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Unter Holländern. Menno Veldhuis ist gebürtiger Niederländer, wie sein großes Vorbild Vincent van Gogh, dessen Porträt sich vielfach im Atelier des Malers findet. Der in Potsdam lebende Künstler hatte 2015 einen Schlaganfall – jetzt arbeitet er wieder.
© Andreas Klaer

Zu Besuch beim Potsdamer Künstler Menno Veldhuis: „Was wäre, wenn ich nicht mehr wäre?“

Der Potsdamer Künstler Menno Veldhuis hatte im vergangenen Jahr überraschend einen Schlaganfall. Jetzt erfindet er sich neu – und kämpft sich zurück ins Leben. Ein Besuch.

Potsdam - Fünf Sekunden waren es nur. „Fünf Sekunden, Mensch!“, ruft Menno Veldhuis. Ein ganz kleiner Augenblick – mit enormen Folgen. Fünf Jahre könnte es jetzt dauern, bis der Potsdamer Maler wieder voll einsatzfähig sein kann. Veldhuis hat im Februar 2015 einen Schlaganfall gehabt. „Das fühlt sich so an, als wenn man morgens aufsteht und am Abend zuvor zu viel getrunken hat. Nur dass es jetzt jeden Tag so ist.“ Jetzt kämpft er sich zurück, jeden Tag ein kleines Stück.

Der Schlaganfall kam quasi aus dem Nichts heraus, mit gerade einmal 40 Jahren. Jetzt steht Veldhuis in der vierten Etage des Künstlerhauses im Rechenzentrum in der Breiten Straße, in der er sein Atelier hat. Es herrscht diese angenehme Unaufgeräumtheit, die ein Atelier nun mal ausmacht, es riecht nach frischer Farbe. Eigentlich merkt man ihm nichts an: Er sitzt nicht im Rollstuhl, er redet normal, mit der hibbeligen Art eines Künstlers, der so viele Ideen im Kopf hat, dass ihm manchmal die Worte fehlen. Veldhuis ist gebürtiger Holländer, und Holländern hört man gern zu, mit diesem flapsigen Akzent, der wie bei weiland Rudi Carrell diese schnodderige Liebenswürdigkeit besitzt. Wie Veldhuis seine Geschichte erzählt, würde man eigentlich am liebsten mit ihm lachen. Witzig ist das Ganze jedoch nicht.

"Irgendwann kam der Hunger nach Leben zurück"

Dabei sei der Februar des letzten Jahres überhaupt verflucht gewesen: Veldhuis wurde sein Atelier gekündigt, die Beziehung ging in die Brüche, zu viele Zigaretten, zu wenig Schlaf – und dann auf einmal dieses komische Gefühl, das sich bis in den Kopf zog. Er habe gerade telefoniert, als er zusammensackte, mit letzter Kraft konnte er noch einen Notarzt rufen, der ihn ins Josefs-Krankenhaus brachte. Zwei Wochen blieb er im Krankenhaus, dann ging es sechs Wochen zur Reha. Danach flüchtete er nach Holland, in die Heimat, in die Ruhe. Mittlerweile ist er wieder in Potsdam: „Irgendwann kam der Hunger nach Leben wieder zurück.“

Das Schlimmste sei die Ungewissheit gewesen, erzählt Veldhuis. Dabei hatte er noch Glück im Unglück – eine Mischung aus Stress und Pech, wie ihm ein Neurologe erklärte. Da die linke Gehirnhälfte betroffen war, kann er die rechte Hand noch benutzen, außerdem kann er sprechen. Seine Sehstärke sei noch eingeschränkt, aber Farben erkennt er noch. Das war zunächst anders: „Am Anfang dachte ich, ich werde blind – und ich war einfach nur überglücklich, als das zurückging.“ Der Gehstock des Malers steht jetzt als Utensil im Atelier herum, zum Laufen benötigt er ihn nicht mehr. Für jemanden, der immer sehr sportlich gewesen sei, ist das Schuhezubinden jetzt die große Aufgabe. Und seit anderthalb Jahren raucht er nicht mehr: „Ich kann das nicht mal mehr riechen“, sagt der Künstler grinsend. Dafür sei er jetzt ausgesprochen wetterfühlig geworden.

