Techno statt Tischtennisplatte: Tresor-Gründer Dimitri Hegemann mischt die Uckermark auf
Dimitri Hegemann gründete 1991 den legendären "Tresor" in Berlin. Mit seiner Agentur "Happy Locals" will der Impresario nun Jugendclubs in Kleinstädten wie Schwedt in der Uckermark helfen.
Die Uckermark ist landschaftlich wunderschön. Doch das allein ist für die Jugendlichen, die dort aufwachsen, oft nicht genug. Zum Beispiel Schwedt an der Oder: Dort können die jungen Leute Kanu im Nationalpark Unteres Odertal fahren. Oder in einem Jugendclub Tischtennis spielen. Dimitri Hegemann guckt verwundert, wenn er von solchen Freizeitangeboten hört. Die Kids wollten doch Freiräume, Platz zum Gestalten und rebellisch sein, meint er. „Also auch mal einen saufen oder kiffen.“
Manche werden sich fragen, was einer wie Hegemann, ein erfolgreicher Kulturmanager, in Schwedt will. 1991 eröffnete er im Berliner Bezirk Mitte den Techno-Club Tresor. Eine der bedeutendsten Jugendkulturen breitete sich von dort aus. Die Stadt wurde Party- und Kreativmetropole. Nun will Hegemann von diesem Geist etwas abgeben und sich um die Jugendlichen in den Provinzstädten kümmern. Ob Schwedt, Crimmitschau oder Gütersloh: Überall fehle es an Angeboten für junge Menschen, sagt er.
Wer was auf die Beine stellen will, kann sich an "Happy Locals" wenden
Hegemann gründete die „Happy Locals“, eine Consulting Agentur für Jugendliche. Die Idee: Wer in seiner öden Heimatstadt etwas Neues auf die Beine stellen will, aber keine Erfahrung als Manager hat, kann sich an die Happy Locals wenden. Ob Programmkino oder Rockclub: Berliner mit Erfahrung im Kultur- und Eventbereich zeigen dann, „wie man aus einer Mülltonne ein Unternehmen macht“, erklärt Hegemann.
Pilotprojekt der Happy Locals ist Schwedt. Die Industriestadt in Brandenburg verlor seit der Wende fast die Hälfte ihrer einst 52 000 Einwohner. Die jungen Leute wanderten ab, weil sie kaum Perspektiven fänden, sagt Michael Wolff, Chef des Schwedter „Exit Live Club“. Es gebe fast keine Jugenddisko mehr in der Region. Das „Exit“ sei der einzige Jugendkonzertclub in der ganzen Uckermark – einem der größten Landkreise in Deutschland. Mithilfe von Hegemann und seinen Leuten wurde in der Oder-Stadt das „Schwedt.Labor“ gegründet, ein Kreativzentrum für junge Leute. Viele alte Gebäude stehen in der Stadt leer, daraus ließe sich doch etwas machen, war die Idee. Das Ziel: Ein Wandel in „Schwedt City“. Bisher ist aus den Plänen nicht viel geworden. Zwar hätten sich etliche Jugendliche gefunden, die mitmachen wollten, sagt Wolff. Doch sei man oft am Widerstand der Stadtverwaltung gescheitert. „Dort haben wir eine Wiese, dort ein leer stehendes Gebäude nicht bekommen“, sagt Wolff.
Immerhin wurde ein Musikfestival auf die Beine gestellt. „Poty“ (Passion Of The Young) steigt am 12. Juli in Schwedt. 1000 Besucher wären ein Erfolg, sagt Wolff. Die Idee sei aber eigentlich etwas Nachhaltiges gewesen, eine richtige Kulturszene.
Zum Festival will auch Schwedts Bürgermeister Jürgen Polzehl (SPD) kommen. Dass die Stadt zu wenig für seine Jugend tue, diese Kritik weist er zurück. 400 000 Euro stünden jährlich im Haushalt zur Verfügung. Es gebe in Schwedt Sportvereine, Kinder- und Jugendtheater und Orte „zum Abhängen“, sagt Polzehl, der selbst zwei Kinder hat. Allerdings sei es auch „kein Geheimnis“, dass Orte wie Schwedt nicht die Individualität bieten könnten wie Berlin.
Dimitri Hegemann sieht das anders. Kulturelle Angebote hätten nicht nur mit der Größe einer Stadt zu tun, meint er. Berlins Spirit sei in kaputten Häusern und Kellen entstanden. Dies wolle man nun zum „Exportschlager“ machen. Neulich ging die Reise noch weiter als nach Schwedt: Eine Delegation der „Happy Locals“ war zu Gast im US-amerikanischen Detroit. (dpa)
Haiko Prengel