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Der Schweinskopf wurde am 1. Oktober um 21.50 Uhr an der Tür zum Gebetsraum des Moschee-Vereins entdeckt.
© privat

Nach Freitagsgebet: Attacke auf Muslime: Schweinekopf vor Potsdamer Moschee abgelegt

UPDATE - In der Nacht zu Sonntag haben Unbekannte einen Schweinekopf vor den Räumen der Al Farouq Moschee abgelegt. Offenbar hängt die Attacke mit den jüngsten Auseinandersetzungen um die öffentlichen Freitagsgebete zusammen. Der Muslime-Verein macht die AfD für die Attacke mitverantwortlich.

Potsdam -   Kamal Abdallah, Imam und Vorsitzender des Vereins der Muslime in Potsdam, sah den Schweinekopf am späten Samstagabend. Es war um 21.50 Uhr, der Kopf lag direkt an der Eingangstür zu den Räumen der Moschee. Eine Anwohnerin hatte Alarm geschlagen. Als sie um 21.40 Uhr vom Einkauf zurückkam, entdeckte sie den abgetrennten Kopf eines Ferkels. 20 Minuten zuvor hatte der Kopf dort noch nicht gelegen. 

Der Kriminaldauerdienst und Kriminaltechniker waren bis Mitternacht vor Ort und sicherten Spuren. Der für politische Straftaten zuständige Staatsschutz der Polizei hat die Ermittlungen übernommen - wegen des Verdachts auf Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen. Den Tätern drohen, wenn sie denn erwischt werden, bis zu drei Jahre Haft oder Geldstrafe. Die Ermittler suchen nun Zeugen, die am Samstagabend in der Zeit von 21.20 bis 21.40 in der Nähe des Tatorts Verdächtiges beobachtet haben. Hinweise nehmen die Potsdamer Polizeiinspektion oder jede andere Dienststelle entgegen.

Oberbürgermeister Jakobs: Das ist nicht Potsdam

Es ist das erste Mal, dass nun auch in Potsdam derart offen mit einem abgetrennten Schweinekopf gegen Muslime gehetzt wird. Deutschlandweit hatte es solche Attacken gegen Moscheen und Muslime bereits gegeben, nicht aber in Potsdam.

Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) verurtelte in einer ersten Reaktion am Sonntag die Tat. "Das ist nicht Potsdam, das ist die Tat einzelner verwirrter Provokateure", sagte Jakobs den PNN am Nachmittag. "Potsdam ist eine Stadt der Toleranz, eine bunte Stadt, offen für alle Religionen. Daher verurteile ich diese Tat auf's Schärfste." Er habe noch am Sonntag mit den Vertretern des Vereinsvorstandes gesprochen und dem Verein sein Bedauern ausgesprochen, erklärte der Oberbürgermeister.

Aufgeheizte Stimmung um Freitagsgebet auf Gehweg

Die Tat steht offenbar im Zusammenhang mit der aufgeheizten Stimmung rund um die Freitagsgebete der Moschee. Weil die Moschee zu klein ist, mussten bisher etwa 200 Gläubige ihr Gebet auf dem Bürgersteig vor der Moschee in der Straße Am Kanal abhalten. Anwohner hatten ihren Unmut über die Situation geäußert. Vor eineinhalb Wochen und nun am vergangenen Freitag machte die AfD gegen das öffentliche Freitagsgebet mobil - etwa mit dem Spruch: „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“. 

Für Imam Abdallah besteht zwischen der „Hetze der AfD“ und dem Schweinekopf ein Zusammenhang. Bereits am Freitag hatte er an der Moschee Hass-Aufkleber an den Fenstern der Moschee entdeckt, darauf die Sprüche: „Wir sind das deutsche Volk und heißen den Islam nicht willkommen", „Schließung aller Moscheen in Deutschland“, für ein Kopftuchverbot oder der Prophet vergehe sich an Kindern. Ähnliche Aufkleber seien auch an einer Potsdamer Schule, wo Integrationskurse für Flüchtlinge angeboten werden, gefunden worden, sagte Abdallah den PNN.

Imam: Schweinekopf für Muslime schwer zu ertragen

Der Schweinekopf geht als Beleidigung für die Muslime weit darüber hinaus. Das Schwein gilt im Islam als unrein. Abdallah sagte sogar mit Blick auf den jüngsten Sprengstoffanschlag in der sächsischen Landeshauptstadt Dresden: „Der Schweinekopf ist schwerer für uns zu ertragen.“ Der Iman warnte zugleich vor einer weiteren Eskalation der Stimmung in Potsdam. „Solche Taten fangen immer mit den Worten an. Wenn man jetzt nichts tut, gerät das außer Kontrolle“, sagte Abdallah am Sonntag.

SPD-Generalsekretärin fühlt sich an Nazi-Hetze gegen Juden erinnert

Klara Geywitz, Potsdamerin und Generalsekretärin der Brandenburger SPD, nannte die Schweinekopf-Attacke widerlich. Auch sie sieht einen Zusammenhang mit den Aktionen der AfD gegen die Freitagsgebete vor der Moschee. Zugleich verglich sie die Tat mit der Hetze und den Attacken der Nazis im Dritten Reich gegen die Juden. 

„Die AfD hetzt gegen Gläubige und vergiftet das gesellschaftliche Klima“, sagte Geywitz den PNN. „Menschen wegen ihres Glaubens zu diffamieren und Schweineköpfe vor den Gebetsraum zu legen, erinnert an Deutschlands dunkelste Zeiten.“ Geywitz griff AfD-Landeschef Alexander Gauland zugleich direkt scharf an. Er trage „die Verantwortung dafür, durch seine Hetze das gesellschaftliche Klima für Anschläge und Brandstiftungen bereitet zu haben“. Damit bezog sie sich auch auf den Anschlag auf eine Asylunterkunft in Jüterbog in der Nacht zu Samstag.

Lösung für Moschee in Biosphäre in greifbarer Nähe

Zusätzlich befeuert worden war die Situation in Potsdam durch das zögerliche Agieren der Stadt. Oberbürgermeister Jakobs hatte vor einem Jahr versprochen, dem Moschee-Verein wegen des wachsenden Zahl von muslimischen Flüchtlingen bei der Suche nach größeren Räumen zu helfen. Geschehen war allerdings lange nichts, auch das Land hatte sich für nicht zuständig erklärt. In der vergangenen Woche ging es dann im Rathaus doch ganz schnell: Künftig können die Muslime in der Orangerie der Biosphäre ihr Freitagsgebet abhalten. Festgezurrt werden kann das aber erst am Dienstag, dann entscheidet der Moschee-Verein über das Angebot. 

Am Montag, am Tag der Deutschen Einheit, will sich der Verein auch am bundesweiten Tag der offenen Moschee beteiligen und am Nachmittag seine Türen für Besucher öffnen. Auch Potsdam Sozialdezernent Mike Schubert (SPD) hat sein Kommen zugesagt. Gerade nach der Schweinekopf-Attacke soll Schubert dort für die Stadt Flagge zeigen, wie es aus dem Rathaus hieß. 

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