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Dauerstau im Potsdamer Norden: Seit drei Wochen sorgt die Tram-Baustelle an der Nedlitzer Straße auch für Ärger in den umliegenden Stadtteilen.
© S. Gabsch

Verkehr in Potsdam: Staufrust im Norden

Seit drei Wochen sorgt die Tram-Baustelle an der Nedlitzer Straße für Ärger in den umliegenden Stadtteilen. Und eine Besserung ist nicht in Sicht. Ein Überblick über die Situation im Potsdamer Norden und zu möglichen Alternativen.

Potsdam - Wütende Anwohner, verärgerte Unternehmen, gefrustete Autofahrer: Seit Anfang Mai sorgt die Tram-Baustelle in der Nedlitzer Straße rund um die Umleitungsstrecke im Potsdamer Norden für Dauerstau, auch außerhalb der Stoßzeiten. Und Besserung ist nicht in Sicht, im Gegenteil. Die PNN geben einen Überblick – auch zu möglichen Alternativen.

ANWOHNER UND AUTOFAHRER

Nicht nur für Autofahrer, die aus den nördlichen Ortsteilen in die Innenstadt in Stoßzeiten nun schon mal eine Stunde einplanen müssen, stellt das Verkehrschaos eine Geduldsprobe dar. Den PNN liegen auch mehrere Beschwerden von Anwohnern an den Umleitungsstrecken über die Amundsen- und die Potsdamer Straße vor. Denn dort werden inzwischen kleine Anliegerstraßen zu Schleichwegen umfunktioniert. Ein Beispiel: die Amtsstraße, eine schmale Straße mit Kopfsteinpflaster. Über diesen Weg kann man theoretisch schnell eine Abkürzung von der Amundsen- zur Potsdamer Straße fahren – doch dafür muss man nach links abbiegen. Da die Potsdamer Straße an dieser Stelle regelmäßig zugestaut ist, stehen auch auf dem Schleichweg in der Amtsstraße in Spitzenzeiten die Autos und inzwischen auch Lastkraftwagen auf mehreren Hundert Metern Länge. Ähnlich betroffene Straßen sind etwa die Thaer- oder die Florastraße. Unter anderem sorgen sich Anwohner nun, wie im Notfall noch Rettungswagen durchkommen sollen – und ob unter diesen Umständen noch die Müllabfuhr funktioniert.

Stadtsprecherin Friederike Herold teilte auf PNN-Anfrage mit, Rettungsfahrzeuge könnten notfalls mit Blaulicht auch entgegen von Einbahnstraßen fahren. Bisher seien alle Einsätze im Norden in der gesetzlich vorgeschriebenen Einsatzzeit von bis zu 15 Minuten abgewickelt worden. Es sei noch nicht zu Behinderungen gekommen, so Herold. Ein Anwohner berichtete dagegen, am vergangenen Mittwoch habe ein Rettungswagen nicht zu einem Notfall in die Amtsstraße fahren können – „die Rettungskräfte mussten die Transportliege mehr als 50 Meter zum Einsatzort tragen“.

Zum Thema Müll sagte ein Sprecher der Stadtentsorgung (Step): Auch die zugestauten Anliegerstraßen würden befahren – allerdings die Hauptverkehrszeiten gemieden. Die Touren seien nur mit einer „flexiblen Routengestaltung“ zu schaffen. Bisher sei das gelungen, so die Step. Dennoch reagiert die Politik alarmiert. Der CDU/ANW-Fraktionschef Matthias Finken hat gerade zwei Kleine Anfragen an die Stadtverwaltung gestellt, wie sich die Müllabfuhr im Norden angesichts des Dauerstaus sinnvoller gestalten lässt – und ob sich Ampelschaltungen besser synchronisieren lassen. Doch die PNN-Anfrage, ob sich etwa einige der mehr als fünf Bedarfsampeln für Fußgänger abschalten oder anders programmieren ließen, damit der Verkehr besser abfließen könne, verneinte Herold: Die Ampeln seien für sichere Schulwege zwingend nötig und ohnehin bereits optimiert worden.

Und einigen Anwohnern reicht es inzwischen: Sie fordern in ihren Beschwerden, dass die Straßen während der Baustellenzeit möglichst für den Durchgangsverkehr gesperrt oder als Einbahnstraße ausgewiesen wird. Solche Maßnahmen hat die Stadt bisher abgelehnt, da dies auch zu Einschränkungen für die Anwohner führen würde.

