Position zur Garnisonkirche von Joachim Zehner: Wiederaufbau als Zeichen der Umkehr
Die Garnisonkirche muss gebaut werden, denn Schuld lässt sich nicht wegsprengen. Ein Gastbeitrag von Joachim Zehner, Superintendent der Evangelischen Kirche in Potsdam.
Kehrt um und glaubt an das Evangelium. Das ist eines der ersten Worte, die im Neuen Testament von Jesus überliefert werden. Die Fähigkeit zur Umkehr ist eine der grundlegenden Eigenschaften des Menschen. Wir können Irrwege verlassen. Wir sind als freie Menschen Gestalter unserer Zukunft und nicht „Gefangene“ der Vergangenheit. Wir können unserem Leben eine neue Richtung geben. Das gilt für das ganz persönliche Leben. Es geschieht aber auch im Miteinander der Völker.
Die neue, wiederaufgebaute Garnisonkirche soll dafür ein Zeichen sein, unübersehbar mit ihren 88 Metern, so hoch wird der Turm. Es ist ein Wiederaufbau mit einer Botschaft: Umkehr und Versöhnung sind möglich in Europa. „Bebaute Steine sind an sich unschuldig“, sagen Wolfram Hülsemann und seine Initiative „Christen brauchen keine Garnisonkirche“. Und da hat er recht. Dann wird es aber schief: Wer sie aufbaut, der baut an der alten Symbolik einer „absolutistischen Obrigkeitsideologie“. Nein, das Gegenteil ist der Fall. Wir zeigen als Christen, dass wir zur Vergangenheit stehen und doch neue Wege gehen, mit der Bibel gesprochen: umkehren. Schuld lässt sich nicht einfach wegbomben und wegsprengen, moralische Abgründe können wir nicht mit der Planierraupe zuschütten, Versagen kann nicht dauerhaft totgeschwiegen werden. Eine Sprengung – wie die am 23. Juni 1968 in der damaligen Wilhelm-Külz-Straße und der Einsatz von Baugerät – und siehe da: Eine neue Ära beginnt. Nein, Schuld bleibt und belastet die Zukunft. Es bleibt uns nicht erspart. Wir müssen uns mit unserer Vergangenheit auseinandersetzen, Irrwege verlassen und Schuld bekennen. Aber dann können wir auch neue Wege gehen.
Das wollen wir mit dem Wiederaufbau der Garnisonkirche tun. Jeder bedächtige Besucher entdeckt das schon heute, zum Beispiel in der Ausstellung an der Breiten Straße. Jede Teilnehmerin an einer der vielen Veranstaltungen wird diesen neuen Geist spüren. Wenn wir als Europäer eines „exportieren“ sollten, dann ist es dieses: Nach zwei verheerenden Weltkriegen, nach so viel Hass und Gewalt, haben wir, haben die Völker Europas wieder zueinander gefunden. Christliche Motive spielten dabei eine wesentliche Rolle. Die deutsch-französische Aussöhnung etwa wurde mit einer Abendmahlsfeier in der Kathedrale von Reims besiegelt. Jede Feier am Tisch des Herrn – das wissen wir als Teilnehmer an einem Gottesdienst – setzt ein Sündenbekenntnis voraus: ohne Wahrheit keine Versöhnung. Vergebung ist möglich, auch unter Völkern. Die Wahrheitskommission in Südafrika nach vielen Jahren der Apartheid zeigt uns, dass es auch außerhalb Europas geht. Wie sollen die Menschen in Kobane neu beginnen, wie sollen die Flüchtlinge, die nach Sindschar zurückkehren und die, die sich auf die Seite des IS schlugen, wieder zusammenfinden nach diesem Ausbruch von Hass und Gewalt? Die Botschaft, die wir sagen wollen, lautet: Umkehr ist möglich, Versöhnung ist möglich, die Aufarbeitung und das Eingeständnis von Schuld führen nicht ins Aus, sondern in neue Gemeinschaft. Dafür wollen wir in Potsdam ein Zeichen setzen. Es lohnt sich, alle Kräfte zu mobilisieren für den Wiederaufbau! Deshalb stehe ich als Superintendent dieses Kirchenkreises dahinter, deshalb bin ich Mitglied des Kuratoriums und freue mich, dass die Synoden, die „Parlamente“ unserer Kirche, sich auch dazu bekannt haben. „Christen brauchen keine Garnisonkirche“ – sagt mein Amtsbruder i.R. Wolfram Hülsemann. Warum sagt er nicht: „Ich brauche keine Garnisonkirche“? Sind alle, die sich für den Wiederaufbau einsetzen – auf der Internetseite sind es schon 18 000 – keine Christen? Es ist dieser Absolutheitsanspruch, der mich stört. Ich bin als Christ für den Wiederaufbau. Weil er eine klare Botschaft sendet: Umkehr und Versöhnung sind möglich in Europa. Lasst uns nicht an der Fähigkeit des Menschen zur Umkehr zweifeln. Umkehr ist die Grundlage jeder neuen Gemeinschaft – hier und an vielen Orten in dieser Welt.
Dr. Joachim Zehner ist Superintendent der Evangelischen Kirche in Potsdam. Er antwortet auf eine Position von Wolfram Hülsemann von der Initiative „Christen brauchen keine Garnisonkirche“ vom 4. Dezember 2015.
Joachim Zehner
- bbbbbb
- Brandenburg neu entdecken
- Charlottenburg-Wilmersdorf
- Content Management Systeme
- Das wird ein ganz heißes Eisen
- Deutscher Filmpreis
- Die schönsten Radtouren in Berlin und Brandenburg
- Diversity
- Friedrichshain-Kreuzberg
- Lichtenberg
- Nachhaltigkeit
- Neukölln
- Pankow
- Reinickendorf
- Schweden
- Spandau
- Steglitz-Zehlendorf
- Tempelhof-Schöneberg
- VERERBEN & STIFTEN 2022
- Zukunft der Mobilität