Uferstreit am Griebnitzsee: Sieben Klagen auf einen Streich
Im Dauerkonflikt um den Uferweg am Griebnitzsee gibt es neue Klagen - und einen neuen Vorschlag der Stadt an die Sperrer. Ob der verfängt ist fraglich.
Potsdam - Es ist wie ein Sinnbild für den Dauerkonflikt um den in weiten Teilen gesperrten Uferweg am malerischen Griebnitzsee: Der Schaukasten, der an der Karl-Marx-Straße 2 darüber informieren soll, was das Rathaus tut, um den Weg am Wasser wieder frei zu bekommen, ist mit roter und weißer Farbe beschmiert. Offenbar ist das schon eine Weile so. In einer der Erklärungen in dem Schaukasten heißt es noch kämpferisch: „Die Landeshauptstadt Potsdam wird alle ihre Möglichkeiten nutzen, den Uferweg wieder durchgängig für alle Potsdamer und ihre Gäste erlebbar zu machen. Der Oberbürgermeister.“
Doch vor Ort ist in den vergangenen Jahren wenig Erkennbares passiert. Vielerorts ist auf privaten Grundstücken jede Spur des einstigen Uferwegs getilgt. Hinter den Kulissen allerdings geht der Dauerkonflikt um die seit nunmehr acht Jahren andauernde Sperrung in eine neue Runde: Gegen den von der Stadt verbessert aufgelegten Bebauungsplan Nummer 125 sind inzwischen sieben neue Klagen eingereicht worden. Das bestätigte eine Sprecherin des zuständigen Oberverwaltungsgerichts (OVG) Berlin-Brandenburg.
Seit Jahren schwelende Konflikte
Darüber hinaus sei in 18 von 19 Alt-Verfahren auch der aktuelle B-Plan zum Hauptstreitpunkt gemacht worden. Für diese schon seit Jahren schwelenden Konflikte läuft ebenfalls seit Jahren ein außergerichtliches Mediationsverfahren, die Öffentlichkeit ist davon ausgeschlossen. Die Gerichtssprecherin sagte, auch das Gericht habe keine Kenntnis über den aktuellen Sachstand: „Derzeit warten wir auf den Abschluss dieses Mediationsverfahrens.“
Gerungen wird um den ehemaligen Postenweg der DDR-Grenzer, der am Seeufer entlang- und damit über private Grundstücke führte, schon sehr lange: Im Mai 2009 kassierte das Oberverwaltungsgericht (OVG) einen ersten Bebauungsplan für den bis dato von einigen Anrainern nur geduldeten Spazierweg. Der Plan sah einen Uferpark vor. Doch diese Flächen seien Privatgärten, so die Richter – und nicht Teil der freien Landschaft, wie es die Stadt dargestellt hatte. Sie urteilten auch, dass die Stadt den Wert des Privateigentums der Anwohner im Bebauungsplanverfahren nicht ausreichend beachtet habe.
Bundesweite Schlagzeilen
Kurz nach dem Urteil sperrten erste Anrainer den Weg, 2011 kamen weitere hinzu. Der Konflikt machte bundesweit Schlagzeilen – diskutiert wurde, ob öffentliches Interesse an einem freien Ufer in diesem Fall mehr Gewicht haben sollte als das Privateigentum, das viele der Anrainer noch mit darüber verlaufendem Weg erworben hatten.
Danach arbeitete die Stadt einen neuen Bebauungsplan aus, der von den Stadtverordneten nach langem Hin und Her im April 2016 beschlossen wurde. Dagegen wird nun von besagten sieben Anwohnern neu geklagt – dazu kommen die 18 Altverfahren, die sich jetzt auch gegen den neuen Plan richten. Um den freien, knapp drei Kilometer langen Uferweg durchzusetzen, rechnet die Stadt mit knapp 13 Millionen Euro Kosten für Grunderwerb, Entschädigungen, die Gestaltung des Weges und Verfahrenskosten.
