Streit um DDR-Moderne in Potsdam: Widerstand gegen Minsk-Abriss wächst
Vom Filmpark-Chef bis Mitteschön: Am Wochenende haben viele Unterstützer für den Erhalt des maroden DDR-Baus plädiert.
Potsdam - Eine ungewöhnlich breite Allianz der Potsdamer Stadtgesellschaft hat sich am Wochenende gegen den geplanten Abriss des maroden Terrassenrestaurants Minsk stark gemacht. Beim Sommerfest der Linken am Samstag sprachen sich Filmpark-Chef Friedhelm Schatz, Architektenkammer-Ehrenpräsident Bernhard Schuster und die Bürgerinitiative Mitteschön bei einer Talk-Runde öffentlich unisono für den Erhalt des DDR-Baus auf dem Brauhausberg aus.
Das Gebäude wollen wie berichtet die kommunalen Stadtwerke mitsamt anderen Baugrundstücken an einen bislang öffentlich unbekannten Investor für 27 Millionen Euro verkaufen. Das Minsk soll Wohnbebauung Platz machen. Doch Architekt Schuster hält einen Abriss für den falschen Weg. Das Haus habe eine Chance verdient, machte er deutlich. In Bezug auf die in Potsdam verschwindende Ost-Moderne sagte er: „Jede Zeit hat das Recht, in die Zukunft transportiert zu werden.“
"Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg"
Filmpark-Chef Schatz erklärte, dass eine boomende Stadt wie Potsdam sich – „bei allem Respekt vor Gewinnmaximierung“ – den Erhalt eines solchen Baus leisten müsse: „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.“ Er wolle sich an der Rettung des Minsk gern beteiligen. Und auch Barbara Kuster von der Initiative Mitteschön erklärte, das Minsk wäre in sanierter Form der „eyecatcher“ am Berg und daher bewahrungswürdig. Bei der von Linke-Oppositionschef Hans-Jürgen Scharfenberg organisierten Talk-Runde hieß es weiter, das Haus könne etwa für junge Künstler hergerichtet werden.
Dagegen sprach sich Harald Kümmel (SPD), Leiter des Oberbürgermeisterbüros, klar für einen Verkauf aus. Jeder dabei eingenommene Cent sei gut für die Stadtwerke, die damit das 41 Millionen Euro teure Freizeitbad blu refinanzieren wollen. Für das Minsk gebe es indes keine realistische Perspektive.
Stadt sieht kein Bedarf für eine Kita
So hatte die Stadtverwaltung erst vergangene Woche einmal mehr erklärt, es gebe keinen Bedarf für eine Kita im Minsk – und ein größerer Gastronomiebetrieb scheitere an Vorgaben im Bebauungsplan. Auch dem Vorschlag der Bürgerinitiative Mitteschön, das Minsk und die Umgebung zum Sanierungsgebiet zu erklären und damit möglicherweise Städtebaufördermittel zu erhalten, gab Kümmel keine Chance.
Allerdings habe man sich bei diesem Prüfvorgang keinerlei Gedanken gemacht, wie das Haus erhalten werden könnte, kritisierte Linke-Fraktionschef Scharfenberg. Notfalls müsse man den Bebauungsplan noch einmal ändern und den Erhalt festschreiben. Und Willo Göpel von Mitteschön machte deutlich, dass man angesichts der stark steigenden Grundstückspreise in Potsdam bei einer neuen Ausschreibung der Baugrundstücke auf dem Berg – ohne Minsk – jetzt dennoch höhere Preise erzielen könne. Zugleich kritisierte er, dass über den 27-Millionen-Investor bisher nichts öffentlich bekannt sei: „Niemand weiß, ob das ein seriöser Bieter ist.“
Wie berichtet will Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) in der nächsten Stadtverordnetenversammlung den Abriss des Minsk besiegeln lassen. Allerdings waren die Mehrheitsverhältnisse im Stadtparlament bisher denkbar knapp. Die Befürworter eines Erhalts hatten sich mehrfach nur knapp durchgesetzt. Die Grünen-Fraktion kündigte am Wochenende bereits via Twitter an, man fordere für Grundstück und Gebäude des Minsk eine Neuausschreibung, um dann nach Festpreis und Konzept zu verkaufen – analog zum erfolgreichen Verfahren am Alten Markt. Dazu wolle man einen Antrag im Stadtparlament stellen.
Auch SPD-Vertreter fordern den Erhalt
In der Vergangenheit hatten sich auch mehrere bekannte SPD-Vertreter für den Erhalt stark gemacht, etwa Alt-Ministerpräsident Manfred Stolpe oder der frühere Bauausschusschef Christian Seidel. Zudem wurde ein Brief des von 1991 bis 1994 amtierenden SPD-Baustadtrats Peter von Feldmann bekannt, der laut Scharfenberg an die Linken gegangen ist. In dem Schreiben plädiert auch von Feldmann für einen Erhalt des Minsk. Die dafür nötige Festschreibung des Bebauungsplans sei entgegen der Auffassung im Rathaus auch im vereinfachten Verfahren möglich, so der langjährige Verwaltungsrichter. Zugleich forderte er eine städtebauliche Expertise, um alternative Nutzungsformen für das Minsk zu finden.
Am Sonntagabend erhoben dann, eingeladen von der Initiative „Stadtmitte für alle“, etwa 100 Potsdamer ihre Stimme für den Erhalt des Minsk und für eine schonendere Bebauung des Brauhausberges. Die Initiative hält den Umgang mit dem Bauareal grundsätzlich für ein Symbol verfehlter Stadtpolitik. Ein Sprecher der Initiative verwies darauf, dass die Stadt den ehemaligen Landtag mehrfach zum Kauf angeboten bekommen habe – das aber immer wieder ablehnte. Wegen der Flüchtlinge habe die Stadt den „Kreml“ dann über Jahre gemietet, sodass der Kaufpreis damit fast gedeckt worden sei. Die Schwimmhalle, inzwischen fast völlig abgerissen, sei einem unschönen „Klotz“ gewichen und wenn das Areal an den Meistbietenden verkauft werde, könnten die Mieten zwangsläufig nur noch von den Reichen bezahlt werden. „Wir können uns unsere Miete jetzt schon kaum noch leisten“, sagte ein Paar bei der Demo. Und Linda Kieselbach sieht den Umgang mit Bauland als bürgerunfreundlich an: Man müsse auch ans Grün denken.