Interview mit dem Potsdamer Linke-Chef: „Warum hat die Linke in Potsdam so stark verloren?“
Linke-Kreischef Stefan Wollenberg spricht im PNN-Interview über das schlechte Wahlergebnis und mögliche Bündnisse im Stadtparlament.
Herr Wollenberg, die Linke ist der große Verlierer der Kommunalwahl, die Partei stellt erstmals seit gut 20 Jahren nicht mehr die stärkste Fraktion. Woran lag es?
Dafür gibt es nicht die eine konkrete Ursache. Wir sind in einem Prozess, das zu analysieren, der sicher noch die nächsten Tage andauern wird. Das Ergebnis ist für uns alles andere als erfreulich. Bei der absoluten Stimmenzahl zeigt sich zwar, dass wir nur knapp 900 Stimmen verloren haben im Vergleich zu 2014 – aber in dem Zeitraum ist die Bevölkerung auch rapide angestiegen und es gibt heute eine andere Zusammensetzung der Bevölkerung. Was sicher auch eine Rolle spielte: In unseren traditionellen Hochburgen, den Plattenbaugebieten südlich der Havel, gab es eine vergleichsweise niedrige Wahlbeteiligung. Die war dort schon immer niedriger, aber die Spreizung ist diesmal extrem: In einzelnen Wahllokalen lag die Wahlbeteiligung bei nur 35 Prozent – jenseits der Havel waren es doppelt so viel. Das wirkt sich in der Summe auch aus.
Wieso war von der Linken so wenig im Wahlkampf zu hören?
Ich finde gar nicht, dass man die Linke wenig gehört hat. Es war allgemein kein sehr kontroverser oder heftiger Wahlkampf. Das liegt vielleicht daran, dass es bei wichtigen Themen wie Wohnen, Klima oder Verkehr eine recht breite Schnittmenge bei den Parteien gibt und der große Knalleffekt ausblieb. Darum wirkt es, als wäre es ruhig gewesen.
Ihr Parteikollege Sascha Krämer sieht auch parteiinternen Streit bei Verkehrsthemen – Stichwort Havelspange – als einen Grund für das Abschneiden. Welche Veränderungen sind aus Ihrer Sicht nötig?
Ich habe vor der Wahl meine Position zu dieser Schlüsselfrage formuliert und dazu stehe ich auch: Ich glaube, die Havelspange ist nicht die Lösung der Potsdamer Verkehrsprobleme. Ob das jetzt beim Ergebnis eine Rolle spielte, da bin ich nicht sicher. Ich glaube, dass die bei der Europawahl zentrale Frage des Klimaschutzes auch ein Stück weit nach Potsdam durchgeschlagen hat. Das gute Ergebnis der Grünen lässt sich meines Erachtens allein aus der Potsdamer Lokalpolitik nicht erklären. Ich denke, dass es ein Manko der Linken war, dass wir es nicht ausreichend verstanden haben, die Klimafrage mit der sozialen Frage zu verbinden. Aus unserer Sicht geht das eine nicht ohne das andere.
Die mit Abstand meisten Stimmen – 7721 – hat Hans-Jürgen Scharfenberg geholt, ein Politiker, der für die ältere Generation der Partei bis hin zur SED-Vergangenheit steht. Wird er wieder Fraktionschef?
Das wird die neue Fraktion entscheiden und dem möchte ich nicht vorgreifen.
Rechnerisch hätte Rot-Rot-Grün eine komfortable Mehrheit im Stadtparlament. Stehen Sie für ein solches Bündnis zur Verfügung?
Wir haben immer dafür plädiert, dass Kommunalpolitik zuerst Sachpolitik ist und wir uns zu inhaltlichen Themen verständigen. Für solche Schnittmengen mit anderen Parteien sind wir im Interesse der Sache offen. Ich glaube auch, dass jede wie auch immer geartete Konstellation offen sein muss, sachbezogene Hinweise von außerhalb aufzunehmen.
Also das System wechselnder Mehrheiten?
Ich halte nichts von starren Konstellationsformen wie in der Landes- oder Bundespolitik. In der Lokalpolitik muss sich jede Konstellation auch von anderen Impulsen produktiv treiben lassen. Fest steht aber auch: Mit Linke, SPD, Grünen und die Andere gibt es in der Stadtverordnetenversammlung ein großes linkes Lager von nahezu 70 Prozent. Ich denke, dass man dieses sehr klare Votum der Potsdamer Bürger in konkrete Politik umsetzen muss. Das ist unsere Verantwortung.
Das Interview führte Jana Haase.