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Nach einem Jahr der Trennung kann Amin wieder seine Frau und seinen Sohn in die Arme schließen.
© Andreas Klaer

Flüchtlinge in Potsdam: Wieder zu dritt

Ein Jahr lang hat der Syrer Amin Aljarmakani seine Familie nicht mehr gesehen. Seit Mittwoch ist sie endlich in Potsdam.

Potsdam/Schönefeld - Immer wieder blickt Amin Aljarmakani auf sein Handy. Und dann wieder auf die Anzeigetafel des Flughafens. „Beirut – gelandet“ steht dort. Seine Hände krampfen sich um die roten Rosen und den weißen Teddybären, beides hält er nun schon über eine halbe Stunde in der Hand. Die Blumen sind für seine Frau, das Kuscheltier für seinen eineinhalbjährigen Sohn. Beide hat er seit einem Jahr nicht mehr gesehen, heute kann er sie endlich wieder in die Arme schließen. Hier, am Flughafen Schönefeld.

Amin Aljarmakani und seine Familie kommen aus Syrien. Ursprünglich stammen sie aus Swaida im Süden des Landes, die letzten sechs Jahre haben sie in der Hauptstadt Damaskus gelebt. Als Amin zur Armee eingezogen werden sollte, ergriff er die Flucht – wie so viele junge Männer, die fürchten, ihr Leben in dem seit Jahren tobenden Bürgerkrieg zu verlieren. Seine Frau und seinen Sohn nahm er nicht mit auf die gefährliche Reise durch halb Europa, sie sollten später nachkommen.

In Potsdam wurde Armin zum Sprachrohr der Flüchtlinge

In Deutschland landete Amin zunächst in München, später kam er über Frankfurt (Oder) und Eisenhüttenstadt nach Potsdam. Wie die meisten Flüchtlinge stellte er kurz nach seiner Ankunft einen Antrag auf Familiennachzug, um seine Frau und seinen Sohn auf sicherem Wege nach Deutschland zu holen. In Potsdam lebte Amin erst in einer Gemeinschaftsunterkunft in Groß Glienicke, dann konnte er in ein privates Zimmer nach Babelsberg ziehen. Eine Familie räumte dort für Amin das Arbeitszimmer, seit Januar lebt er dort. Einigen in der Stadt ist der 30-Jährige schon bekannt. Denn als allerorten über die Übergriffe auf Frauen in der Kölner Silvesternacht die Rede war, wurde er zu einer Art Sprachrohr der Potsdamer Flüchtlinge. In einem offenen Brief, den Hunderte Flüchtlinge unterzeichneten, distanzierte er sich von den Taten und verurteilte sie.

Seine Frau Reem Alali war unterdessen in Damaskus mit dem gemeinsamen Sohn zu ihren Eltern gezogen. Sie wartete Monat um Monat, bis Amins Antrag auf Familiennachzug in Deutschland stattgegeben wurde. Als es endlich soweit war, sprach sie in der libanesischen Hauptstadt Beirut bei der deutschen Botschaft vor – jene in Damaskus ist schon seit 2012 geschlossen. Im Februar stellte die 29-Jährige dort einen Visumsantrag, Anfang Mai hielt sie endlich die Eintrittskarte nach Deutschland für sich und ihren Sohn in der Hand und konnte ein Flugticket buchen.

Schon im Morgengrauen haben sich Frau und Sohn in Damaskus auf den Weg gemacht

Als sie jetzt endlich durch die Schiebetür in der Ankunftshalle des Flughafens kommt, sieht man Reem und dem kleinen Allith die Erschöpfung an. Schon im Morgengrauen an diesem Mittwoch sind die beiden in Damaskus in ein Taxi gestiegen und zum Flughafen nach Beirut gefahren. Am Vormittag ist das Flugzeug gestartet, als die beiden in Schönefeld landen, ist es Nachmittag.

Doch all die Anstrengung ist vergessen, als sich Amin und Reem endlich in die Arme schließen können. Ein ganzes Jahr haben sie darauf gewartet, und Amin darauf, endlich seinen Sohn bei sich zu haben. Aus dem fünfmonatigen Säugling ist ein lebhaftes Kleinkind mit Korkenzieherlocken und großen, dunklen Augen geworden. Sie haben zwar viel über Facebook kommuniziert, erzählt Amin. Auch Videos hat er von seinem Sohn gesehen. „Aber in echt ist es etwas ganz anderes.“

Ein großer Koffer, ein Rucksack - mehr konnte Reem aus ihrem alten Leben nicht mitnehmen

Er hofft, dass Reem sich schnell in Deutschland zurechtfindet. Er ist glücklich hier, und hofft, dass sie es auch sein wird. „Ich habe ihr schon manches von Deutschland erzählt, aber nicht, wie anders hier alles ist. Ich wollte nicht, dass sie Angst davor hat, herzukommen.“

Ein großer roter Koffer, ein kleiner Rucksack, eine Handtasche – mehr konnte Reem nicht aus ihrem alten Leben mitnehmen. Doch sie ist froh, sagt sie. Vor allem für den kleinen Allith. „Hier müssen wir nicht um sein Leben fürchten.“

Nun geht es erstmal „nach Hause“, was in diesem Fall das Zimmer bei der Babelsberger Familie ist. Amin hat zwar eine kleine Zwei-Zimmer-Wohnung in Potsdam gefunden, doch die ist erst ab August frei. Seine Gastgeberin aus Babelsberg hat ihn zum Flughafen begleitet, ein Nachbar hat den Fahrdienst übernommen, auch einen Kindersitz haben sie für Allith organisiert.

Der Kleine ist aufgedreht, tapst zwischen all den fremden Menschen herum, zu denen für ihn momentan auch noch der Vater zählt – auf Amins Arm will er noch nicht lange bleiben. Doch den weißen Teddy, den findet er jetzt schon gut.

Mehr Infos zum Thema Familiennachzug nach Potsdam finden Sie hier>>

Katharina Wiechers

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