Potsdamer Talente: Wenn der Spaß zurückkehrt
Melanie Göldner hatte schon fast mit dem Rudern aufgehört – jetzt ist sie Junioren-Weltmeisterin. Beim Titelgewinn in Hamburg musste die Potsdamer Sportschülerin, die ein gutes Gespür für das Boot hat, gefühlt viel weiter fahren als die üblichen 2000 Meter.
Am liebsten wäre Uta Salomon auch bei der Junioren-Weltmeisterschaft mit ihrem Fahrrad neben der Ruderstrecke hergefahren. Aber in Hamburg, an der Elbe, in der vergangenen Woche, gab es diese Möglichkeit anders als an den meisten anderen Strecken nicht. So musste die Trainerin 300 Meter vor der Ziellinie warten, wie die von ihr trainierte, gleich als Junioren-Weltmeisterin vorbeifahrende Melanie Göldner mit den schwierigen Bedingungen umgeht, ohne selbst von der Seite coachen zu können.
Bei starkem Gegenwind die Konkurrenz deklassiert
Der Potsdamer Rudertrainerin blieb nur der Blick auf den Livestream, und damit musste sie ungewöhnlich lange vorliebnehmen. Melanie Göldner brauchte länger für die 2000 Meter als üblich. Das war nicht schlimm, denn alle anderen brauchten auch länger am Sonntagnachmittag, und sie waren alle hinter ihr. Nach 9:45 Minuten überfuhr sie die Ziellinie, normal sind etwa acht Minuten, und holte mit mehr als elf Sekunden Vorsprung den Weltmeistertitel.
Es war ihr viertes Rennen binnen fünf Tagen, für den Einer hatten 34 Nationen gemeldet. Viele hatten keine Chancen, aber durch die vielen Meldungen wurden die Rennen über jeweils 2000 Meter immer mehr – und der Wind drehte vom leichten Schiebe- auf starken Gegenwind. Dadurch und durch Wellengang wirkte die Strecke länger, „Windstärke sechs“ schätzt die 18-Jährige. Von der Zeit und der Kraft her kam es ihr wie 2500 Meter vor. Nach 500 Metern hatte sie die Französin Camille Juillet überholt und zog immer weiter davon. „Bloß keinen Krebs ziehen“, dachte sich Melanie Göldner, „bloß keinen Krebs fangen“, dachte ihre Trainerin am Zielbereich. Der „Krebs“ steht beim Rudern als Begriff dafür, dass man mit dem Ruderblatt im Wasser hängen bleibt, das Boot dadurch zum Stehen bringt oder vielleicht selbst ins Wasser geht. Am Ende zog Melanie Göldner nicht den Krebs, sondern den Titel.
An der Sportschule zunächst eine der Schlechtesten
An solch einen Erfolg war vor zwei Jahren nicht zu denken – fast hätte sie da mit dem Rudern aufgehört. Die Wustermarkerin war 16 Jahre alt und vier Jahre vorher von den Trainern der Potsdamer Sportschule gesichtet worden. Sie war eine der Größten an der Schule, auf der Sportschule zunächst eine der Schlechtesten.
Im Winter 2011/2012 stellten sich die Erfolge nicht ein. „Die ganze Saison lief nicht so gut“, sagte sie, mit dem Vierer kam sie nicht aufs Podest. „Ich wusste nicht, wofür ich das noch machen soll“, blickt sie zurück. Als sie dann von der B- in die A-Jugend wechselte, so erzählt sie, sei sie nach zwei Wochen zur neuen Trainerin Uta Salomon gegangen. Nach einem längeren Gespräch gab es für sie einen besonderen Trainingsplan: Sie durfte trainieren, worauf sie Lust hat. Für einige Zeit wechselte sie von den Skulls – den Booten mit zwei Rudern – mit einer Freundin zu den Riemen, wo jeder nur ein Ruder durchs Wasser zieht. Und auch wenn sie später, nach der Rückkehr zu den Skulls, merkte, dass sie weniger trainiert hatte – der Spaß am Rudern kehrte zurück.
Die Zweifel hat Göldner hinter sich gelassen
Mit etwas Verzögerung, kamen auch die Erfolge. Sie wurde Deutsche Meisterin im Einer und damit als stärkste Ruderin für die Weltmeisterschaft in diesem Boot nominiert. „Ich hatte mir dieses Jahr nicht so viel vorgenommen“, sagt Melanie Göldner. Im Trainingslager vor der Weltmeisterschaft, in Berlin-Grünau, merkte sie: Es läuft. Erst war das Ziel, das Finale zu erreichen, dann eine Medaille zu gewinnen. Am Ende wurde es der Weltmeistertitel.
Uta Salomon hält viel von Melanie Göldner. „Sie ist ein wirklich großes Talent, sie hat unheimlich viel Potenzial“, sagt die Trainerin. Ihr Gespür für das Boot sei sehr groß. Sie weiß, dass das Training nicht immer Spaß macht. Es sind große Umfänge zu bewältigen, teilweise 80 und mehr Kilometer in der Woche, „man muss sich ganz schön quälen“. Wenn dann die Erfolge ausbleiben, kommen auch die Zweifel. Die hat Melanie Göldner hinter sich gelassen und neben Erfolgen auch die schönen Momente des Ruderns wiederentdeckt. „Sonnenaufgang, glattes Wasser, das Boot läuft. Es kommt einem manchmal vor, als würde es schweben“, sagt sie. „Dann merkt man nicht die Anstrengung, das Boot gleitet fast von selbst.“
Ingmar Höfgen
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