Coronavirus in Deutschland: So bereitet Potsdam sich vor
Vorkehrungen im Klinikum, Ansturm auf Atemschutzmasken und Desinfektionsmittel, Sorge um Partnerstadt Perugia und mehr Hygiene im Einkaufscenter. Ein Überblick.
Das Coronavirus breitet sich zunehmend auch in Deutschland aus. Am Mittwochabend sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), Deutschland stehe eine Epidemie bevor. Am Donnerstag sagte die Bundespolizei die Luftsicherheitstage in Potsdam ab. Und wie reagieren die Menschen in Potsdam auf die Lage? Ein Überblick.
Wie gut ist Potsdam vorbereitet?
Eine Zahl, wie viele Corona-Patienten das städtische Klinikum „Ernst von Bergmann“ im Ernstfall aufnehmen könnte, will EVB-Sprecherin Damaris Hunsmann nicht nennen. Grundsätzlich aber ließe sich aus jedem gängigen Patientenzimmer ein Raum für die Einzelinsolation schaffen.
Käme es zu einem Massenausbruch, würde man zu einer sogenannten Kohortenisolation übergehen, so Hunsmann. Das bedeute, dass mehrere Patienten, die sich mit dem gleichen Erreger – in diesem Fall dem Corona-Virus – infiziert haben, zusammen auf ein Zimmer gelegt würden. Insgesamt verfügt das EVB über 1100 Betten. Sorgen vor einem Engpass müsse keiner haben: „Jeder Potsdamer, der erkrankt, wird versorgt, entweder in einem Krankenhaus hier in Potsdam oder aber in einer Klinik in Brandenburg“, so Hunsmann.
Auch personell sieht sich das EVB gut vorbereitet: „Für das aktuelle Szenario auf jeden Fall.“ Ebenfalls keine Sorgen müssten sich die Potsdamer hinsichtlich der Versorgung der Klinik mit Medikamenten, Desinfektionsmittel und Schutzbekleidung machen. Wie berichtet sind zumindest Schutzmasken und Desinfektionsmittel in zahlreichen Apotheken ausverkauft. „Wir haben natürlich andere Einkaufswege und haben alles vorrätig“, beruhigt Hunsmann.
Unterdessen sei auch im Krankenhaus eine wachsende Verunsicherung zu spüren. „Wir haben auch vermehrt Anrufe besorgter Bürger in unserer Infektionsambulanz“, berichtet die EVB-Sprecherin. Grundsätzlich gelte es, die üblichen Vorsichtsmaßnahmen wie häufiges Händewaschen, das Niesen und Husten in die Armbeuge zu beachten. „Wer aber Kontakt zu einem bestätigten Corona-Fall hatte oder enstprechende Symptome aufweist, sollte einen Arzt konsultieren.“
Auch im katholischen St.-Josefs-Krankenhaus hält man vier Isolationszimmer vor, die bei Bedarf genutzt werden könnten, sagte ein Sprecher. Für die Mitarbeiter seien für den Ernstfall Schutzanzüge und Schutzmasken in ausreichender Zahl angeschafft worden. Bei einem Massenausbruch würden Patienten womöglich ins Bergmann-Klinikum verlegt, weil es dort mehr Kapazitäten gebe, so der Sprecher.
Auswirkungen auf Tourismus unklar
Ob die Tourismus-Branche unter dem Coronavirus leidet, ist ungewiss. "Es ist noch zu früh, um dazu etwas sagen zu können", sagte Olaf Lücke, Brandenburger Hauptgeschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga), den PNN. Derzeit sei ohnehin keine Saison.
Dauert die Epidemie an, kann sich das ändern. Schließlich gehören China und Hongkong zu den wichtigsten Herkunftsländern ausländischer Touristen - dort gelten bereits Reiseeinschränkungen. Der Dehoga-Bundesverband spricht bisher nur von vereinzelten Stornierungen. Repräsentative Erkenntnisse liegen zurzeit noch nicht vor.
Im Potsdamer Mercure Hotel ist man relativ gelassen. Bisher sei von den Auswirkungen des Coronavirus noch nichts zu spüren, sagte Hoteldirektor Daniel Schmidt den PNN. Das Haus beherberge ohnehin überwiegend Geschäftsreisende und wenige Reisegruppen. Unabhängig von der Corona-Epidemie gehöre Hygiene zu den wichtigsten Themen. "Alle Oberflächen werden bei der Reinigung ohnehin desinfiziert." Es sei auch Grippe-Zeit. Man müsse also sowieso vorsichtig sein. "Wir sind gut aufgestellt."
