Bürgerdialog zur Garnisonkirche: Welche Chancen hat der Bürgerdialog noch?
Der Bürgerdialog zur Garnisonkirche verliert sich im Klein-Klein. Eine inhaltliche Diskussion findet nicht mehr statt, stattdessen geht es hinter verschlossenen Türen um Verfahrensfragen. Gegner der Kirche drohen deshalb jetzt mit dem Ausstieg.
Potsdam – Seit April läuft der Bürgerdialog zur Garnisonkirche, seit sechs Monaten wurde darüber aber gar nicht mehr inhaltlich diskutiert. Stattdessen ging es hinter verschlossenen Türen um den weiteren Ablauf des Verfahrens zum Dialog Garnisonkirche, Rechenzentrum und Plantage. Jetzt haben Gegner eines Wiederaufbaus der 1968 gesprengten Kirche mit einem Ausstieg aus dem Dialog gedroht und Änderungen eingefordert.
„Der Begriff Bürgerdialog ist ein Etikettenschwindel“
Am deutlichsten wurde am Donnerstag die Bürgerinitiative „Potsdam ohne Garnisonkirche“. „Der Begriff Bürgerdialog ist ein Etikettenschwindel“, sagte Sprecher Simon Wohlfahrt am Donnerstag auf einer Pressekonferenz. Der Entwurf zum Dialogprozess der Berliner Complan Kommunalberatung GmbH ignoriere die jahrelange Forderung nach einer direkten Mitbestimmung durch die Potsdamer Bürger. Der angestrebte Dialog sei damit ein Rückschritt in der Debatte und „löst nicht den Kern des Konfliktes“. Das Thema Garnisonkirche müsse „herausgelöst werden aus dem Beteiligungsverfahren“. Zugleich sei aber seine Initiative bereit, weiter im Gespräch zu bleiben. Wohlfahrt forderte mehr Transparenz bei künftigen Veranstaltungen und eine Umbenennung des Bürgerdialogs in „Diskussionsforum“.
Der Sprecher der Künstlerinitiative Kulturlobby, André Tomczak, forderte, dass die Ergebnisse eines Dialogs auch von den Stadtverordneten als verbindlich anerkannt werden müssten. Die Sitzungen müssten öffentlich stattfinden und das Beteiligungsverfahren zur Plantage zurückgestellt werden. Der sogenannte Begleitkreis müsse zudem selbst entscheiden dürfen, wie das Verfahren ablaufe.
Bürgerinitiative fordert Bürgerentscheid zur Garnisonkirche
Einhellig kritisierten die Initiativen den Ablauf des bisherigen Verfahrens. „Wenn es so bleibt, ist es für uns noch offen, ob wir uns beteiligen“, sagte etwa Lutz Boede, Stadtverordneter der Fraktion Die Andere und Vertreter der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten“ (VVN-BdA). Die Initiative „Potsdamer Mitte neu denken“ forderte einen Bürgerentscheid zur Garnisonkirche, um in dieser Frage eine Klärung zu erreichen. „Anders geht es nicht“, sagte Mitinitiator Günter zur Nieden.
Nils Jonas von der städtischen „Werkstatt für Bürgerbeteiligung“, die das Dialogverfahren gemeinsam mit Complan organisiert, betonte, dass der kritisierte Entwurf für das weitere Vorgehen nur ein „Grobkonzept“ sei. Dazu seien alle Beteiligten um eine Stellungnahme gebeten worden. Dies bedeute, dass das Verfahren noch geändert werden könne. „Wir sind dabei, herauszufinden, ob ein Dialog funktionieren kann. Wir werben um Rückmeldung“, sagte Jonas. Die Frist sei bis zum 20. Oktober verlängert worden.
Wichtig sei es, im Gespräch zu bleiben
Am Mittwoch hatten sich auch die Stadtverordneten im Hauptausschuss mit dem Bürgerdialog beschäftigt. Sigrid Müller (Linke) betonte, dass einige Mitglieder des Beteiligungsrates Bauchschmerzen damit hätten, dass die Veranstaltung unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinde. Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) nannte es legitim, dass bestimmte Fragen erstmal geklärt würden. Allerdings forderte auch er die Organisatoren dazu auf, dass Verfahren dann „autorisiert“ öffentlich zu machen.
Stadtsprecher Stefan Schulz zufolge bringt die Kritik den Prozess durchaus weiter. Wichtig sei es, im Gespräch zu bleiben, um danach auch inhaltlich Kompromisse ausloten zu können, sagte er den PNN. Die Stadt und Complan hätten einen Vorschlag für den Ablauf des Dialoges gemacht. Das bedeute aber nicht, dass er genauso ablaufen müsse. „Dann machen wir es eben anders“, sagte er.
Stiftung will keine Debatte über den Turm-Bau
Das Bündnis Potsdamer Mitte, zu dem auch der Förderverein für den Wiederaufbau der Garnisonkirche sowie „Mitteschön“ gehören, hatte eine Teilnahme an der Pressekonferenz abgelehnt. Dennoch waren der Förderverein und die Stiftung Garnisonkirche vertreten. Die Stiftung lehnte eine Debatte über den Bau des Turms erneut ab. „Wir haben eine Baugenehmigung und werden den Turm errichten, sobald genug Geld da ist“, sagte Stiftungsvorstand Wieland Eschenburg. Fördervereins-Chef Matthias Dombert äußerte sein Interesse an einem konstruktiven Dialog. Dies setze voraus, dass „keine Hoffnungen gemacht werden, die nicht eingelöst werden können“, sagte er.
Laut Complan-Planungen wird sich das Verfahren des Bürgerdialogs bis zum Sommer 2016 hinziehen. Bereits bis Jahresende soll zur Gestaltung der Plantage eine Planwerkstatt stattfinden. Die Ergebnisse sollen dann in einen Gestaltungswettbewerb einfließen. Parallel dazu soll auch über die Garnisonkirche und das jetzt als Künstlerhaus genutzte Rechenzentrum diskutiert werden. Drei Szenarien wären denkbar: In dem ersten werden Kirchturm und -schiff bis 2030 nicht gebaut, das Rechenzentrum bleibt als Künstlerhaus bis mindestens 2045 erhalten. Oder der Turm wird bis 2019, das Schiff bis 2023 errichtet, dem Rechenzentrum bliebe nur eine Frist bis 2018. Die dritte Möglichkeit geht von einem Turmbau bis 2019 und einem Verzicht auf den Bau des Kirchenschiffs aus. Auch hier hätte das Rechenzentrum wieder eine Bestandsgarantie bis 2045. Wenn es überhaupt so weit kommt – und wieder über Inhalte statt Verfahrensweisen gesprochen werden kann.
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