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Der Herr der Tiere. Detlef Knuth hat schon als Kind bei seinem imkernden Opa Respekt vor der Natur gelernt. Heute wird von Eltern zu wenig Allgemeinwissen vermittelt, findet er.
© Andreas Klaer

Potsdams Naturkundemuseums-Chef geht in Rente: Vom Krebs gezwickt

Detlef Knuth, Biologe, Pädagoge, Vogelkundler und Fischexperte, leitete 18 Jahre lang Potsdams Museum für Naturkunde. Heute wird er in den Ruhestand verabschiedet.

Potsdam -  Es gab Pressekonferenzen, aus denen gingen wir Journalisten ganz verzaubert nach Hause. Und begegneten auf dem Heimweg jedem Käfer, jedem Falter mit neuem Respekt. Weil Minuten zuvor Detlef Knuth von einer ganz besonderen Insektensammlung geschwärmt und den Lebenszyklus eines Schmetterlings in aller Gründlichkeit dargestellt hatte. Knuth konnte sich begeistern für die Spielereien der Natur. Besonders für alles, was fliegen kann, aber auch für das im Wasser. Dann fischte er im Aquarium schon mal eine Grundel heraus und ließ sie ein paar Sekunden lang für die Fotografen in seiner Hand zappeln.

Jetzt allerdings geht Detlef Knuth, 65 Jahre alt, in den Ruhestand. Der langjährige Direktor des Naturkundemuseums wird am heutigen Montag von Kollegen und der Stadt Potsdam verabschiedet – mit einem Kolloquium. Zunächst finden diverse Fachvorträge statt zu Naturschutz und Klimawandel in Brandenburg. Dann erst geht es ran ans Buffet. Das könnte eine Idee des scheidenden Leiters gewesen sein. Erst kommt die Arbeit. Erst die Natur. Dann alles andere. „Es geht ums Überleben der Menschheit“, sagt Knuth. Und das beginnt da, wo jeder Mensch steht und geht.

Knuth: "Das Allgemeinwissen über die Natur wird immer weniger"

Das Museum sieht Knuth als wichtigen Teil der Umweltbildung. Längst geht es nicht mehr, wie noch vor wenigen Jahrzehnten, darum, einfach zu zeigen, was man sonst nicht sieht – fremde Welten, Pflanzen und Tiere. Im Potsdamer Museum geht es um das, was in Mitteldeutschland kreucht und fleucht und um die kleinen und großen Zusammenhänge. Wie sich die Umwelt verändert und welche Rolle dabei der Mensch und die Globalisierung spielen. „Das Interesse daran ist ja vorhanden. Aber das Allgemeinwissen über die Natur, was man von zu Hause so mitbekommt, das wird immer weniger“, sagt Knuth.

Detlef Knuth hat viel von zu Hause mitbekommen. Er lebt in Brandenburg / Havel. Der Opa ist Imker, hat 120 Völker. Der junge Detlef geht mit zu den Bienen und hat keine Angst, die Tiere sitzen in seiner Hand und nie wird er gestochen. Überhaupt ist man damals noch viel draußen als Kind. Zum Beispiel beim Angeln in der Havel, die Hosenbeine hochgekrempelt und rein ins kalte Wasser. „Wir hatten keine Gummistiefel.“ Was er essen will vom Fang, muss er selber ausnehmen, die Mutter macht das nicht so gerne.

Dann lernt er Stahlwerker, Berufsausbildung mit Abitur, Knuth kann anpacken und in der Industriestadt liegt diese Ausbildung nahe. Anschließend studiert er an der Pädagogischen Hochschule Potsdam Biologie auf Lehramt. Dort ist der ornithologische Bereich sehr groß, Knuth verschlägt es in die Wasservogelforschung, zur Gänseforschungsstrecke. Oft fahren sie raus an den Gülper See, nahe der heutigen Landesgrenze zu Sachsen-Anhalt, wo im Herbst Tausende Wildgänse rasten. Die Studenten wollen wissen, was die so fressen, ob sie für die Landwirtschaft wirklich so schädlich sind wie angenommen. Um die Gänse zu fangen, legen sie sogenannte Kanonennetze am Ufer aus, die dann mit der Kraft von Sprengsätzen losfliegen und über die Vögel geschleudert werden. Das Schwierigste ist es, Schießpulver zu besorgen. Etwas zu besorgen, was es sonst nicht gibt, damit wird Knuth später auch im Museum konfrontiert.

