Ausstellung im Bildungsforum: Von Brückenbauern, Kindern und Denkmalen
In seiner neuen Ausstellung „Wenn Menschen Brücken treffen“ wird der Kleinmachnower Fotograf Bernd Blumrich zum Geschichtenerzähler.
Potsdam - Der Titel lässt stolpern. „Wo Menschen Brücken treffen“. Fehlen da nicht Wörter? Wie ist das gemeint? Außerdem findet sich in der gesamten Ausstellung des Kleinmachnower Fotografen Bernd Blumrich, die am Samstag, 19. Januar 2019, in der Wissenschaftsetage im Potsdamer Bildungsforum eröffnet wird, nur eine Brücke, die Glienicker – menschenleer. Blumrich erklärt: In seiner Bilderauswahl geht es um metaphorische Brücken und Brückenbauer. Brücken, die keine Bauwerke sind, sondern im historischen oder gesellschaftlichen Kontext Verbindungen herstellten. Oder eben auch mal ungenutzt blieben – wie die Glienicker Brücke an jenem Tag.
Das Brückenthema zieht sich durch mehrere Jahrzehnte, von den 1980er Jahren bis heute. Die Brücke als zwischenmenschliches Bauteil findet sich in allen Gesellschaftsphasen. Und Blumrich ist ein feiner, gründlicher Beobachter, der entweder bewusst auf Bildsuche geht oder zufällige Szenen schnell einordnen kann und die wesentlichen Geschichten darin erkennt. Die können manchmal so umfassend sein, dass der Fotograf weit ausholen muss zum Erzählen. Von politischen Hintergründen, kuriosen Zufällen und Vorgängen am Rande. Blumrich recherchiert viel, ob Fakten oder Literarisches, und die Arbeit, die zu einem guten Bild führt, beginnt oft nicht erst in dem Moment der Aufnahme. Das Foto ist dann das Ergebnis eines langen Prozesses.
Wie bei dem Bild „Remembrance Day“ von 1982. An einem Denkmal stehen ein Pfarrer und ein Mann in Uniform, drumherum viele Menschen mit vielen Kindern. Eine ungewöhnliche Zusammenstellung. Was ist da los?
Blumrich war auf dem Stahnsdorfer Südwestkirchhof und fotografierte den Remembrance Day, den Tag im November, an dem die Commonwealth-Länder ihrer Kriegstoten gedenken. Jedes Jahr trafen sich, auch zu DDR-Zeiten, an diesem Tag Vertreter der britischen Militärmission, Offiziere, Botschafter und hochrangige Gäste am Denkmal auf dem Soldatenfriedhof. Sie kamen mit ihren beeindruckenden Jeeps, ein Schotte spielte auf einem Dudelsack, sagt Blumrich. Es sei stets ein buntes, außergewöhnliches Schauspiel gewesen, das in die abgeschottete DDR einen Hauch Internationalität brachte. Ein Beleg dafür, dass da hinter der Mauer nicht Schluss und man hier nicht alleine war. Viele Besucher aus der Umgebung, aber auch von weiter her, wollten das mal erleben und dabei sein. Die Behörden allerdings wollten das verhindern und hatten im Jahr, bevor das Foto entstand, den Friedhof abgeriegelt. 1982 waren die Menschen vorbereitet. „Sie kamen alle bereits Stunden vorher auf den Friedhof, der ja ein öffentlicher Ort war, und trafen sich hier zu Familienspaziergängen“, sagt Blumrich. „Deshalb die vielen Kinder im Bild: Als Pfand, als Schutzschild – oder eben als Brücke, die ihnen allen etwas ermöglichte.“ Blumrichs Geschichte löst die scheinbare Unstimmigkeit auf. Militärpfarrer, Offizier, Kinder fügen sich zu einem einzigartigen Sinn. Die Kinder sind heute längst erwachsen – eine Brücke in die Gegenwart.
Ein weiteres Bild zeigt eine Friedhofsszene in Kleinmachnow. Auf dem Weg zu einem Begräbnis marschiert eine Ehrenformation der NVA an Gräbern gefallener deutscher Soldaten vorbei: Ein damals ungewöhnliches und mutiges Gedenken auch jener Toten, an die in der DDR sonst kaum erinnert wurde, sagt Blumrich. Ganz anders ein Schwarz-Weiß-Bild, das im Sommer 2000 in Ungarn entstand: Ein Junge mit Rollerskates an den Füßen ruht sich aus. Er sitzt auf einem Denkmal für gefallene Soldaten. Was pietätlos scheint, wirkt poetisch. Der Junge strahlt Ruhe aus und legt in diesem Moment seinen Arm beinahe zärtlich auf den Stahlhelm des liegenden Körpers. Eine unbewusste Geste, die nahelegt, dass hier die Erinnerung zum Leben gehört. Das Heldendenkmal als Brücke zwischen Vergangenheit und Moderne, Jugend damals und Jugend heute. „Mich interessiert, wie eine Gesellschaft mit ihren Denkmalen umgeht“, sagt Blumrich.
Das Brückenthema taucht in den 14 großformatigen Bildern auch als Zeitmetapher auf. 1995 fotografiert er den verhüllten Reichstag, ein Kunstwerk, zeitlich begrenzt, unbesitzbar. Davor die Schuhe einer Frau, schemenhaft, der Körper in der Langzeitbelichtung verschwunden, seinen Weg gegangen. Die Brücke – ein Übergang. Ein Weitergehen. Blumrich zeigt einen 1991 entstandenen Schnappschuss vom Berliner S-Bahnhof „Unter den Linden“, heute „Brandenburger Tor“, der bis 1990 gesperrt war, ein sogenannter Geisterbahnhof. Die Kamera schaut eine Treppe hinauf. Handlauf, S-Bahn-Schild und das moderne würfelartige Gebäude oben auf der Straße zeigen klassische Architekturfotografie, ein schmeichelnder grafischer Bausatz. Der Wolkenhimmel und der wartende Mann mit Hut und Mantel bringen surreales Leben ins Bild.
Wieder anders das Bild „Lebensbrücken“: Eine Frau, die ihre gerade geborenen Zwillinge auf dem Bauch umfangen hält, der Moment auf der Brücke vom Loslassen hin zum eigenen Sein. Dazu kommen Motive aus der Wendezeit, Brüche und Brücken, und Egon Bahr mit Pfeife in Cecilienhof. Nicht nur für Blumrich war der SPD-Mann ein Brückenbauer zwischen beiden deutschen Staaten.
» Eröffnung am Samstag um 12.15 Uhr in der Wissenschaftsetage im Bildungsforum
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