Nach dem Finaleklat des SV Babelsberg 03: Urteil gegen den Sport
Mit dem Ausschluss des SV Babelsberg 03 aus dem Landespokal-Wettbewerb in der Saison 2018/19 agiert der Brandenburger Verband hilflos, findet PNN-Autor Peter Könnicke. Die Strafe sei Kapitulation. Ein Kommentar.
Es ist ein Urteil gegen den Sport! Mit dem Ausschluss des SV Babelsberg 03 aus dem Wettbewerb um den Fußball-Landespokal in der kommenden Saison meint das Sportgericht des Fußball-Landesverbandes Brandenburg (FLB), eine angemessene Strafe gefunden zu haben. Ja, es ist ohne Zweifel eine immense Herausforderung für ein ehrenamtliches Sportgericht, herauszufinden, wie das katastrophale Verhalten einiger Babelsberger Chaoten während des Pokalfinales vom 21. Mai zu bestrafen ist. Vermummte hatten nach dem 0:1 gegen den FC Energie Cottbus zahlreiche Knallkörper und Nebeltöpfe aufs Spielfeld sowie in Richtung des Cottbus- Blocks geworfen und damit die Siegerehrung verhindert. Doch wenn Sportfunktionäre auf keine andere Idee kommen, als den Sport zu verbieten, drückt das einen hohen Grad an Hilflosigkeit aus.
So erschrocken viele damals in Babelsberg über die Vorfälle waren – die Funktionäre des Vereins, Spieler, Trainer und wahre Fans – so entsetzt sind diese jetzt über das Urteil des Verbandes: „Ich bin schockiert“, sagt SVB-Trainer Almedin Civa. „Wir sind mit uns selbst hart ins Gericht gegangen und arbeiten die Vorfälle noch immer auf“, so der 46-Jährige. „Aber die junge Mannschaft zu bestrafen?“ Civa, selten um die richtigen Worte verlegen, schüttelt den Kopf. „Das ist eiskalt“, sagt er.
Horlitz: "Jegliches Augenmaß verloren"
Für Nulldrei-Präsident Archibald Horlitz haben die märkischen Fußball-Richter „jegliches Augenmaß verloren“, sowohl bei finanzieller als auch bei sportlicher Betrachtung. Tatsächlich: Der Pokal-Ausschluss des SVB ist eine gewaltige Kollektivstrafe, wie sie der Deutsche Fußballbund ausdrücklich nicht mehr haben will. Doch werden hier die Mannschaft des SVB und seine Anhänger kollektiv ausgeschlossen. Auch bleibt kleineren Fußballvereinen, die im Pokal-Wettbewerb den SVB zugelost bekommen, die Attraktion eines Spiels gegen den Viertligisten verwehrt. Und es ist wirtschaftlich eine völlig überdimensionierte Sanktion. Denn zu den 4500 Euro, zu denen der SVB zusätzlich zum Wettbewerbsausschluss verurteilt wurde, werden sich finanzielle Ausfälle summieren. Nicht nur, dass zusätzliche Einnahmen durch die Trikotvermarktung verhindert werden. Kühn gerechnet können dem Kiezklub mehr als 100.000 Euro verloren gehen, die es für den Gewinn das Landespokals und den damit verbundenen Einzug in die erste Runde des DFB-Pokal gibt. Klar: Diese sportliche Qualifikation hätte der SVB erst leisten müssen, doch nimmt der Landesverband mit seinem Urteil dem Verein diese Möglichkeit von vornherein.
Problematisch ist das Urteil in seiner Härte auch deshalb, weil hier der Verband zum Richter über seine eigene Veranstaltung wird. Ja, der SVB war Ausrichter des Finaltages. Doch gleich mehrfach attestiert der FLB selbst in der Begründung seines harten Urteils dem Verein „vorbildliche Maßnahmen, um Sicherheit und Ordnung vor, während und nach dem Spiel zu gewährleisten“. Gleichfalls mehrfach heißt es im Urteilstext, dass dem Verein „kein Verschulden nachzuweisen war“. Gleichwohl sei das „Fehlverhalten der sogenannten Anhänger des SV Babelsberg 03 dem Verein zuzurechnen“, meinen die Sportrichter. Laut gängiger Sportgerichtsbarkeit ist das tatsächlich so, dass Vereine für das Verhalten ihrer Fans haften.
SVB möchte in die Berufung gehen
Doch selbst der scheidende Fußball-Landespräsident Siegfried Kirschen fragte unter dem Eindruck der Vorfälle im Karl-Liebknecht-Stadion: „Wie lange müssen wir uns das noch gefallen lassen?“ Beantworten können das keine Verantwortlichen in Verbänden und Vereinen, meinte er. „Sondern das müssen diejenigen, die in unserem Staat dafür die entsprechenden Rechte besitzen, sie leider aber nicht wahrnehmen.“ Es war ein Hilferuf des FLB-Präsidenten Kirschen, dessen Verband nun ein Urteil der Hilflosigkeit gefällt hat, während sich in der Politik inzwischen um eine differenziertere Betrachtung bemüht wird. So hat Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) nach seinem eigenen Erleben der Pyro-Ausschreitungen beim Pokalfinale auf Bundesebene die Initiative ergriffen, in deren Folge es eine Arbeitsgruppe mit Experten aus dem Bundesinnenministerium, der Justiz, des DFB und der Deutschen Fußball Liga geben soll, die über Maßnahmen gegen Gewalttäter in Fußballstadien berät.
Der SVB hat bereits angekündigt, gegen das Urteil in Berufung zu gehen – bis zum 23. Juli ist dafür Zeit. Der Verein ist gut beraten, die Vorfälle des Finaltages nicht zu verharmlosen, sondern weiterhin selbst die nötigen Konsequenzen zu ziehen. Und der Verein muss deutlich machen, dass ein Pokalausschluss eben nicht – wie vom Sportgericht erachtet – „die letzte Möglichkeit“ ist, vermeintlichen Fans die Möglichkeit zu nehmen, ihre Gewaltbereitschaft zu demonstrieren. Denn Fußball einfach nicht mehr stattfinden zu lassen, ist nichts weiter als Kapitulation.
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