Mit am Start sind auch Brandenburgs Ministerin für Infrastruktur und Landesplanung, Kathrin Schneider, Potsdams Baudezernent Bernhard Rubelt und Potsdams Radverkehrsbeauftragter Torsten von Einem.
Einige Problemstellen fielen bei der Testfahrt gar nicht auf
174 Kilometer Radweg führen in und um Potsdam herum – da ist viel Platz für Lob und Tadel. Für ihre Tour unter der Führung des Vereins-Urgesteins Ulf Hildebrand gibt es auf einer Länge von knapp 17 Kilometern geglückte und noch offene Baustellen. Die Gruppe, begleitet von vier Polizeimotorrädern, startet Richtung Filmmuseum, Breite Straße, durchquert den Baustellen-Tunnel vor der Garnisonkirche – und wird von der Polizei über die sich zustauende Breite Straße, Einmündung Zeppelinstraße geleitet.
Deshalb fällt es dabei gar nicht auf, warum die Kreuzung bei Eltern wie Kindern eigentlich gefürchtet ist: Die Radwegeampel, die die Überquerung der Zeppelinstraße Richtung Feuerbachstraße regelt, ist nicht ganz parallel geschaltet mit der Fußgängerampel dahinter. Wollen Rechtsabbieger den grünen Pfeil nutzen, schauen sie auf die Fußgängerampel, die schon Rot zeigt, und geben Gas, doch die Radfahrer haben noch Grün und tun dasselbe. Dieses Mal halten Polizisten den Verkehr auf.
Wie die Stadt den Verkehr in der Zeppelinstraße geregelt hat
Die Radler biegen links ab, fahren die Zeppelinstraße entlang, halten an der Ecke Geschwister-Scholl- und Sellostraße. Dort erläutert Torsten von Einem, wie die Stadt dort den Autoverkehr reduziert hat: Rückbau des Fließverkehrs auf zwei Spuren, Ausbau von Lieferzonen für Lkw, Verlegung und Aufzeichnung von Radwegen auf die Fahrbahn, Schaffung zweier neuer Fußgänger-Überwege, Tempodrosselung, Einfädelspuren, Einrichtung von Bike-and-Ride Zonen für Fahrräder am Bahnhof Charlottenhof.
Von Einem, der seit 2010 im Amt ist, ist sichtlich stolz: Um 2500 bis 4000 Autos am Tag habe man den Verkehr reduziert, Feinstaub- und Stickoxid-Grenzen würden nun eingehalten.
Weiter geht die Fahrt zum – ebenfalls mit EU-Mitteln – prachtvoll ausgebauten Radweg an der Havel bis zum Luftschiffhafen. Ministerin Kathrin Schneider radelt dort manchmal, sagt sie.
Kinder laufen über die Straße
Nicht vollkommen glücklich mit der Neuanlage des Asphaltweges, der so aussieht, als sei er noch der vorherige „wassergebundene“ Sandweg, ist Katrin Schneider, die an der Uni Potsdam arbeitet. „Die Badestelle ist verkleinert worden“, sagt sie. „Und die Bänke am Spielplatz stehen auf der falschen Seite. Die Kinder laufen über die Straße. Das hätte man sich vorher noch einmal ansehen müssen.“ Tatsächlich ist die wilde Badestelle voller planschender Kinder, die kreuz und quer hüpfen – auch über den schönen Weg, der zum flotten Radeln sehr einlädt.
Die Radler überqueren die Zeppelinstraße Richtung Stadtheide. Idyllisch liegt die Straße Im Bogen da: Kopfsteinpflaster, hohe Bäume, Holunder duftet. Genießen kann das jedoch kein Radler: Das Katzenkopf-Pflaster lässt auch die Mutigsten erschauern, auf dem breiten Gehweg unterteilen die mittig stehenden Bäume den Platz in eine Sandkuhlen-Piste links und ein Stückwerk-Pflaster rechts. Für Rollstuhl-Fahrer kaum zu bewältigen. Und während sich einige Teilnehmer noch fragen, ob die begleitenden Polizisten nicht am Ende noch die Ordnungswidrigkeit „Fahren auf dem Gehweg“ abkassieren müssen, winkt die Polizistin auf dem Mountainbike den Fotografen vor sich auf den Weg: „Hier fährt es sich besser!“
Ein Traum für alle Nutzer
Flott rollen die Räder dann über die Lindenallee nach Golm. Ein Vorzeigeobjekt, so von Einem. Dort wurden, nach zähem Ringen mit der Schlösserstiftung, ein asphaltierter und ein Sandweg geschaffen – ein Traum für alle Nutzer. Außer im Herbst, sagt eine Radlerin. Er werde zu selten gereinigt. „Eine schöne Vernetzung von touristischer und alltäglicher Nutzung“, sagt Stefan Overkamp, ADFC-Vorsitzender, dessen Hauptaugenmerk auf der Verzahnung von beidem liegt.
Das will auch die Ministerin: Zum 1. Juni hat sie in ihrem Haus eine Schnittstelle besetzt, die sich um den Ausbau des Radwegeverkehrs kümmern soll; die Vernetzung von Bundes-, Landes- und kommunalen Mitteln sei ihr Ziel. „Dafür können wir auch den Rückenwind des Bundes jetzt sehr gut nutzen – den haben wir ja auch nicht immer.“
Rubelt: Langer Atem für Radwegepolitik
Heikel wird es, als sich die Radler aus Golm kommend an der wie üblich abgeschlossenen Brücke vor dem Neuen Palais drängeln. „Warum ist die zu?“ fragt die Ministerin den Baudezernenten. „Weil die Autos nicht drüber fahren sollen“, sagt der. Man muss mit dem Direktor der Schlösserstiftung noch einmal sprechen: „Um Radwegepolitik zu machen, muss man einen langen Atem haben“, sagt Rubelt.
+++ Wo gibt es Probleme auf Potsdams Radwegen? Ihre Meinung ist gefragt: Schreiben Sie uns per Mail, wo es die größten Ärgernisse und Gefahrenstellen in der Stadt gibt an potsdam@pnn.de!
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Stefanie Schuster