1979 fängt er im Bezirksmuseum für Natur, Geschichte und Kunst an

Zunächst wird Knuth Lehrer für Biologie in Fahrland, aber dann gründet er eine Familie, es kommen Kinder und Knuth zieht es rein in die Stadt, dichter an den Arbeitsplatz seiner Frau. Nach langem Hin und Her – die DDR-Bürokratie bietet kaum Spielraum für persönliche Wünsche bezüglich des Arbeitsortes und schon gar nicht für aufmüpfige Lehrer, die mit einem Ausreiseantrag drohen – kann er in Potsdam im Museum anfangen. Am 16. April 1979 beginnt Knuths Arbeitsvertrag mit dem Bezirksmuseum für Natur, Geschichte und Kunst. In den kommenden Jahren werden die Abteilungen Kunst und Geschichte ausgelagert, die Natur bleibt in der Breiten Straße. 1980 wird in großem Maße saniert und umgebaut.

Trotzdem wird es nach der Wende noch einmal knapp, das Haus trägt sich nicht und die Stadt erwägt die Schließung. Knuth, seit 1997 kommissarischer und seit 1998 gewählter Museumsleiter, initiiert einen Stadtverordnetenantrag auf Erhaltung des Hauses. 1999 gibt es den offiziellen Beschluss dazu, das Museum soll bleiben. 25 000 Besucher kommen jedes Jahr. Unter ihnen sind viele Kinder, viele Kitagruppen und Schulklassen, mit den Jahren werden immer mehr besondere Themenführungen und Veranstaltungsreihen für Kinder und Erwachsene angeboten. Museumspädagogik ist wichtig. Neben dem Ausstellungsbereich schafft es Knuth zudem, die Forschung weiter zu betreiben. Im Nachbarhaus befinden sich Arbeitsräume der Mitarbeiter, hier wird auch schon mal ein Brandenburger Wolf aufbereitet.

Das Besondere an dem Potsdamer Museum sind die Aquarien. Nicht mit exotischen Fischen, sondern dem, was Brandenburg zu bieten hat. Kaltwasseraquaristik ist kompliziert, im Sommer muss man Räume und Becken kühlen und im Winter ebenfalls, damit die Tiere ihre natürliche Winterruhe erleben können. Am Anfang stehen aber ganz andere Hürden.

Scheiben für die Aquarien aus dem Westen

„In der DDR gab es keine Firma, die so große Scheiben aus Sicherheitsglas herstellen konnte“, sagt Knuth. Das Museum muss einen Antrag auf Westimport stellen. Unterstützung bekommt es von höchster Stelle – vom Berliner Tierparkdirektor Heinrich Dathe. Der schreibt 1977 eine „Stellungnahme“ zu den wagemutigen Plänen. Diese seien „außerordentlich zu loben“, denn es gäbe in der DDR sonst kein derartiges Schauaquarium, das Süßwasserorganismen zeigt. „Ich glaube auch, dass der Standpunkt in Potsdam mit seinen großen Touristenmengen besonders günstig wäre.“ Vier Jahre später ist es soweit, 1981 wird geliefert. Knuth erinnert sich: „Wir holten uns Kraftsportler für den Transport und Einbau, die Scheiben wogen zum Teil 200 Kilogramm.“ Die Firma, die den Berliner Fernsehturm verglast hat, setzt die Aquarien fachgerecht zusammen.

Die Fische und anderen Wassertiere holen sich die Museumsmitarbeiter oft direkt aus der Natur. Da muss man auch mal beherzt in ein Schlammloch greifen und aushalten können, dass man von einem Krebs gezwickt wird, sagt Knuth.

Das Hobby zum Beruf gemacht

Nach der Wende nutzt der Biologe die neuen Reisemöglichkeiten, schaut sich den Regenwald in Südamerika an und wandert im Himalaja. Aber es zieht ihn auch immer wieder raus ins Brandenburgische. Ein Jahr lässt er sich freistellen, um intensiv Gewässerforschung an den Flüssen und Seen betreiben zu können. „Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht“, sagt Knuth, das sei ein Glück. Jetzt übergibt er die Museumsgeschäfte erst einmal an seinen kommissarischen Nachfolger Jobst Fender.

Detlef Knuth wird sich erstmal Zeit nehmen, um sich von einer schweren Erkrankung zu erholen. Er hofft, dass sich das Museum weiterentwickelt. Es braucht mehr Platz und Knuth würde sich freuen, wenn es eines Tages einen Erweiterungs- oder Neubau in der Breiten Straße geben könnte. Die Biosphäre als Museumsquartier sieht er kritisch. „Wenn man das möchte, dann muss man so viel investieren, dass es klimatechnisch passt und ein modernes, ansprechendes Museum wird. Da kann man dann nicht noch Sportvereine und Jugendklubs reinstopfen“, sagt Knuth. „Aber Museum und ein Café – das würde gut zusammenpassen.“

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