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Mit Pantomime. Bruno (r.) übt mit Ahmad (l.) und Amamadin.
© Bernd Settnik/dpa

Flüchtlinge in Potsdam: Von Autonamen bis Pizza

In der Potsdamer Bibliothek lernen Flüchtlinge Deutsch. Der Lernwille ist stark ausgeprägt.

Der 19-jährige Ahmad korrigiert seinen Vater: Aus seiner Sicht spricht der 54 Jahre alte Amamadin einige deutsche Wörter aus dem Übungsbuch nicht richtig aus. Während der Junge Monatsnamen und Automarken flüssig herunterrasselt, stockt der Ältere an manchen Stellen und schaut sich hilfesuchend um. „Pizza“, sagt er aber triumphierend. Vater und Sohn sind beide aus Afghanistan geflohen, seit drei Monaten in Brandenburg und wollen so schnell wie möglich die deutsche Sprache lernen. In die Potsdamer Stadt- und Landesbibliothek kommen sie zwei- bis dreimal die Woche nachmittags in eine Lernwerkstatt. Knapp 60 Ehrenamtliche aus Potsdam und Umgebung helfen Flüchtlingen beim Lesen und Schreiben oder beantworten Fragen zum unbekannten Alltag in der neuen Heimat.

In Brandenburg leben etwa 26 000 Flüchtlinge und Asylbewerber. Wie viele von ihnen die etwa 150 märkischen Bibliotheken nutzen, wird nicht erfasst. „Die öffentlichen Einrichtungen mit ihren Angeboten werden aber zunehmend angenommen“, sagt Cornelia Stabrodt, Direktorin der Fouqué-Bibliothek in Brandenburg/Havel und stellvertretende Vorsitzende des Brandenburger Bibliotheksverbandes. In der Potsdamer Bibliothek sind 4000 Asylbewerber eingetragen. Neuankömmlinge zieht es natürlich nicht gleich in eine Bibliothek. „Erst einmal müssen die Grundbedürfnisse geklärt werden, wie Unterkunft, Essen oder Kleidung“, sagt Stabrodt. „Aber dann geht es um Bildung.“ Viele Ausländer werden vom kostenlosen Internet oder Computer-Arbeitsplätzen angelockt – auch um Kontakt mit der Heimat zu halten. Die öffentlichen Bibliotheken verfügen meist über Wörterbücher, aber auch über fremdsprachige Literatur – vor allem für Kinder. „Zurzeit werden die Anschaffungen für den Deutschunterricht aus laufenden Etats finanziert“, sagt Stabrodt. „Da müssen wir kreativ sein.“ Geplant ist nach ihren Angaben der Kauf von 21 Bücherkisten mit zweisprachigen Unterrichtsmaterialien zum Deutschlernen. Damit wollen Bibliotheksmitarbeiter direkt in den Unterkünften für den Besuch ihrer Einrichtungen werben. Die Nutzung ist meist kostenlos.

In die Potsdamer Bibliothek kommen zur Lernwerkstatt Flüchtlinge aus Afghanistan, Pakistan, Somalia und Nigeria, wie Direktorin Marion Mattekat sagt. 1700 zweisprachige Bücher stehen für sie zum Lernen bereit: unter anderem auf Arabisch, Albanisch, Türkisch, Englisch oder Russisch. „Wegen der starken Nachfrage dürfen einige nur vor Ort genutzt werden“, sagt sie. Über eine private Stiftung können weitere Titel angeschafft werden. „Die Nachfrage für Bücher zur beruflichen Bildung oder Ratgeber zu Gesundheits- und Rechtsfragen ist besonders groß“, betont Mattekat.

Die afghanischen Schüler üben seit einer Stunde in der Bibliothek. Ihr ehrenamtlicher Lehrer – der 67-jährige Bruno – lässt den 19 Jahre alten Ali akribisch Zeile für Zeile deutsche Buchstaben in ein Schulheft schreiben. Zwischendurch stockt der Bleistift immer wieder, der eine oder andere Buchstabe wird krakelig. „Ich weiß, in deiner Muttersprache Farsi geht das ganz fix“, lobt Bruno zwischendurch. Er fordert den jungen Mann auf, etwas über sich zu erzählen.

„Ich war Mechaniker und Barbier“, berichtet er recht flüssig in der neuen Sprache. „Barbier will ich wieder machen“, sagt er und zeigt auf den Haarschnitt seines gleichaltrigen Freundes Reza. „Das habe ich gemacht.“ (dpa)

Kontakt zur Lernwerkstatt in der SLB per Mail an: slb@bibliothek.potsdam.de oder unter Tel.: (0331) 289 6401.

Gudrun Janicke

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