Einzelhandel in Potsdam: Wie dramatisch sind die leeren Läden in der Innenstadt?
In der Potsdamer Innenstadt ist eine ganze Reihe von Geschäften geschlossen. Etwa 20 sollen es sein. Ob das beunruhigend ist, ist umstritten.
Potsdam - Es klingt paradox: Während überall in Potsdam geklagt wird, dass Gewerbeflächen fehlen, steht ausgerechnet in der Innenstadt eine ganze Reihe von Geschäften leer. Bei einem Gang durch die Brandenburger Straße und ihre Quer- und Parallelstraßen sind immer wieder Schaufenster mit Zeitungen verklebt oder die Rolläden ohne Schild geschlossen. Bei einigen gibt es einen Hinweis auf Renovierungsarbeiten, andere stehen leer. In einem Schaufenster in der Charlottenstraße stehen noch Gartenzwerge und Dekoartikel, im Fenster aber hängt ein Schild „Ladenlokal ab sofort zu vermieten“.
Bei Online-Immobilienportalen findet man etwa ein Dutzend Anzeigen für zu vermietende Gewerbeflächen in der Innenstadt. Die meisten der angebotenen Geschäftsräume befinden sich in Nebenstraßen der Brandenburger Straße und haben eine Fläche zwischen 50 und 70 Quadratmetern.
Etwa 20 Flächen stehen leer
Manfred Gerdes, dessen Frau zwei Geschäfte in der Innenstadt führt und der bis letzten Sommer Vorsitzender der AG Innenstadt war, spricht von rund 20 leer stehenden Flächen. Er hat diese einzeln mit Handybildern dokumentiert. „Ich habe die Sorge, dass wir die richtige Zeit verschlafen und dann zu spät aufschrecken“, sagt Gerdes. „Wir wollen nicht enden wie Bremen.“ In der Hansestadt sind verschiedene Konzepte für den Einzelhandel gescheitert, es gab zwischenzeitlich hohen Leerstand. Die Bremer Innenstadt sei ein Desaster, sagte ein Einzelhandelsexperte Ende 2015 dem „Weser-Kurier“.
Man müsse sich rechtzeitig wappnen, so Gerdes. Die Mietpreise seien in den letzten fünf Jahren stark gestiegen, das könnten sich viele nicht mehr leisten, weil sie nicht so viel Umsatz generieren. Wenn etwas leer stehe, ziehe statt Kosmetik oder Mode eher Gastronomie ein, wo die Margen höher sind.
Gerdes fordert: Die Stadt muss Vermietungen besser steuern
Dabei sieht er auch die Stadt in der Pflicht. „Das bestehende Einzelhandelskonzept reicht nicht aus“, sagt Gerdes. Die Stadt müsse gezielter steuern, was wo einziehen dürfe, damit der Branchenmix sichergestellt werde. „Gerade bei der Friedrich-Ebert-Straße Richtung Alter Markt, die in den nächsten Jahren fertig wird, sollte sich die Stadt von Anfang an bemühen, dort auch Marken hinzuholen“, so Gerdes. Es gehe um ein ganzheitliches Konzept. Dazu gehört für ihn auch die Verkehrsführung und ausreichend Parkplätze, um die Besucherfrequenz zu erhöhen – und damit letztendlich die Umsätze. Auch wünsche er sich, dass das Stadtmarketing sich nicht nur auf den Tourismus, sondern auch auf den Handel konzentrieren soll.
Stefan Frerichs, Chef der Potsdamer Wirtschaftsförderung, sieht die Lage weniger dramatisch. „Wir halten den Leerstand nicht für sehr groß, wir müssen uns da keine Sorgen machen“, so Frerichs. Fluktuation gebe es immer. Gerade zu Jahresende und -anfang liefen mancherorts auch Verträge aus, die Flächen würden aber meist schnell wieder vermietet. „Wir sehen derzeit keinen konkreten Handlungsbedarf“, sagt der Wirtschaftsförderer. Aber: Man beobachte das Thema genau, reflektiere das auch in verschiedenen Gremien.
Auch die Stadt will nicht nur Gastronomie in der Innenstadt
Zudem gibt Frerichs zu bedenken, dass der Einfluss der Stadt bei vielen Punkten begrenzt sei. „Auch wir wünschen uns eine lebendige und kleinteilige Innenstadt, in der es nicht nur Bäcker und Restaurants gibt“, betont Frerichs. In diesem Jahr steht auch die Fortschreibung des Einzelhandelskonzepts an, da werde man sich auch der Frage der richtigen Mischung widmen. Dazu berate man unter anderem mit dem Arbeitskreis Innenstadt, in dem unterschiedlichste Handelsvertreter sind.
Auch Wolfgang Kampmeier, Regionalleiter des Handelsverbands Berlin-Brandenburg (HBB), hat das Thema Leerstand auf dem Schirm. „Das steht für 2019 auf unserer Tagesordnung“, betont er. Allerdings wolle man in Gesprächen mit Vertretern, etwa der AG Innenstadt, erst einmal sondieren, wo man etwas machen könne.
Einen weiteren Hinderungsgrund für die Ansiedlung bestimmter Einzelhändler in der Innenstadt bringt der Hauptgeschäftsführer des HBB, Nils Busch-Petersen, ins Gespräch. Viele Geschäfte seien schlicht zu klein. „Da kann man nicht viel machen, aber gerade internationale Ketten kommen unter einer bestimmten Größe nicht, auch wenn die Lage attraktiv ist“, erklärt er.
Wirtschaftsförderer Frerichs kennt dieses Problem schon lange. „Man nennt als Faustgröße für große Modeketten oft 2000 Quadratmeter Verkaufsfläche, davon sind die meisten Läden in der Innenstadt weit entfernt“, sagt er. In diesem Bereich sei die Entwicklungsmöglichkeit stark begrenzt – Stichwort Denkmalschutz. Man habe die Möglichkeiten zum Zusammenlegen mehrerer Läden hinter der Fassade geprüft. In einigen Fällen hat das auch geklappt, so bei den Filialen der Ketten C&A und H&M in der Brandenburger Straße. In den meisten Fällen kann die Stadt sowieso nur beratend wirken. „Wir sind auf die Mitarbeit der Besitzer angewiesen“, appelliert Frerichs.