Neujahrsempfang der Universität Potsdam: Vom schweren Erbe zur Integration
Neujahrsempfang der Universität Potsdam: Der Blick zurück in 25 Jahre Geschichte soll den Sprung in die Zukunft erleichtern
Griebnitzsee - Wenn die Universität Potsdam heute 25 Jahre nach ihrer Gründung kritisch auf ihre Anfangsphase blickt, hat das auch eine gewisse Brisanz. Denn unter den rund 1650 festangestellten Mitarbeitern der Hochschule sind auch heute noch mehrere Hundert von den ehemaligen drei DDR-Hochschulen, aus denen die Hochschule 1991 hervorgegangen war. Uni-Historiker Manfred Görtemaker legte den Finger in seiner Rede zum Neujahrsempfang Hochschule am Donnerstagabend in diese Wunde. Er sagte, dass eine personelle Erneuerung seinerzeit gar nicht stattfand. Fast die komplette Verwaltung und der wissenschaftliche Mittelbau ging damals aus der ehemaligen Pädagogischen Hochschule, der Akademie für Staat und Rechtswissenschaft und – im nichtwissenschaftlichen Bereich – aus der Golmer Stasi-Hochschule hervor. Folge davon sei eine fehlende wissenschaftliche Fluktuation gewesen, eine Lähmung, so Görtemaker vor rund 450 Gästen.
Nicht die damals ausgebliebene Stasi-Überprüfung, die Görtemaker persönlich 1994 noch einmal auf den Tisch brachte, war das Problem. Natürlich schlüpfte trotz erfolgter Überprüfung manch einer durch die Maschen. 2011 waren laut Wissenschaftsministerium noch zehn ehemalige Stasi-Mitarbeiter im Uni-Dienst, davon ein hauptamtlicher in einer wichtigen Position. Insgesamt waren seit 1994 an der Uni 122 Stasi-Fälle bekannt geworden. Doch der Schuh drückte noch woanders. Von den knapp 1200 Uni-Mitarbeitern kamen 1994 rund 1000 von den ehemaligen DDR-Hochschulen. Und auch wenn unter denen einige Querdenker und Regimekritiker waren – die meisten hatten doch im und mit dem DDR-System Karriere gemacht.
Dass die Uni eine „Umgründung“ war, sei ein schwere Hypothek gewesen, sagte Görtemaker: „kein leichtes Erbe“. Denn die fachliche Eignung wurde seinerzeit, was die wissenschaftlichen Mitarbeiter betraf, pauschal festgestellt. „Die Evaluierung der Mitarbeiter auf Qualifikation wurde komplett verschenkt“, so der Historiker. Auf Fragebögen konnte jeder selbst über seine Qualifikation befinden. „Natürlich waren dann alle geeignet.“ Hinzu kam, dass die übernommenen Mitarbeiter zum Großteil unbefristete Verträge mitbrachten. Die Folge sei gerade für die Forschung eine langfristige wissenschaftliche Blockade gewesen. Görtemaker wählte drastische Worte: „Eine Universität ist keine soziale Einrichtung und keine akademisch getarnte Landesversorgungsanstalt.“ Letztlich konnte die Kompetenz-Lücke erst durch die fast 40 außeruniversitären Institute gefüllt werden, die damals um die Uni herum entstanden.
Uni-Präsident Oliver Günther, der die Aufarbeitung zum 25. Jubiläum ins Rollen gebracht hat, will aber auch differenzieren. Man dürfe nicht alle Kollegen über einen Kamm scheren: „Viele von den übernommenen Mitarbeitern machen eine hervorragende Arbeit, die sind nicht stehen geblieben, sie hatten den Neubeginn damals als Chance für sich selbst begriffen“, sagte er am Vormittag vor der Presse. „Das ist die Vielfalt, mit der wir hier arbeiten.“ Letztlich positiv verlaufen sei schließlich das Zusammenwachsen von Ost und West an der Hochschule. Görtemaker bewertet dies als integrativen Prozess: „Nicht immer einfach, aber letztlich erfolgreich.“
Uni-Präsident Günther wollte keine „schwarze Kiste“ mit unliebsamen Geschichten im Haus haben. Der Weg zu einer forschungsorientierten Universität mit Blick auf den Exzellenzwettbewerb könne nur gelingen, wenn man mit der Vergangenheit aufräume. Die Kiste müsse geöffnet werden, um frei von Belastungen weiter zu kommen. Daher werde man im Jubiläumsjahr auch die Geschichte der einzelnen Standorte aufarbeiten und öffentlich machen. Hier hat Günther offensichtlich das nötige Fingerspitzengefühl, das seiner Vorgängerin Sabine Kunst fehlte, wie Görtemaker anmerkte.
In diesem Jahr wollte Günther zum Neujahrsempfang einmal nicht über das fehlende Geld lamentieren. Vielmehr komme nun tatsächlich auch etwas von den erhöhten Landesmitteln an der Uni an. Günther spricht von einer Trendwende, die Talsohle sei durchschritten. Der Uni-Chef blickt auf ein sehr erfolgreiches Jahr in der Forschung zurück – und sieht eine große Zukunft für die Region. Wenn man es denn nicht verspiele. Die Herausforderungen sind groß, so bringt beispielsweise der erweiterte Hochschulzugang heute 50 Prozent eines Jahrgangs an die Uni – vor 40 Jahren waren das noch unter 20 Prozent. So ist der Aufwand, diese sehr unterschiedlich gebildeten jungen Menschen auszubilden, stark gestiegen. Daher will die Uni bei ihren derzeit rund 20 000 Studierenden bleiben – um die Qualität in der Lehre halten zu können.
Die Phase der wissenschaftlichen Blockade immerhin ist endgültig überwunden. Vier DFG-Graduiertenkollegs hat die Uni im Vorjahr eingeworben, eine DFG-Forschungsgruppe, ein DFG-Schwerpunktprogramm, eine Lichtenberg-Professur und einen Max-Plack-Research-Award. „Ein Ausdruck der Leistungsstärke der Universität“, so Günther. Daran will er weiter arbeiten, wenn er 2017 wieder gewählt werden sollte. Spekulationen, dass er es auf den vakanten Posten im Wissenschaftsministerium abgesehen habe, schloss er vor der Presse aus. Er sei an der Potsdamer Universität sehr zufrieden und seine Strategie für das Haus gehe über fünf Jahre hinaus.
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