zum Hauptinhalt
Klara Geywitz will die SPD mit Finanzminister Olaf Scholz führen.
© dpa

Kampf um Parteivorsitz: Wird die Potsdamerin Geywitz am Samstag SPD-Chefin?

Die Abstimmung um den SPD-Vorsitz geht in die Endphase. Noch im Rennen sind zwei Frauen – darunter die Potsdamerin Klara Geywitz.

Potsdam - Eine wie sie hat Olaf Scholz dringend gesucht. Als der Vizekanzler und Bundesfinanzminister im August seine Kandidatur für den SPD-Vorsitz bekannt gab, wurde in der Partei viel gerätselt: Mit welcher Genossin würde Scholz ins Rennen gehen? Schließlich präsentierte er die Potsdamerin Klara Geywitz, Mitglied des SPD-Vorstands, in der Bundespolitik aber weitgehend unbekannt.
 

Wie genau es zu der gemeinsamen Kandidatur kam, darüber schweigt Geywitz. Nach Details gefragt, lächelt sie nur, hinter der Brille blitzen ihre Augen kurz auf, doch eine Antwort bleibt sie schuldig. Es passt zum Ruf der „kühlen Strategin“: Sie will nicht zu viel verraten.  

Dass die Fäden zwischen Scholz und Geywitz schon länger gesponnen werden, davon ist jedoch auszugehen. Beide stehen sich nicht nur politisch nahe, gelten als Pragmatiker – oder wie Gegner sagen: rechte Sozialdemokraten. Scholz wohnt außerdem mit seiner Frau, SPD-Landesbildungsministerin Britta Ernst, in Potsdam. Hier hat Geywitz drei Mal in Folge ein Direktmandat für den Landtag gewonnen – bis sie im September knapp den Wiedereinzug verpasste. 

Geywitz wurde 2013 Generalsekretärin der Brandenburg-SPD

In ihrem Landesverband zählt die Mutter von drei Kindern seit Langem zur „Führungsreserve“. Mit 32 wurde sie Vize-Vorsitzende der Brandenburg-SPD, 2013 dann Generalsekretärin. Vier Jahre später schmiss sie hin, ein Zerwürfnis mit Ministerpräsident Dietmar Woidke über die gescheiterte Kreisgebietsreform war der Grund. Geywitz sei damals ein „bisschen verbittert“ gewesen, erzählt ein Genosse, der sie lange kennt. Dass sie Woidke in dessen schwerster Stunde hängen ließ, nähmen ihr heute noch einige übel. Woidke scheint darüber hinweg zu sein. Über Geywitz’ Kandidatur sagt er: „Wir freuen uns ohne Ende.“

Kampfgeist bewies Geywitz in diesem Frühjahr, als sie mit anderen Brandenburger Genossinnen gegen den Widerstand vieler SPD-Männer ein Paritätsgesetz durchboxte, das für ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis im Landtag sorgen soll. Geywitz macht Politik wie die Leistungsschwimmerin, die sie als Jugendliche war: ehrgeizig, zielstrebig, diszipliniert – und mit langem Atem.

Geywitz scheut keine Konflikte

Ihre Partei will sie mit einem Kurs der Mitte aus der Krise holen. „Sie hat eindeutig ein Bild der SPD als Volkspartei im Kopf“, sagt ein Genosse. Im Falle eines Wahlsiegs, betont Geywitz, werde sie sich die Parteiarbeit mit Scholz gleichmäßig aufteilen. Klar ist aber auch: Der Finanzminister wird mit dem Regieren beschäftigt sein. Rausgehen in die Kreisverbände, die zerstrittene SPD zu einen und zu reformieren – das dürfte an Geywitz hängen bleiben und ihr wohl nicht ganz leicht fallen: „Da muss sie in ihrem Amt noch wachsen“, heißt es in der Partei. Wie Scholz gilt Geywitz als spröde, als eine, die kaum begeistern kann – auch wenn ihr Schlagfertigkeit und trockener Humor nachgesagt werden.

Dass sie keine Konflikte scheut, bewies Geywitz vor wenigen Tagen beim Bundeskongress der Jusos in Schwerin. Die Parteijugend will Geywitz als SPD-Vorsitzende verhindern. Sie besuchte die Jusos trotzdem – und rang manchen jungen Genossen damit Respekt ab. Olaf Scholz war nicht dabei.

