Frauenfußball bei Olympia: „Wir fahren nicht nach Rio, um Urlaub zu machen“
Elise Kellond-Knight vom Frauenfußball-Bundesligisten Turbine Potsdam spielt mit der australischen Nationalmannschaft bei Olympia. Im PNN-Interview spricht sie über ihren Medaillentraum, das Vorrunden-Aufeinandertreffen mit Deutschland sowie ihr erstes Jahr in Potsdam.
Die 25-jährige Mittelfeldspielerin Elise Kellond-Knight ist in ihrem ersten Jahr beim Frauenfußball-Bundesligisten Turbine Potsdam noch nicht durch viele Schlagzeilen aufgefallen. Dennoch zeigte sich nunmehr Ex-Trainer Bernd Schröder hoch zufrieden. Vor einem Jahr verteilte er bereits großzügige Vorschusslorbeeren. Die halbe Welt sei hinter „KK“, wie die Australierin genannt wird, als Neuzugang her gewesen. „Sehr beweglich, zweikampfstark, guter Überblick im Spielaufbau“, lobte er. „Für mich ist Elise das Beste, was es derzeit im defensiven Mittelfeld auf der Welt zu finden gibt.“
Anfangs habe sie es schwer gehabt bei Turbine, sich dann aber durchgebissen. „Mittlerweile ist sie voll integriert und gehört zu den Fittesten im Team, mit noch weiterer Luft nach oben. Ich bin sicher, dass sie das auch zeigen wird. Der Verein wird in der nächsten Saison noch sehr viel Freude an ihr haben“, meint Schröder. Mit 69 Länderspielen ist Kellond-Knight auch eine feste Größe im australischen Nationalteam, das bei den Olympischen Spielen in Rio antreten wird und in der Vorrunde unter anderem auf Deutschland trifft.
Frau Kellond-Knight, wie sind Sie eigentlich zum Fußball gekommen?
Durch meinen älteren Bruder James. Der spielte Fußball und war so etwas wie ein Vorbild, dem ich nacheifern wollte. Aber James spielt längst nicht mehr. Vermutlich, weil ich besser bin.
Sie sind in Gold Coast geboren und in Brisbane aufgewachsen, also direkt am Meer.
Deshalb gehören Surfen und Windsurfen auf jeden Fall zu meinen Hobbys. Außerdem mag ich Golf und liebe es, zu fotografieren. Ich erkunde gerne Potsdam und Berlin. Tolle Städte mit ihrer Kultur. Ich lese und lerne gern, zum Beispiel die deutsche Sprache. Turbine hat einen speziellen Sprachkurs für uns ausländische Spielerinnen eingerichtet.
Haben Sie sich schnell in Potsdam eingelebt?
Es war am Anfang sehr schwierig, sich umzustellen, denn Potsdam und Australien haben sehr große Unterschiede. In der Kultur, der Mentalität und auch fußballerisch.
Ein konkretes Beispiel bitte.
Beim Training etwa sind alle immer sehr ernst. Das ist zweifelsohne eine Form von Professionalität. Aber ich glaube auch, dass man so seine Persönlichkeit nicht immer offen präsentiert, sondern eher bemüht ist, vor allem zu funktionieren. Wir Australierinnen sind da offener, etwas lockerer, lachen auch gerne. Ich finde, im deutschen Training sollte vielleicht mal gescherzt werden. Man kann trotzdem professionell dabei sein.
Man muss sich also an vieles erst gewöhnen?
Ja, es gibt viele Dinge, bei denen es ein wenig dauert, sich zu adaptieren. Das geht nicht über Nacht. Manch Ungewohntes muss man einfach akzeptieren, wenn man bestehen will.
Das betrifft auch den Alltag?
Ja, es ist für mich ungewohnt, allein in einem Appartement zu leben. Das liegt in der Nähe des Trainingsgeländes. Im näheren Umkreis wohnen viele weitere Spielerinnen. Es gibt also kurze Wege. Man kann in der Stadt ohnehin alles mit dem Fahrrad erreichen. In Australien war das alles anders: Wir waren immer mehrere, die zusammen wohnten. Dann ist vieles anders.
Haben Sie gute Freunde im Turbine-Team gefunden?
Ja, Tabea Kemme zum Beispiel. Die ist cool, da passt vieles mit mir überein. Zum Beispiel die Leidenschaft fürs Surfen. Irgendwann wollen wir mal an der Ostsee surfen gehen.
Olympia rückt näher. Wie präsent sind die Spiele bereits im Kopf?
Jetzt nach Saisonende rückt Rio immer stärker in den Vordergrund. Wir fahren da nicht hin, um Urlaub zu machen. Wir wollen eine Medaille. Diesen Ehrgeiz haben wir alle. Und das Potenzial ist auch da, sehr viel zu erreichen.
