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Potsdams Taxis in der Coronakrise: „Systemrelevant“ – aber vielleicht bald pleite

Sie übernehmen Einkaufs- und Krankenfahrten. Doch in der Coronakrise geht den Potsdamer Taxifahrern bald das Geld aus.

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Potsdam - „Wir sind da und helfen“, sagt Detlef Baatz. Dann zählt er auf: Einkaufsfahrten, Lieferangebote für Gaststätten und Supermärkte, Beförderung von medizinischem Personal, Zubringerfahrten für Blut und Plasma, Krankenfahrten zwischen Potsdam und Berlin. Der Geschäftsführer der Taxi-Genossenschaft Potsdam ist sich sicher, dass seine Branche damit aktuell zu den wichtigsten gehört: „Wir sind systemrelevant.“ Sie gehöre jedoch auch zu den am meisten gefährdeten. „Nur noch 15 Prozent unserer ursprünglichen Auftragsmenge sind übriggeblieben“, sagt Baatz. Unter dem Dach seiner Genossenschaft versammelt er die Mehrheit der in Potsdam ansässigen Taxi-Unternehmen. 60 Einzelbetriebe sind es insgesamt, die zusammen 110 Taxis zur Verfügung stellen. „Viele von ihnen wissen nicht, wie lange sie die Umsatzeinbußen noch tragen können“, so der Geschäftsführer: „Wer statt 15 Fahrten am Tag nur noch drei oder vier hat, geht pleite.“

Rücklagen reichen für höchstens zwei Monate

Unter dem Einbruch des öffentlichen Lebens aufgrund der Coronakrise leiden Taxibetriebe genauso wie alle anderen Kleinunternehmer. Vielen hat die Taxi-Genossenschaft bisher gegen einen monatlichen Pauschalbetrag Aufträge vermittelt. Wenn dieser nun aufgrund der Umsatzeinbußen wegfällt, bleiben Baatz und seinem Team noch etwa ein bis zwei Monate: „So lange reichen unsere Rücklagen.“ Danach könne man Miete, Strom und Mitarbeiter in der Zentrale nicht mehr bezahlen.

6,30 Euro Tagesverdienst - Potsdams Taxifahrer leiden unter der Coronakrise.
6,30 Euro Tagesverdienst - Potsdams Taxifahrer leiden unter der Coronakrise.
© Andreas Klaer

Die Genossenschaft hat deshalb wie viele ihrer Taxibetriebe auch die versprochene Förderung vom Land Brandenburg und der ILB-Bank beantragt. Wann diese ankommt und in welcher Höhe, sei jedoch noch nicht klar, sagt Baatz. Auf Kurzarbeit oder gar Entlassungen setzt er nicht. Vielmehr vertraut er auf die bisherigen Stammkunden. „Wir wollen mit allen Mitteln den 24-Stunden-Service aufrechterhalten, aber dafür brauchen wir Unterstützung“, so der Geschäftsführer. Auf finanzielle Hilfe von der Stadt setzt Baatz wenig Hoffnung. „Das würde wahrscheinlich ihre Möglichkeiten übersteigen“, sagt er. Aber er wünscht sich, dass die Taxis auch in Überlegungen zur Logistik in der Stadt einbezogen würden. Er denke da an mögliche Zubringerfahrten zu Ärzten oder zu Unternehmen der Daseinsvorsorge. Auch Kurierdienste seien möglich.

Tagesumsatz von 6,30 Euro

Mike Schröder, der seit 18 Jahren unter dem Dach der Genossenschaft Taxi fährt, sieht das ähnlich. Im Oktober noch habe er sich einen neuen Wagen gekauft, nun könne er den fast in der Garage lassen: „Letzten Freitag stand ich zwei Stunden lang am Luisenplatz, bis ich endlich einen Auftrag hatte“, sagt er. 6,30 Euro bezahlte der Kunde, für Schröder ist das am Freitag der Tagesumsatz. Und der sei im Vergleich sogar noch gut, berichtet der Taxifahrer: „Ich kenne Kollegen, die standen zwei Tage lang am Bahnhof und haben keinen einzigen Cent eingefahren.“

Hoffen auf die finanziellen Hilfen der brandenburgischen Investitionsbank ILB.
Hoffen auf die finanziellen Hilfen der brandenburgischen Investitionsbank ILB.
© Andreas Klaer

Auch bei ihm seien 70 bis 80 Prozent des Umsatzes mit einem Mal weggebrochen. „Die Stadt lebt von Touristen und Kongressteilnehmern“, so Schröder. „Die bleiben jetzt weg.“ Seinen Förderantrag hat er am Mittwoch eingereicht, von der ILB-Bank und dem Land könne er sich maximal 5000 Euro erhoffen. Einen Kredit aufzunehmen, kommt für ihn nicht in Frage. Weil er zurzeit nichts weiter tun könne, lasse er sich eben überraschen. Aber: „Die Ungewissheit ist schrecklich.“

Für ihn komme noch hinzu, dass er sich nicht immer ausreichend schützen kann. Hätten Kunden das Geld nur in bar dabei, müsse er es eben so annehmen. Ein Kontakt und damit ein gewisses Ansteckungsrisiko seien nicht zu vermeiden. „Ich fahre ein Großraumtaxi. Aber wie sollen das erst die Leute mit kleinen Wagen machen?“, fragt sich Schröder.

Kommt bald die Scheibe zwischen Fahrer und Gast?

Laut Detlef Baatz von der Taxi-Genossenschaft Potsdam werde natürlich alles getan, um eine Ansteckung mit dem Coronavirus zu vermeiden. Desinfektionsmittel werde regelmäßig benutzt, um Türgriffe und Hände zu reinigen. Auch eine Scheibe zwischen Fahrer und Kunden könne es bald geben. „Und als Fahrgast sollte man nur noch hinten einstiegen“, fügt Baatz hinzu. In fast allen Taxen gebe es auch verschiedene Möglichkeiten zum bargeldlosen Bezahlen.

Trotzdem sei ein gewisses Ansteckungsrisiko immer da. Detlef Baatz wünscht sich deshalb eine größere gesellschaftliche Anerkennung für Taxifahrer. „Man muss sich ganz klar auch bei uns bedanken.“ Für viele Menschen sei man aktuell ein wichtiger Ersatz für den öffentlichen Nahverkehr. Die Hoffnung will Baatz aber nicht aufgeben. Die Branche habe schon andere schwierige Zeiten überstanden.

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