In den Schlössern und Gärten wirkt sich die Epidemie nach Angaben der Schlösserstiftung bisher nicht auf das Besucheraufkommen aus. "Der Januar hat im Vergleich mit dem Januar 2019 sogar ein leichtes Plus von 1,56 Prozent", sagte Sprecher Andreas Kallensee den PNN. Sollte sich die Situation verschärfen, werde man selbstverständlich die Anweisungen der zuständigen Behörden befolgen.
Vorkehrungen treffen
„Innerhalb eines Tages haben die Leute bei uns 90 Atemschutzmasken reserviert", sagte Dietlind Gallin, Apothekerin in der Löwen-Apotheke in der Brandenburger Straße, am Mittwochnachmittag. 120 habe die Apotheke bestellt, diese hätten einen speziellen Filter. Denn: "Einfache Stoffmasken ohne Filter bieten keinen Virenschutz." Es sei natürlich gut, wenn die Leute für den Ernstfall vorsorgen, sagte Gallin. Wichtiger sei es aber, dass das Klinikpersonal gut ausgerüstet ist. Lieferengpässe gebe es beim Desinfektionsmittel. Das gut wirksame Mittel „Virogat“ sei bereits seit Wochen ausverkauft, so die Apothekerin. "Wir raten den Menschen dazu, sich einfach häufiger die Hände zu waschen – das ist auch die Empfehlung des Robert-Koch-Instituts.“
Seit das Virus bekannt wurde, habe man Lieferengpässe, sagte auch eine Mitarbeiterin der Wilhelm-Apotheke am Platz der Einheit: "Wer uns nach Desinfektionsmittel und Masken fragt, den müssen wir wieder wegschicken. Einzig Sagrotan ist noch erhältlich." Sie selbst wasche sich nun häufiger die Hände, nutze aber selten Desinfektionsmittel.
Was tut die Stadtverwaltung?
Zwischen dem Potsdamer Gesundheitsamt, dem Gesundheitsministerium, den umliegenden Gesundheitsämtern des Landes Brandenburg, der Potsdamer Feuerwehr, dem Rettungsdienst sowie dem kommunalen Bergmann-Klinikum haben nach Angaben aus dem Rathaus bereits umfangreiche Absprachen stattgefunden. Krisenstäbe auf städtischer und Landesebene werden jedoch erst im Ernstfall einberufen, koordiniert würde das Vorgehen auf Landesebene. Das Land ist am Mittwoch von Bundesgesundheitsminister Spahn aufgefordert worden, seinen Pandemieplan zu "aktivieren und das mögliche Inkrafttreten vorzubereiten".
Brandenburg hat einen Influenzapandemieplan aus dem Jahre 2007. Dort ist festgeschrieben, dass die Landkreise und kreisfreien Städte für einen Seuchen- und Katastrophenfall vorbereitende Maßnahmen treffen müssen. Dazu gehörten insbesondere Alarm- und Einsatzpläne.
Tritt eine Pandemie ein, sollten sich Krisenstäbe der Landkreise und kreisfreien Städte aus dem "vorhandenen, durch die Gesundheitsämter bereits für andere Seuchenlagen geschulten, Personal zusammensetzen", heißt es. Das Land kann über das Gesundheitsministerium zudem eine Epidemiologischen Einsatzgruppe einberufen, die die Gesundheitsämter der Kommunen unterstützt.
Aufgabenträger und Beschäftigte im Gesundheitswesen können, so der Influenzapandemieplan, zur "Mitwirkung und zur Zusammenarbeit" bei der Hilfeleistung und im Katastrophenschutz verpflichtet werden.
Alarm- und Einsatzpläne müssten auch in Krankenhäusern, Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen sowie Einrichtungen, in denen eine größere Anzahl pflege- oder sonst hilfebedürftiger Menschen betreut werden, vorliegen. Angehörige der Gesundheitsberufe könnten verpflichtet werden, an Einsätzen zur Eindämmung einer Influenzapandemie teilzunehmen.