Neue Projekte für Veldhuis

Mittlerweile hat Veldhuis wieder neue Projekte und neue Ideen, er malt wieder, wenn auch kleinformatiger. Und er frönt einem Sarkasmus: Ironie helfe ihm dabei, mit seiner Situation am besten klarzukommen. Überhaupt sei seine Vorliebe für das Makabre ein seltsamer Vorbote gewesen, findet Veldhuis: 2013 inszenierte er sich selbst für eine Fotoserie als Toter in einer Landschaft, ohne Kopf. 150 Fotos entstanden so. „Back To Nature“ hieß das Projekt, das so erfolgreich war, dass es weltweit kopiert wurde – jetzt ärgert sich der Künstler, dass er die Bilder so bedenkenlos verbreitet habe. Es gab auch Kurzfilme, bei der Kunstmesse „Art Brandenburg“ lag er auf dem Flur als lebendes Kunstwerk. Die letzten Installationen wurden erst eine Woche vor dem Schlaganfall gemacht. Jetzt werde es eine Renaissance geben: Für die Fortsetzung von „Back To Nature“ hat er die Berliner Fotografin Sandra Bergemann gewonnen: „Es ist das erste Mal, dass ich Ideen liefere, die andere umsetzen.“

Und immer wieder sitzt er in seinem Atelier, letztens hat er ein Selbstporträt mit halbem Schädel gemalt, außerdem eine Serie, die er „Memories Of My Left Hand“ genannt hat. Mit rechts könne er malen, auch wenn da eine Bremse drauf sei, wie er sagt. Aber allzu viel geht sowieso erst mal nicht: „Ich flüstere jetzt, ich brauche nicht mehr schreien“, sagt er.

Von Van Gogh angetan

Veldhuis hat jetzt eine neue Aufgabe gefunden: Jeden Freitag ab 17 Uhr gibt er einen offenen Zeichenkurs im Sekiz in der Hermann-Elflein-Straße, meistens seien die Teilnehmer jedoch draußen unterwegs, das Wetter ist gut und die Stadt sei voller Motive. Er muss jetzt Geduld haben, benötigt Ruhe, um Kraft zu bekommen. Auch sein Zeichenstil habe sich verändert, er male jetzt nicht mehr so expressionistisch, sondern abstrakter. Er würde gern das „Gelbe Haus“ von Vincent van Gogh im Innenhof des Rechenzentrums nachbauen, da gibt es schon Pläne. Van Gogh hat es ihm sowieso angetan: Auf den Bildern im Atelier findet sich van Gogh immer wieder, mal mit einem Raben, mal auf einem Mähdrescher.

„Was wäre, wenn ich nicht mehr wäre?“ Diese Frage stellt sich Veldhuis schon ab und zu. Aber er ist ja noch da: „Ich komme zurück, klar“, sagt er. „Ich habe keinen Bock, noch mal umzukippen.“ Außerdem hat er ja noch so viel vor, er will von der Kunst leben, was ja schon recht gut geklappt habe, bevor die Wirtschaftskrise die Leute davon abhielt, in Kunst zu investieren. „Ich bin vielleicht ein bisschen naiv, aber ich glaube daran“, sagt Veldhuis mit fester Stimme. Demnächst möchte er auch wieder etwas ausstellen, eine Werkschau soll es aber auf keinen Fall werden. „Ich möchte auf keinen Fall eine Retrospektive haben, dafür bin ich doch noch zu jung!“, sagt der Künstler und lacht. Und man muss einfach mitlachen.

Offener Zeichenkurs mit Menno Veldhuis immer freitags ab 17 Uhr.

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Oliver Dietrich

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