KRITIK AUS DER WIRTSCHAFT

Auch Wirtschaftsverbände kritisieren die städtische Baustellenpolitik. Die Situation im Norden sei gerade für Handwerksbetriebe ärgerlich, sagte Ralph Bührig, Chef der Handwerkskammer Potsdam: „Für anliegende Betriebe ist aufgrund der schwierigen Erreichbarkeit durch ihre Kunden mit Einnahmeverlusten zu rechnen.“ Einzelne auswärtige Betriebe seien deshalb bei der Übernahme kurzfristiger Aufträge in der Innenstadt zögerlich oder versuchten die Durchführung von Arbeiten für die Zeit nach der Straßensperrung einzuplanen. Betriebe aus dem Umland würden ohnehin schon seit Jahren Zeitverluste durch Staus beim Erreichen ihrer Potsdamer Kunden beklagen, so Bührig. Auch bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Potsdam ist der Ärger über den Dauerstau groß. „Kunden, die wegbleiben. Gäste, die gestresst ankommen. Termine, die nicht zu halten sind. Längere Lieferzeiten und weniger Fahrten. Dies alles führt nicht nur zu Verärgerung, sondern auch zu weniger Umsatz und erhöhten Personalkosten.“ So fasst Tilo Schneider, Leiter des Regionalcenters der IHK, die Rückmeldungen von betroffenen Unternehmen zusammen. Unter anderem stelle sich die Frage, warum alternative Ausweichwege gleichzeitig gesperrt seien.

Zudem müsse die Stadt die Autofahrer besser informieren, forderte Schneider. So müsse – wie bei modernen Navigations-Apps möglich – auf dem Verkehrsportal "Mobil Potsdam" die Durchfahrgeschwindigkeit auf Staustrecken angeben, damit Autofahrer Umwege nehmen könnten. Mehr Koordination bei den Baustellen forderte auch Nils Busch-Peterson, Chef des Handelsverbands Berlin-Brandenburg. Denn gerade eine Stadt lebe von der Erreichbarkeit von Zielen. Das sei im Norden gerade nicht mehr gegeben, so würden Kunden von Spontankäufen abgehalten, kritisierte der Handelsvertreter. Vor rbb-Kameras hatten sich zuletzt auch die Inhaber des Hotels „Am Katharinenholz“ beklagt – das Haus liegt direkt an der täglich zugestauten Amundsenstraße. Dadurch könne man keine Zimmer mehr mit Blick auf die angrenzende Straße vermieten, so die verärgerten Inhaber. Der Verkehrsbetrieb (ViP) als Bauherr teilte auf Anfrage mit, Entschädigungszahlen für betroffene Unternehmen seien nicht geplant.

ALTERNATIVEN?

Alternativen zum Stau sind rar – zumindest wenn man auf das Auto nicht verzichten kann oder will. So könnte man zwar versuchen, über Golm und Eiche in die Innenstadt zu gelangen, doch auch dort sorgten Wanderbaustellen auf der Kaiser-Friedrich-Straße zuletzt für Behinderungen. Diese Woche wird es noch enger: Vom Landesbetrieb Straßenwesen wird der geplante Kreisel von Golm nach Grube an der dortigen Landesstraße für zwei Monate weitergebaut – und eine mobile Ampel regelt den Verkehr. Auch hier seien Behinderungen zu erwarten, so der Landesbetrieb. Auch die Komplettumfahrung Potsdams über die Autobahnen gestaltet sich derzeit wegen der Autobahnbaustelle bei Michendorf schwierig. Und auch die Zeppelinstraße stadteinwärts ist wegen der dortigen Pförtnerampeln in den Morgenstunden keine Option.

Eine Alternative wären Busse: Und über die Nedlitzer Straße schickt der ViP tatsächlich in Spitzenzeiten mehr und noch nicht völlig volle Busse, die von Groß Glienicke oder Fahrland in die Innenstadt fahren. Doch Probleme gibt es wiederum auf der Umleitungsstrecke in der Potsdamer Straße. Der dortige Bus 692, der von Bornim in die Innenstadt fährt, habe im Berufsverkehr bis zu 20 Minuten Verspätung, so ein ViP-Sprecher.

Und besser wird es nicht: Vom 23. Juli bis zum 3. September wird die Nedlitzer Straße voll gesperrt. Dann werden die Sommerferien über auch die stadtauswärtigen Verkehrsströme über die Potsdamer- und die Amundsenstraße geleitet. Und vom 4. September bis Mitte Oktober wird die Nedlitzer Straße dann wiederum stadtauswärts für Gleis-, Fahrleitungs- und Straßenbauarbeiten gesperrt.

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Gemeinsam fahren statt einsam im Stau stehen. Das ist das Motto einer neuen Initiative „PotsAb", die Fahrgemeinschaften organisiert. Gerade für den staugeplagten Potsdamer Norden könnte das eine Lösung sein, so die Hoffnung.

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