Bombenentschärfung in Potsdam: Schwitzke: "Da kann noch was auf uns zukommen"
In der Nördlichen Speicherstadt vermutet Sprengmeister Mike Schwitzke keine Blindgänger mehr im Boden - allerdings wird dieser bis April abgesucht. Auf dem alten Tramdepot sieht es anders aus.
Potsdam - Es war die erste entschärfte Weltkriegsbombe in diesem Jahr – in der Zählung der Stadt, die 1990 beginnt und jeden hier gefundenen Sprengkörper ab 50 Kilogramm erfasst, trug sie aber schon die stolze Nummer 194: Am Donnerstag hat Sprengmeister Mike Schwitzke vom Kampfmittelbeseitigungsdienst des Landes Brandenburg eine 250-Kilogramm-Bombe US-amerikanischer Bauart in der nördlichen Speicherstadt unschädlich gemacht.
Hauptverkehrsadern im Sperrkreis
Rund 5900 Potsdamer hatten dafür ihre Wohnungen verlassen müssen. Im Sperrkreis 800 Meter um den Fundort befanden sich die Verkehrsadern Hauptbahnhof und Lange Brücke, aber unter anderem auch die Polizeidirektion, der Landtag und die Staatskanzlei, mehrere Museen, zwei Seniorenheime und das blu-Schwimmbad. 12.29 Uhr konnte der Sperrkreis nach erfolgreicher Entschärfung und der anschließenden Sprengung des Zünders – der Knall war in der Innenstadt deutlich zu hören – wieder freigegeben werden.
Dass weitere Bomben in der Speicherstadt gefunden wird, hält Sprengmeister Schwitzke für eher unwahrscheinlich: „Aber es ist nicht auszuschließen.“ Bei der Kampfmittelsuche in der Speicherstadt, die bereits 2018 begonnen habe, sei bislang deutlich weniger gefunden worden als vorab angenommen, erklärte Schwitzke: „Wir gehen davon aus, dass das Gelände zu DDR-Zeiten schon einmal abgesucht wurde.“ Sicher sei das aber nicht, denn Protokolle über Kampfmittelräumungen aus der Vorwendezeit gebe es kaum. „1990 ist für uns deshalb Stunde Null.“
Ein Großteil der Fläche ist bereits abgesucht
Bis Anfang April werde die Suche auf dem Gelände noch fortgesetzt. Zwar sei ein Großteil der Fläche schon mittels Bohrungen abgearbeitet worden. Dabei seien einige Areale aber ausgespart worden, etwa direkt am Ufer an der Spuntwand. Auch die Fläche, auf der demnächst die Aushubarbeiten für eine geplante Tiefgarage beginnen, gehört dazu. Dort soll baubegleitend nach Kampfmitteln gesucht werden – unter permanenter Aufsicht, wie Schwitzke erklärte: „Da wird schichtenweise die Erde abgetragen.“ Auch am Tramdepot an der Heinrich-Mann-Allee läuft die Kampfmittelsuche noch. Sie wird voraussichtlich Anfang März abgeschlossen sein, sagte Schwitzke: „Da kann noch was auf uns zukommen.“ Am Tramdepot waren im vergangenen Jahr drei Blindgänger entdeckt worden, rund 3000 Menschen waren von der Evakuierung für die Entschärfungen betroffen. Dabei hat Potsdam bisher mit den Blindgängern noch vergleichsweise Glück gehabt. Denn die Bomben, auch die am Donnerstag, hatten mechanische Zünder, wie Schwitzke erklärte. In dem Fall müsse direkt nach dem Fund nur ein „kleiner Sperrkreis“ von rund 50 Metern eingerichtet werden, in dem es keine Arbeiten mehr geben darf, damit sich der Boden nicht bewegt. Dann könne die Entschärfung in Ruhe vorbereitet werden. Bei einer Bombe mit chemischem Langzeitzünder sehe das ganz anders aus: Dann müsse sofort ein größerer Sperrkreis eingerichtet und mit der Entschärfung begonnen werden, weil die Gefahr einer Detonation zu groß sei.
Bislang gab es zwei Bomben mit chemischen Zündern
In Potsdam sollen nach Aussagen älterer Kollegen zwei solcher Bomben in den 70er und 80er Jahren im Bereich Einsteinstraße sowie im Wald an der Sternschanze gefunden worden sein, sagte Schwitzke. Die Wahrscheinlichkeit, dass davon noch mehr im Boden liegen, sei aber „relativ gering“, so der Sprengmeister. Denn ab dem Herbst 1944 hätten die Briten bei ihren Bombardements auf chemische Langzeitzünder verzichtet – weil eventuelle Blindgänger ihren eigenen Soldaten bei einem späteren Vorrücken zum Verhängnis hätten werden könnten. Die Potsdamer Innenstadt wurde bekanntlich am Abend des 14. April 1945 bombardiert.
Den Zünder zu reinigen war das größte Problem
Die Entschärfung am Donnerstag verlief aus Sicht von Schwitzke reibungslos. Mehr als eine Stunde war er mit einem Kollegen vor Ort mit der eigentlichen Entschärfung befasst. Den größten Teil der Zeit habe man dafür gebraucht, den stark verkrusteten und korrodierten Zünder zu reinigen, erklärte Schwitzke: „Das Ausbauen des Zünders selbst stellte kein Problem dar.“ Nach getaner Arbeit dankte ihm Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD). Blumen oder andere Präsente gibt es wegen der Antikorruptionsrichtlinie der Stadt seit einiger Zeit nicht mehr, wie Schubert den PNN sagte. Er dankte auch den vielen Helfern: 412 Kräfte waren seit dem frühen Morgen im Einsatz, um den Sperrkreis abzusichern, darunter 263 Mitarbeiter der Stadtverwaltung, 86 von Polizei und Bundespolizei und 60 von Feuerwehr, freiwilligen Feuerwehren und Deutschem Roten Kreuz.
Ein Störer muss sich auf Bußgeld gefasst machen
Die Evakuierung war reibungslos verlaufen, wie Einsatzleiterin Ilona Hönes bilanzierte. Laut Stadtsprecher Jan Brunzlow sind von einem Störer im Staudenhof die Personalien aufgenommen worden. Er habe die Wohnung erst nach Aufforderung durch die Polizei verlassen. Ein Bußgeld gegen ihn werde geprüft. Verzögerungen gab es auch in der Straße Am Kanal: Dort hatte eine ältere Dame, die den Helfern zunächst noch überrascht die Tür geöffnet hatte, später nicht mehr auf Klingeln reagiert. Ein Schlüsseldienst wurde aber nicht gerufen: Man habe nicht ausschließen können, dass die Frau das Haus nicht zwischenzeitlich über den Kellerausgang verlassen habe, zudem seien ihre Fenster an der Außengrenze des Sperrkreises und vom Bombenfundort abgewandt, erklärte Stadtsprecher Brunzlow. Auch Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) dankte in einer Erklärung dem Sprengmeister und den Einsatzkräften. Brandenburg sei das Bundesland mit dem höchsten Anteil an munitionsbelasteten Flächen, so der Minister. Potsdam sei dabei ein Schwerpunkt – neben Oranienburg, Flächen südlich Berlins und der Oder-Neiße-Linie.
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