Vorschlag an die Sperrer
Doch ob das Geld je benötigt wird? Zumindest nicht in naher Zukunft. Das zeigen PNN-Recherchen, die erstmals seit Jahren ahnen lassen, wie das Mediationsverfahren verläuft. So erhielten die Dutzenden Teilnehmer und ihre Anwälte vor wenigen Wochen ein Rundschreiben aus der Berliner Rechtsanwaltskanzlei Luther, die die Stadt vertritt. Gerichtet war das Papier zwar an Karsten-Michael Ortloff, den eingesetzten Mediator. Der frühere Vorsitzende Richter am Verwaltungsgericht Berlin hat sich im Ruhestand der Konfliktlösung verschrieben, auch am Griebnitzsee. Doch zugleich ist das Papier als Vorschlag an die Sperrer zu verstehen.
Die Offerte der Juristen: Vorrangig auf Anwaltsebene sollen Lösungen für Abschnitte des Uferwegs erarbeitet werden, um zumindest Teilbereiche wieder freigeben zu können. Es folgt eine Bedingung der Stadt, die manchen Privatanrainer aufhorchen lässt: Sofern der freie Uferweg durch die verbindliche Vereinbarung mit den betroffenen Eigentümern realisiert werden kann und „sich alle Kläger verpflichten, ihre Klagen zurückzunehmen, könnte sich die Stadt vorstellen, im Gegenzug auf eine zwangsweise Durchsetzung des rechtswirksamen B-Plans 125 zu verzichten“. Im Klartext: Dann würden die Anrainer im Besitz ihrer Grundstücke bleiben, der Stadt und der Öffentlichkeit wohl nur ein Wegerecht einräumen.
Gegenleistungen nur bei Klageverzicht
Funktioniert dieser Kompromiss nicht, will Potsdam auf Basis des Bebauungsplans – so er denn vor Gericht besteht – enteignen. Einige Anrainer finden dies offenbar unerhört: Erst wenn die Klagen zurückgezogen werden, denke die Stadt über Gegenleistungen nach, wie einer gegenüber den PNN schimpfte. Die Anwälte der Stadt halten in ihrem Papier aber genau diese Bedingung der Klagerücknahme für wichtig: „Ansonsten lässt sich der Vorschlag politisch nicht vermitteln.“
Weiter heißt es in dem Brief, mit den sieben neuen Klägern werde das Rathaus nun direkt und zunächst außerhalb des Mediationsverfahrens verhandeln. „Sofern alle Gespräche zielführend verlaufen, kann man sich im nächsten Schritt um eine Paketlösung bemühen.“ Und: Eine Mediationslösung sei aus Sicht der Stadt nur sinnvoll, wenn auch wirklich alle Normenkontrollklagen gegen den Bebauungsplan erfasst sind. Zudem stehe jedes Agieren unter dem Vorbehalt, dass die Stadtverordnetenversammlung zustimmen muss. Die gewählten Vertreter hatten sich in der Vergangenheit stets mit großer Mehrheit für eine freie Uferlandschaft am See ausgesprochen.
Stadt hält an freiem Uferweg fest
Stadtsprecher Stefan Schulz wollte zum Stand des Verfahrens keine Details nennen. Er sagte lediglich, bald werde auch der Mediator einen Lösungsvorschlag vorlegen. Und: „Wir gehen natürlich weiter davon aus, einen freien Uferweg zu erreichen. Einen Zeitraum kann man dafür aber im Moment nicht nennen.“
Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) hatte vor einem halben Jahr einen neuen Vorschlag zur Güte angekündigt. Doch zuletzt klang er etwas weniger zuversichtlich. Am 6. Mai hatte er bei einem öffentlichen Fest des Senders rbb bei einer Talkrunde auf Nachfrage einer Potsdamerin sinngemäß geantwortet, die Gemengelage am Griebnitzsee sei leider schwierig – falls es überhaupt klappt mit einem freien Ufer, würden wohl noch Jahre ins Land ziehen. Jakobs wird dann längst nicht mehr im Amt sein. (mit spy/SCH)
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