Mehr Hygiene, wo viele Menschen sind
Im Potsdamer Einkaufszentrum Stern-Center sei man auf einen möglichen Corona-Ernstfall weitestgehend vorbereitet, sagte Centermanager Frank Kosterka am Mittwoch den PNN. „Wir beobachten die Situation und haben unsere Mitarbeiter sensibilisiert, wie es wohl bei allen größeren Unternehmen derzeit der Fall ist“, so Kosterka.
Die Centermitarbeiter seien dazu angehalten, die Gefahr einer möglichen Ausbreitung vor allem durch persönliche Hygiene zu minimieren. „Unsere Reinigungsdienstleister nehmen ohnehin an jedem Morgen eine Grundreinigung vor, die an den neuralgischen Punkten noch verstärkt wurde.“ Auch seien vier Reinigungskräfte zusätzlich mehrmals am Tag im ganzen Center angehalten, Schwerpunktstellen wie Klinken, Bedienknöpfe oder Treppengeländer verstärkt zu reinigen.
Zudem stünden für Kunden und Mitarbeiter ohnehin seit einigen Jahren mehrere Spender mit Desinfektionsschaum im Center zur Verfügung. Eine verstärkte Nutzung habe er jedoch bislang nicht beobachten können, so Kosterka. „In den einzelnen Geschäften handhaben die Mieter und ihre Angestellten die Lage individuell“, sagte er. „Wir gehen davon aus, dass hier jeder Mitarbeiter in der Lage ist, seinen Gesundheitszustand selbst einzuschätzen und im Krankheitsfall zuhause zu bleiben – schließlich haben wir noch immer Erkältungssaison.“
Keine Hamsterkäufe, keine Lieferengpässe
„Lieferengpässe für Lebensmittel und Hygieneprodukte können wir derzeit ausschließen", sagte am Mittwoch der Sprecher von Aldi Nord Christian Salmen. Die Versorgungssicherheit der Märkte sei sichergestellt. Aufgrund der Einschränkungen der asiatischen Wirtschaft seien jedoch Auswirkungen auf die Lieferkette für Hygieneartikel "früher oder später absehbar", so Salmen. Dazu stehe man im Austausch mit den Lieferanten. Für alle Mitarbeiter stünden als Präventionsmaßnahme Desinfektionsmittel in allen Waschräumen zur Verfügung. Außerdem prüfe das Unternehmen "die Teilnahme unserer Mitarbeiter an Messen, internationalen Großveranstaltungen oder Auslandsreisen genauer als üblich". Hamsterkäufe aus Sorge vor Quarantäne seien den Filialleitern in Potsdamer Märkten nicht bekannt.
Die Potsdamer Handwerkskammer wollte sich mit Prognosen noch zurückhalten. „Die Auswirkungen des Coronavirus auf die Wirtschaft sind noch nicht einzuschätzen“, sagte Ralph Bührig, der Hauptgeschäftsführer der Potsdamer HWK. „Von der weiteren Ausbreitung wird es abhängen, wie stark Betriebe erfasst werden und ob Arbeitsabläufe beeinträchtigt werden.“ Eine weitere Ausbreitung könne die deutsche Industrie nachteilig beeinflussen.
„Dann wären insbesondere auch industrienahe Zuliefer- und Dienstleisterbetriebe des Handwerks betroffen“, so Bührig weiter. Derzeit lasse sich eine solche Entwicklung bei den Potsdamer HWK-Mitgliedern aber nicht absehen. „Wir haben auch derzeit keine Anhaltspunkte dafür, dass in unseren Handwerksunternehmen die Angst besteht, sich am Arbeitsplatz mit dem Coronavirus anzustecken“, teilte der Hauptgeschäftsführer weiter mit.
Wie geht es Menschen in stark betroffenen Regionen?
Der Potsdamer Günther Döring hat vor kurzem Potsdams italienische Partnerstadt Perugia besucht. Seine Frau Maria Luise hat die Städtepartnerschaft mit aufgebaut. „Das Coronavirus ist dort Stadtgespräch", sagte Döring am Mittwoch den PNN. Konkret habe sich für die Menschen vor Ort aber nichts, dafür liege die Stadt zu weit im Süden, also in einiger Entfernung zum Corona-Verbreitungsgebiet in Norditalien. Döring sagte, erst in Rom sei ihm aufgefallen, dass "viele Menschen eine Atemmaske tragen". Besonders auf dem Flughafen sei das der Fall. "Ich persönlich hätte aber kein Problem damit, jetzt noch einmal nach Italien zu fliegen. Man sollte nur große Menschenmassen meiden", sagte Döring.
