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Potsdam: Vor der ersten Herausforderung

Ihre ersten hundert Tage hat die neue Potsdamer Rathauskooperation hinter sich – mit den anstehenden Haushaltsverhandlungen steht das Bündnis vor seiner ersten Bewährungsprobe

Etwas mehr als 100 Tage nach ihrem Zustandekommen stehen die Partner der Potsdamer Rathauskooperation vor ersten Belastungsproben. Am heutigen Montag sollen strittige Fragen bei einer gemeinsamen Runde von SPD, CDU/ANW, Grünen und Potsdamer Demokraten/Freien Wählern debattiert werden – es geht um das 160-Millionen-Paket für neue Schulen, um Entlastungen für Familien und die ungeklärte Frage, wie Firmen aus dem Gründerzentrum „Go:In“ im Ortsteil Golm gehalten werden können, statt nach Berlin abzuwandern. Das Treffen kann dabei als Vorgeschmack auf die anstehenden schwierigen Verhandlungen zum Doppelhaushalt 2015/2016 gelten.

SCHULNEUBAU

So setzt die CDU auf das verstärkte Engagement privater Investoren beim Bau der Schulen – um so den städtischen Haushalt zu entlasten. Zu solchen Fragen hat die Union nach PNN-Informationen ihren Partnern eine Vorschlagsliste geschickt: So fordert sie Verhandlungen mit der Arbeiterwohlfahrt, ob diese nicht die geplante Grundschule in Bornim bauen könnte – die Stadt müsste diese dann anmieten. Die Schule soll 12 Millionen Euro kosten – diese und andere Investitionen könne die Stadt nach CDU-Lesart sparen, würde man weitere Investoren finden. Solche sogenannten ÖPP-Modelle sieht die SPD skeptisch und zweifelt an deren Wirtschaftlichkeit – auch unter Verweis auf negative Erfahrungen anderer Kommunen. Doch die CDU pocht darauf, die Modelle zumindest durchzurechnen. „Ich beziehe mich hierbei auch auf unsere Kooperationsvereinbarung, in der wir uns darauf geeinigt hatten, mögliche Alternativen zu prüfen“, schrieb CDU-Fraktionschef Matthias Finken zuletzt an seine Partner.

STEUERERHÖHUNGEN – JA ODER NEIN?

Der Union geht es dabei darum, nach der Erhöhung der Grund- und der Einführung der Bettensteuer in diesem Jahr – die die CDU ablehnten – nicht noch weitere Abgaben anzuheben. Genau dies hat zum Beispiel Finanzdezernent Burkhard Exner (SPD) mehrfach ins Spiel gebracht. Denn Potsdam hat trotz positiver Haushaltsabschlüsse in den vergangenen Jahren in absehbarer Zeit ein Finanzierungsproblem: Die ausdrücklich für Investitionen vorgesehenen Zuschüsse des Landes für die Stadt sinken in den kommenden Jahren auf null – obwohl die Stadt wächst. Daher muss Potsdam nach der Lesart von Exner selbst Gewinne machen. Die Kooperation hat sich verpflichtet, spätestens 2017 einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen und danach Überschüsse zu erwirtschaften. Damit sollen neue Schulen und anstehende Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur – etwa die Verlängerung der Straßenbahn an den Jungfernsee – finanziert werden. Konkret: Aktuell zahlt die Stadt für Kredite und den Betrieb ihrer Schulen 25 Millionen Euro im Jahr, durch die neuen Schulen könnte diese Summe in den nächsten acht Jahren um rund 16 auf 41 Millionen Euro steigen. Ob dafür Steuererhöhungen nötig sind, soll Mitte nächsten Jahres entschieden werden.

