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Das Ernst-von-Bergmann-Klinikum in Potsdam.
© Christophe Gateau/dpa

Corona-Ausbruch im Potsdamer Klinikum: Staatsanwaltschaft prüft Chefs und Ärzte

Stadtspitze führt Ordnungswidrigkeiten-Verfahren gegen Geschäftsführer und drei Ärzte wegen Verstößen bei Infektionsmeldungen. Die Ermittlungsbehörde soll prüfen, ob Straftaten vorliegen.

Potsdam - Nach dem Corona-Ausbruch im kommunalen Potsdamer Klinikum „Ernst von Bergmann“ hat Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) am Dienstag die Staatsanwaltschaft eingeschaltet. Das sagte er am Nachmittag in Potsdam. Die Ermittlungsbehörde soll prüfen, ob die zweiköpfige Geschäftsführung des Klinikums sowie drei Ärzte derart gegen das Infektionsschutzgesetz verstoßen haben könnten, dass sie Straftaten begangen hätten. Bereits am Montag hatte Schubert Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten gegen die drei Ärzte eröffnet, am Dienstag kamen Verfahren gegen die Geschäftsführung dazu. Sollte sich ein Verdacht auf Straftaten erhärten, würde die Staatsanwaltschaft Ermittlungen aufnehmen; ist dies nicht der Fall, gehen die Verfahren an die Stadtverwaltung zurück. Die Ärzte und die Geschäftsführung sind nach Angaben von Schubert weiter im Dienst. Das Klinikum teilte mit, Ärzte und Geschäftsführung würden "bestmöglich zur Aufklärung der Sachverhalte beitragen" und dennoch "ihr ganzes Engagement in den Dienst des Klinikums" stellen.

88 Patienten mit Covid-19-Erkrankung

Das Geschehen am Bergmann-Klinikum hatte sich in den vergangenen Tagen dramatisch entwickelt. Allein am Dienstag meldete die Stadt fünf weitere Todesfälle nach Coronavirus-Infektionen am Klinikum, 21 sind es damit dort bisher. Insgesamt sind in Potsdam nun 27 Menschen verstorben – nur einer weniger als in der Millionenmetropole Berlin (Stand Dienstagnachmittag). Im Klinikum werden derzeit zudem 88 Patienten mit Covid-19-Erkrankung behandelt, 14 von ihnen auf der Intensivstation, elf werden nach Angaben der Amtsärztin beatmet. 31 konnten nach Angaben des Klinikums gesund entlassen werden. 103 der insgesamt 2380 Mitarbeiter des Klinikums sind aktuell mit dem Coronavirus infiziert, dies entspreche einem Anteil von 4,3 Prozent.

Amtsärztin Kristina Böhm und Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD).  
Amtsärztin Kristina Böhm und Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD).  
© Ottmar Winter

Wegen des Corona-Ausbruchs hat die Stadt vor einer Woche das Robert Koch-Institut (RKI) eingeschaltet und einen Aufnahmestopp verhängt. Das Landesgesundheitsministerium forderte das Kriseninterventionsteam des RKI an, es war am vergangenen Freitag vor Ort und erstellte einen Bericht mit umfangreichen Handlungsempfehlungen. Diese offenbaren drastische Mängel beim sogenannten Ausbruchsmanagement. So hätten Ärzte nach Angaben von Potsdams Amtsärztin Kristina Böhm ihre Meldepflichten über einen Zeitraum von 14 Tagen verletzt. Dies habe dazu geführt, dass nicht klar festgestellt werden konnte, wo und wann das Infektionsgeschehen Fahrt aufgenommen habe.

"Wir hätten ein größeres Zeitfenster gehabt"

Bis heute könne nach Angaben von Böhm nicht nachvollzogen werden, wann Patienten der massiv von dem Ausbruch betroffenen Geriatriestation wohin im Klinikum oder außerhalb verlegt worden sind. Die Verlegungen zwischen dem 13. und dem 27. März werden jetzt aufgearbeitet, um die Infektionswege nachzuvollziehen und möglicherweise betroffene Alten- und Pflegeheime zu warnen. Zuletzt hatte das Klinikum auf Anfrage vor einer Woche über 33 infizierte Geriatrie-Patienten informiert. Wie viele von ihnen nach einer Covid-19-Infektion im Klinikum verstorben sind, konnte die Amtsärztin nicht sagen – weil eben die Verlegungen der Infizierten nicht entsprechend dokumentiert worden seien. Auf die Frage, ob mit einem besseren Ausbruchsmanagement im Klinikum Menschenleben hätten gerettet werden können, wollte Böhm nicht eindeutig antworten. Die Amtsärztin sagte jedoch: „Wir können sehr wohl davon ausgehen, dass wir ein größeres Zeitfenster gehabt hätten, wenn die Meldungen der Ärzte früher erfolgt wären.“

Klinikum-Geschäftsführer Steffen Grebner.
Klinikum-Geschäftsführer Steffen Grebner.
© Ottmar Winter

Zu den Empfehlungen des RKI für das Klinikum gehört laut Angaben der Stadt auch, den Schutz für verschiedene Stationen wie Onkologie, Hämatologie und Kinderstation zu intensivieren. Die Test-Abstriche für Patienten und Mitarbeiter müssten neu organisiert, Hygienemaßnahmen verändert und verstärkt werden. Zudem müsse „eine im Ausbruchsmanagement kompetente Person“ Mitglied des Krisenstabs des Klinikums sein. Außerdem muss laut RKI die „strikte räumliche und personelle Trennung von Bereichen von Patienten mit Coronavirus-Infektionen und Bereichen mit Patienten ohne Infektionen“ klar sein. Dazu müssten die Wege von Personal und Patienten im Haus nochmals genau geprüft werden.

Stadt lastet Chefs Organisationsmängel an

Diese offenkundigen Mängel in der Organisationsstruktur des Klinikums lastet die Stadtspitze der Geschäftsführung Steffen Grebner und Dorothea Fischer an. Aus diesen Gründen habe er die Ordnungswidrigkeitenverfahren auf die Geschäftsführung ausgeweitet, sagte Oberbürgermeister Schubert.

Um die Maßnahmen im Klinikum schnell umzusetzen, werde die Stadt externe Fachleute suchen, sagte die Gesundheitsbeigeordnete und Aufsichtsratschefin des Klinikums Brigitte Meier (SPD). Die Fachleute sollten auch das Krisenmanagement übernehmen. Wann das Klinikum in einen normalen Betrieb zurückkehren kann, ist derzeit völlig offen. Dies werde jedoch sicher möglich sein, so Amtsärztin Böhm.

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