"Gesundheitsbuddys" in Potsdam: Und hoch das Bein
Von wegen, Sport ist Mord. Ein bisschen Gymnastik ist gerade im hohen Alter wichtig. In Potsdam machen jetzt „Gesundheitsbuddys“ mit ihren Klienten Sport in deren Wohnzimmer.
Viel lieber würde Karl-Heinz März jetzt ein bisschen quatschen. Von früher, als er am Schlänitzsee geangelt hat. „Solche großen Fische!“ Doch jetzt ist Mittwochvormittag, Karl-Heinz März, 90 Jahre alt, und seine Frau Elfriede, vier Jahre jünger, bekommen Besuch von ihrem Gesundheitsbuddy Edith Hanke-Sturm. Sie ist schon 77 Jahre alt, aber noch richtig fit. Und geht jetzt ehrenamtlich zweimal in der Woche zum Ehepaar März nach Hause. Um mit ihnen ein wenig Gymnastik zu machen. „Frau Hanke ist in Ordnung“, sagt Frau März. „Wenn sie da ist, sind wir Frauen in der Überzahl.“ Soll heißen, es wird Sport gemacht.
Das Projekt „Gesundheitsbuddys“ des Vereins Selbstbewusst altern in Europa, der in Potsdam mit dem Projekt „Schickes Altern“ zusammenarbeitet, ist noch ganz neu. Erst 2014 wurde das Forschungsprojekt mit der Wiener Universität und dem Wiener Hilfswerk entwickelt. Es zeigte sich damals, dass sich mit wenig Aufwand in Sachen Mobilität und Lebensqualität der Senioren viel erreichen lässt. Nun gibt es die „Gesundheitsbuddys“ auch in Potsdam, bisher insgesamt 13, die sich seit Februar um 30 Nutzer, wie die Klienten genannt werden, kümmern. Zweimal pro Woche machen sie Hausbesuche bei den oft ans Haus gebundenen Senioren. Auch Frau und Herr März gehen nur noch selten raus, brauchen beide einen Rollator. Der Fitnesskurs könnte helfen, dass sie etwas sicherer auf den Beinen werden. Mit Hilfe der Robert-Bosch-Stiftung wird das Projekt bis Ende 2017 durchgeführt. Sechs Euro gibt es pro Einsatz Kostenerstattung für die ehrenamtlichen Trainer, für manche ein willkommenes kleines Zubrot zur Rente.
Die Trainer im Alter 60 plus meldeten sich auf eine Zeitungsanzeige hin, andere, wie Edith Hanke-Sturm, sind längst im Verein aktiv. „Der Sport tut auch mir gut“, sagt sie. Zuerst nahmen alle an einem 40-Stunden-Workshop teil, lernten die Übungen, aber auch den Umgang mit ihren künftigen Klienten, Kommunikationsstrategien, soziale Kompetenzen. „Manche der Klienten sind schon leicht dement, das ist dann nicht so ganz einfach“, sagt Projektleiterin Maria Träger von „Selbstbewusst altern“. Aber es sei so wichtig, was sie da tun. Es gehe ja nicht um Krafttraining. Es gehe darum, im Alltag ein wenig sicherer zu werden, um Sturzprophylaxe. Um sich vielleicht wieder zu trauen, Treppen zu steigen. Manchmal ist bereits der Besuch an sich Ansporn genug, sich aufzuraffen. „Das Trainingsprogramm ist gut gegen die Einsamkeit im Alter“, sagt Träger.
Die Märzens bekommen eher selten Besuch, von den beiden Töchtern mit Familie, Enkel und Urenkel, wohnt keiner in Potsdam. Für den Sport zieht sich Karl-Heinz März eine Jogginghose an. Im Wintergarten, vierte Etage mit Blick auf den Monopterus des Großen Waisenhauses, stehen drei Stühle, an denen sie sich festhalten. Für ein paar leichte Kniebeugen zum Anfang. „Mach einen spitzen Po, Karl-Heinz“, feuert Frau Hanke ihn an. Auf dem kleinen Tisch liegt ein Heft mit den Übungsanleitungen, wo Edith Hanke-Sturm immer nachschaut, was dran ist. Erwärmung, was für die Balance, Muskelspannung, Entspannung. Massage mit dem Igelball. Edith Hanke-Sturm macht alles vor, leitet an, korrigiert. Holt aus ihrem Korb Therabänder, Seile und Wurfsäckchen. Frau März hat sich vor einigen Tagen die Schulter verletzt, es tut noch weh, aber sie macht ehrgeizig mit. „Ich schaff das schon“, sagt sie. Obwohl sie noch Muskelkater vom letzten Mal hat. Sie zieht mit dem Oberschenkel das Gummiband in die Länge. Frau Hanke zählt die Sekunden zum Halten.
Wenn es genügend Interessenten auf beiden Seiten gibt, könnten bald neue Gesundheitsbuddys ausgebildet werden, sagt Träger. Es gebe bereits Anfragen aus Gemeinden im Umland, die an dem Programm teilnehmen wollen.
Die Märzens sind bis jetzt sehr zufrieden. In der Trinkpause – auf dem Wohnzimmertisch steht eine Karaffe mit Wasser – holt Karl-Heinz März ein Fotoalbum und erzählt von früher. „Ich war bei der Marine, vor Norwegen sollten wir den Amerikanern den Weg abschneiden“, sagt er. Seine Frau kennt die Geschichten schon, der Gesundheitsbuddy noch nicht. Dann findet er ein Foto seiner Frau, schwarz-weiß, sechs mal sechs Zentimeter. „Ach, was war sie schön, die Jugendzeit“, sagt er und streicht seiner Frau über den Rücken. Auch dafür muss Zeit sein. Und Edith Hanke-Sturm ist eine geduldige Trainerin.
Kontakt über www.schickes-altern.de, Tel.: (0331) 620 79 73
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