WENIG SPIELRAUM FÜR AUSGABEN

Insofern ist wenig Platz für Extra-Ausgaben – doch die stehen an. Die Grünen etwa haben einen Antrag vorbereitet, dass die Stadt über ihre Technologie- und Gründerzentren GmbH bis Ende 2016 in Golm ein Gebäude zur dauerhaften Ansiedlung erfolgreicher Firmen des „Go:In“-Innovationszentrums errichten soll. Dort drohen mehrere Firmen nach Berlin abzuwandern, weil nicht mehr genügend Platz vorhanden ist. Wie über diese Frage entschieden wird, ist offen – zum „Go:In“ findet sich im Kooperationsvertrag keine Passage. Die Grünen argumentieren, solche Investitionen seien rentabel, zusätzliche Steuereinnahmen die Folge. Auch die SPD hat bereits Sympathie erkennen lassen. Doch hat sich die Kooperation bei zusätzlichen Ausgaben enge Grenzen gesetzt: Priorität haben laut Vertrag Bildung, Kinderbetreuung, Verkehr und Sport. Dorthin müsse verfügbares Geld fließen – vor der Schaffung neuer Zuschussposten.

DIE STIMMUNGSLAGE

Der Willen zur Einigung bei solchen Fragen scheint vorhanden: Die ersten 100 Tage hat sich das Bündnis stabil gezeigt. Parteiübergreifend gelobt wird dabei CDU-Fraktionschef Matthias Finken – nicht für jede inhaltliche Position des Pensionärs, aber für seinen Fleiß und seine Berechenbarkeit. Zudem kann SPD-Fraktionschef Mike Schubert bereits auf die Erfahrung der ersten Rathauskooperation zurückgreifen, die bis kurz vor der Kommunalwahl im Mai gerade in Haushaltsfragen für stabile Mehrheiten sorgte. Eine Ausnahme in der Harmonie: Die Grünen schossen quer bei den von der SPD geplanten Tarifen für Familien bei Mietnebenkosten wie Wasser und Energie. Sehr zum Ärger der Sozialdemokraten scheiterte das Vorhaben zunächst im Finanzausschuss an der Enthaltung von Grünen-Fraktionschef Peter Schüler. Fortsetzung im Stadtparlament folgt.

DIE SICHT DER OPPOSITION

Insofern gehen in der Opposition auch die Meinungen auseinander, ob die Kooperation angesichts der anstehenden Herausforderungen wirklich durchhält – und wie (siehe auch linke Spalte). Linke-Oppositionschef Hans-Jürgen Scharfenberg prognostiziert ein Scheitern – zu unterschiedlich sind aus seiner Sicht die Interessen der Partner. Anders denkt Wolfhard Kirsch vom Bürgerbündnis: „Der Wille zum Machterhalt ist groß.“ Ohnehin ist die Opposition nicht einig. So sagt Kirsch in Bezug auf die anstehenden Haushaltsverhandlungen: „Zur Finanzierung sind Einsparungen in Millionenhöhe notwendig, die bisher nicht konkret unterlegt worden sind.“ Auch der AfD-Fraktionsvorsitzende Lothar Wellmann wünscht sich mehr Anstrengungen zur Konsolidierung: „Die Schulden der Stadt sind zu hoch und eine schwere Hypothek für die Zukunft.“

Dagegen will sich Die Andere für mehr Basisförderung bei Kultur, Sozialem und Sport und für einen Nulltarif im öffentlichen Nahverkehr starkmachen. Oppositionschef Scharfenberg will unter anderem beschlossen wissen, dass die Stadt automatisch Kosten für höhere Löhne in den städtischen Kultureinrichtungen übernehmen soll. Dabei hat die Kooperation den Anstieg der Aufwendungen für freiwillige Aufgaben auf 1,8 Prozent pro Jahr gedeckelt – nach dieser Lesart könnte ein Tarifausgleich bei den Kulturträgern nicht höher ausfallen. Und zuletzt scheiterte die Linke mit allen kostensteigernden Anträgen an der Kooperation. Am 8. November treffen sich alle Fraktionen mit der Stadtverwaltung zu einer Haushaltsklausur – die Debatte dürfte lebhaft werden.

nbsp;Henri Kramer

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