Folgen hat das Virus allerdings für den Freundeskreis Potsdam-Perugia, wie dessen Vorsitzender Bernd Malzanini am Mittwoch sagte. „Am 8. März sollte uns eine Schulklasse des Lyzeums in Perugia besuchen, um gemeinsam mit dem Freundeskreis in der Stadtbibliothek die rote Bank einzuweihen", so Malzanini. Dies sei eine italienische Aktion gegen Gewalt an Frauen. Auch eine Schulpartnerschaft mit dem Einstein-Gymnasium sei geplant. "Am vergangenen Samstag erreichte uns jedoch die Nachricht, dass nach einer Entscheidung des italienischen Bildungsministeriums Schülerreisen ins Ausland vorerst nicht mehr stattfinden sollen", sagte der Freundeskreis-Vorsitzende. Es sehe nun so aus, "als würde uns das Coronavirus einen Strich durch die Rechnung machen“.
Reisen - oder lieber nicht reisen?
Vergleichsweise entspannt stellt sich derzeit offenbar die Lage in den Potsdamer Reisebüros dar. Es habe nur ein paar wenige Stornierungen für die betroffenen Regionen gegeben, wie Anja Reinsch am Mittwoch berichtete. Sie leitet das Reisebüro Schmidt in der Brandenburger Straße. Ein Gast habe seinen Flug nach China gerade storniert, ein Ehepaar habe seine Italienreise noch in der Planung verworfen. „Wir informieren und beraten unsere Kunden natürlich, wenn sie Sorgen und Ängste haben." Doch derzeit kämen nur wenige Nachfragen. „Wir werden auch regelmäßig, teilweise stündlich, von den Veranstaltern über die aktuelle Lage auf den neuesten Stand gebracht“, sagte Reinsch. Sie wolle nun erst einmal abwarten, wie sich die Situation in den kommenden Wochen entwickle.
In Situationen wie diesen zeigten sich die meisten Veranstalter erfahrungsgemäß kulant, sagte auch Agenturleiterin Carola Rouvel vom L’tur-Shop Potsdam. Derzeit habe ihre Filiale in der Friedrich-Ebert-Straße noch keine Stornierungen vornehmen müssen, allerdings habe der Anbieter aktuell auch keine Italien-Ziele im Programm, und auch der asiatische Raum werde von L’Tur-Kunden nur wenig bereist. Für Ziele innerhalb Europas habe es bereits Nachfragen wegen des Coronavirus gegeben.
Meist seien kostenlose Stornierungen in den betroffenen Zielgebieten mit Reisewarnung möglich - für Reisen, die im aktuellen Zeitraum Februar bis März stattfinden. Man wolle den Kunden vor allem die Scheu vor dem Reisen nehmen. „Wir sind als Reiseberater auch genau dafür da, wir haben ein offenes Ohr für die Ängste der Kunden und sind immer Ansprechpartner“, sagt Rouvel. Auch sie sprach sich dafür aus, die Lage zu beobachten, abzuwarten und vor allem: entspannt zu bleiben.
Bundespolizei sagt Luftsicherheitstage ab
Die Luftsicherheitstage waren für den 4. und 5. März in Potsdam geplant - und wurden nun abgesagt. So soll sichergestellt werden, dass alle Beamten der Bundespolizei an den deutschen Flughäfen zur Verfügung stehen, wie die Behörde auf ihrer Internetseite mitteilte. Aufgrund der Unvorhersehbarkeit der weiteren Ausbreitung des Sars-CoV-2 genannten Virus werde es in diesem Jahr keinen Ersatztermin geben.
Bei den Luftsicherheitstagen diskutieren auf Einladung des Bundespolizeipräsidiums und des Bundesverbands der Luftsicherheitsunternehmen Hunderte Luftfahrtexperten aus Unternehmen, Behörden und Verbänden über aktuelle Themen.
Mehr Informationen zum Thema:
>> Coronavirus in Deutschland - der Newsblog
>> Wie Brandenburg vorbereitet ist
>> Die 40 wichtigsten Fragen und Antworten zum Coronavirus
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