Jennifer Cramer und Turbine Potsdam: Stiller Abgang
Turbine Potsdam hat in der 1. Frauenfußball-Bundesliga einen ganz bitteren Saisonstart erlebt. Nun steigt das erste Heimduell der neuen Spielzeit gegen den SC Sand. Dabei wird Jennifer Cramer fehlen - die Ex-Europameisterin ist keine Turbine mehr. Zukunft: ungewiss.
Schlechter hätte eine Saison kaum starten können. Am Auftaktspieltag der 1. Frauenfußball-Bundesliga verlor Turbine Potsdam 0:1 gegen die TSG 1899 Hoffenheim, ein Team, das eher nicht zu den besseren der Liga zählt. Zudem bekam Potsdams Verteidigerin Rahel Kiwic einen Platzverweis und wird somit beim nächsten Match am Sonntag daheim gegen den SC Sand (Beginn: 14 Uhr/Karl-Liebknecht-Stadion) gesperrt sein.
Aber die bitterste aller Nachrichten war die schwere Verletzung von Nina Ehegötz: Die Offensivakteurin zog sich in Hoffenheim ohne Gegnereinwirkung einen Kreuzbandriss zu und wird deshalb monatelang ausfallen. „Für sie und uns ist das eine Tragödie, denn sie war auf einem richtig richtig guten Weg“, sagt Turbine-Trainer Matthias Rudolph. Das rechte Knie von Ehegötz hat es diesmal erwischt. Im Oktober 2016 war es ihr linkes, in dem ein Kreuzband riss. Zur nachfolgenden Saison war die einstige deutsche Nachwuchsnationalspielerin dann aus Leverkusen zu Turbine gewechselt und fasste wieder Fuß auf dem Bundesliga-Rasen. Nun wartet der erneute Kampf ums Comeback.
Trennung von Cramer aus "rein sportlichen Gründen"
Für Jennifer Cramer ist jener Kampf inzwischen regelrecht zu einem Dauerzustand geworden. Zahlreiche Verletzungen setzten sie immer wieder außer Gefecht. Von den 66 möglichen Erstligaspielen in den vergangenen drei Saisons bestritt sie für Turbine lediglich 19 und wurde dabei auch elfmal bloß eingewechselt. „Das war eine schwere Zeit“, sagt Cramer, die 2013 als Stammspielerin auf der linken Abwehrseite mit Deutschland den Europameistertitel holte. Ihr größter Erfolg. „Ich möchte wieder erfolgreich sein“, betont sie. Doch womöglich nicht mehr mit Turbine Potsdam. Ihr Ende Juni ausgelaufener Vertrag wurde vom Verein nicht verlängert. Zukunft: ungewiss. Dass die Zusammenarbeit mit der Defensiv-Allrounderin keine Fortsetzung fand, habe „rein sportliche Gründe“, erklärt Rudolph. Unter seiner Regie war die Linksfüßerin selbst im gesunden Zustand allenfalls zweite Wahl. „Auf den Positionen, die sie spielen kann, lagen mehrere Spielerinnen einfach leistungsmäßig vor ihr“, so der Coach.
2008 kam Jennifer Cramer aus Hessen an die Potsdamer Sportschule und zu Turbine. Vergangenen Mittwoch vor exakt acht Jahren debütierte sie in der ersten Frauen-Mannschaft, wurde zweimal Deutsche Meisterin mit dem märkischen Club, machte für ihn 94 Erstliga-Einsätze. Und dann war Schluss. „Ich hätte mir gewünscht, dass es noch weitergeht, Turbine ist schließlich in meinem Herzen“, sagt die 25-Jährige, deren Abschied völlig still geschah. Der Verein gab nichts bekannt, äußerte kein Wort des Danks. Zum Unmut vieler Fans, wie aus Internetportalen hervorgeht. Für eine verdiente Spielerin wie sie hätten die treuen Anhänger eine offizielle Verabschiedung als angemessen empfunden. „Unter den Umständen, wie es zu Ende gegangen ist, habe ich aber selbst kein Trara mit Blümchenübergabe oder so gewollt“, sagt Jennifer Cramer.
Weiterhin in der Landespolizei-Sportfördergruppe
Die Möglichkeit, in Liga zwei bei der zweiten Mannschaft weiter für Potsdam aufzulaufen, wurde ihr eingeräumt. Sie hielt sich das offen. „Ich möchte gerne höherklassig spielen, aber vielleicht komme ich auf das Angebot zurück.“ Es könnte hilfreich sein, um wieder Praxis zu sammeln. Denn nach einem in diesem Sommer operierten Knieknorpelschaden befindet sich Jennifer Cramer wieder einmal in der Rehaphase. „Für mich ist jetzt das Wichtigste, voll gesund und fit zu werden. Mal sehen, was sich dann ergibt“, sagt sie. „Ich weiß jedenfalls, wo ich irgendwann wieder hin will – dorthin, wo ich schon war.“ Im Kreise der besten deutschen Fußballerinnen.
Der Weg wird hart und lang. Dessen ist sie sich bewusst. Doch sie könne ihn sorgenfrei angehen, meint Jennifer Cramer mit Blick auf ihre gesicherte Berufsperspektive. Sie gehört zur Sportfördergruppe der Brandenburger Landespolizei, nahm 2014 das Studium zur Kommissarin auf, nächstes Jahr steht der Abschluss an. „Ich bin dankbar, dass ich diese Unterstützung weiterhin bekomme.“ Obwohl sie vorerst vereinslos und fernab vom Spitzensport ist.
+++ Mädchenfußballtag in Stahnsdorf +++
Auf dem Stahnsdorfer Sportplatz Zillestraße findet am 12. Oktober zwischen 16 und 19 Uhr wieder der Mädchenfußballtag statt. Veranstalter sind der 1. FFC Turbine Potsdam, die AOK Nordost, der RSV Eintracht 1949 und Plan International. Mädchen im Alter zwischen sechs und 14 Jahren können dabei ihr fußballerisches Können testen sowie Tipps von Turbine-Spielerinnen und -Trainern bekommen. Interessierte melden sich bis zum 28. September an – unter dem Stichwort „Mädchenfußballtag“ sowie mit Angabe von Name, Geburtsdatum sowie Konfektionsgröße per Mail: gewinnspiel@nordost.aok.de.