Saskia Esken – die Konkurrentin von Klara Geywitz 

Sie ist die Kandidatin, bei deren Wortmeldungen sich Ministerpräsident Stephan Weil „die Nackenhaare sträuben“. Vielen wichtigen SPD-Politikern geht es mit Saskia Esken ähnlich. Auf der anderen Seite stehen die Jusos und viele Sozialdemokraten, die sich nach einem Aufbruch und dem Ende der großen Koalition sehnen, das Esken und ihr Partner Norbert Walter-Borjans eher liefern als die Konkurrenz. Fest steht: Die Bundestagsabgeordnete polarisiert.

Das tut sie noch nicht lange. Bis Ende August war die 58-Jährige aus dem Nordschwarzwald ein Mitglied der SPD-Bundestagsfraktion, das sich wenig zu Wort meldete. Die Informatikerin machte sich als Digitalpolitikerin einen Namen. Obwohl sie 2013 erstmals in den Bundestag eingezogen war, gehörte sie bei den Koalitionsverhandlungen Anfang 2018 zur Arbeitsgruppe Digitales der SPD. 

Zur Politik, zunächst zur Kommunalpolitik gekommen war die verheiratete Mutter dreier erwachsener Kinder durch ihren Einsatz als Elternvertreterin in Calw. Von 2012 bis 2014 war sie Vizechefin des Landeselternbeirats. Die Erfahrung, so sagt sie, qualifiziere sie für die anspruchsvolle Aufgabe einer SPD-Chefin. Und: „Führungsaufgaben sind auch dazu da, dass man sich da reinentwickelt.“ Weniger gut entwickelt hatte sich allerdings ihr Engagement in der Partei auf Landesebene. Von 2013 bis 2015 war sie Vizechefin der Südwest-SPD, überzeugte ihre Genossen aber offenbar nicht. 2016 wurde sie nicht wiedergewählt.

Keine machtpolitischen Erfolge in der SPD 

Die Wahl in den Bundestag gelang ihr 2017 auf dem vorletzten Listenplatz der SPD, der noch zog. Von ihrer Entscheidung, sich gemeinsam mit dem Ex-NRW- Finanzminister um den Parteivorsitz zu bewerben, wurden die Genossen in ihrem Wahlkreis völlig überrascht. Viele kritisierten sie dafür. Sozialdemokraten aus dem Schwarzwald unterstellen ihr auch ein taktisches Motiv: Weil sie gewusst habe, dass sie 2021 keinen sicheren Listenplatz mehr gewinnen werde, sei sie durchgestartet.

Machtpolitische Erfolge in der SPD im Bundestag kann die Parteilinke nicht vorweisen. Versuche, sich zur Chefin von Arbeitsgruppen wählen zu lassen, seien gescheitert, heißt es in der Fraktion. Esken will die SPD wieder zusammenführen. Manche Kollegen sprechen ihr unter dem Schutz der Anonymität aber Teamfähigkeit ab: Absprachen seien schwierig oder nicht belastbar. Sie habe sich immer mehr darauf verlegt, die Ergebnisse der Regierungsarbeit schlechtzureden, sagen parteiinterne Gegner. Tatsache ist: Die Kandidatin wechselt, so bei der Grundrente, Positionen innerhalb von Tagen.  

Die Herausforderin des Vizekanzlers scheint das nicht anzufechten. Vor der riesigen Aufgabe schreckt sie nicht zurück. „Angst ist einfach nicht mein Ding“, sagt sie. Sie müsse es sich vorwerfen, wenn sie nun nicht versuchen würde, die SPD zu retten. Die Alternative beschreibt sie so: „Es geht um Aufbruch oder weiter so.“ Zunächst schien sie direkt auf den Bruch der Koalition zuzusteuern, nun hält sie die Folgen ihrer Wahl offener. Das Ziel ist jedenfalls groß: „Wir wollen die Systemfragen angehen und nicht Reparaturarbeiten machen.“ Das ist die Berufung von Saskia Esken.

Paul Starzmann, Hans Monath

Zur Startseite