Woran machen Sie das fest?
Das Viertelfinale der letzten WM (Anm. d. Red.: ein knappes 0:1 gegen den Titelverteidiger und späteren Finalisten Japan) hat uns mächtig nach vorne gepusht. Wir haben großes Selbstvertrauen gewonnen. Unser junges Team ist sehr ehrgeizig und erfolgshungrig. Dazu kommen viele Spielerinnen, die in Deutschland, Schweden und den USA tätig sind. Das hilft der Mannschaft, weil die australische Saison noch zu kurz ist und das Niveau noch nicht so hoch. Und Alen Stajcic, der letztes Jahr als Trainer kam, passt gut zu unserer Mentalität.
Was bedeutet das konkret?
Der Spielstil hat sich verändert. Unser Fußball ist druckvoll, technisch und taktisch anspruchsvoll geworden. Wir wollen an der Weltspitze mitmischen. Noch sind wir zwar nur Zehnter der Weltrangliste, aber gefühlt sind wir ganz nahe an den anderen Top-Teams dran. Das wollen wir beweisen. Der Coach hat uns weiter entwickelt.
Am 19. Mai begann ein viertägiger Lehrgang in Australien ohne Sie.
Die Spielerinnen aus dem Ausland hatten noch frei, um nach der Liga erst einmal wieder den Kopf frei zu kriegen, wieder frisch zu werden. Seit 30. Mai sind alle komplett da. Wir haben ja Anfang Juni auch zwei Tests gegen Neuseeland. Von da an sind wir im Trainingslager permanent bis Olympia. Dann wird es ernst.
Wie schwer schätzen Sie die Gruppenspiele gegen Deutschland, Kanada und Simbabwe ein?
Alle Gegner sind schwer, sie mussten sich alle qualifizieren. Aber gegen Deutschland – das ist etwas ganz Besonderes, weil man ja die Spielerinnen aus der Bundesliga kennt und einige auch aus dem Vereinsalltag.
Tabea Kemme zum Beispiel.
Genau.
War da Olympia bereits ein Gesprächsthema?
Weniger, denn wir haben uns auf die Bundesliga konzentriert. Ein bisschen gefrotzelt wurde aber schon.
Wie kann man sich das vorstellen?
Tabbi meinte neulich zu mir: „Wir gewinnen 6:0.“ Aber das kann nur ein Spaß gewesen sein. Ich hoffe, wir liefern uns ein gutes Match mit engem Ausgang.
Sie sind Fußballerin des Jahres in Australien. Bei der Wahl zu Asiens Fußballerin des Jahres gab es Silber.
Zur Verleihung durch die Asiatische Konföderation in Kuala Lumpur war leider eine Abstellungsperiode der Fifa für Länderspiele, sodass an der Feier keine Frauen teilnehmen konnten. Aber es ist mir eine riesige Ehre, dass ich auf Platz zwei gewählt wurde. Darauf bin ich echt stolz. Und vor allem darauf, in Australien die Nummer eins zu sein. Die Medaille dazu hängt zu Hause.
Wie stark ist Ihre Bindung ans Elternhaus noch?
Meine Eltern sind große Fans und unterstützen mich, wo sie können. Sie waren 2011 bei der WM in Deutschland, letztes Jahr in Kanada und kommen auch nach Rio. Ich finde das richtig gut.
Wie entstand eigentlich der Kontakt zu Turbine?
Bei Brisbane Roar über Nadine Angerer, als die unsere Torhüterin war (Anm. d. Red.: die deutsche Ex-Nationaltorhüterin Nadine Angerer spielte von 2001 bis 2007 für Turbine Potsdam). Nach acht Jahren dort wollte ich was anderes erleben, vor allem, mich weiterentwickeln.
ZUR PERSON: Elise Kellond-Knight (25) wechselte vor einem Jahr zu Turbine Potsdam. Die australische Nationalspielerin wurde bei der WM 2011 und 2015 ins All-Star-Team berufen.
Rainer Hennies
- bbbbbb
- Brandenburg neu entdecken
- Charlottenburg-Wilmersdorf
- Content Management Systeme
- Das wird ein ganz heißes Eisen
- Deutscher Filmpreis
- Die schönsten Radtouren in Berlin und Brandenburg
- Diversity
- Friedrichshain-Kreuzberg
- Lichtenberg
- Nachhaltigkeit
- Neukölln
- Pankow
- Reinickendorf
- Schweden
- Spandau
- Steglitz-Zehlendorf
- Tempelhof-Schöneberg
- VERERBEN & STIFTEN 2022
- Zukunft der Mobilität