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Potsdam: Schmaus am See

Früher war es die Kantine der Grenzsoldaten. Jetzt wird im Zweihunderteins feine Küche für ein sehr gemischtes Publikum angeboten

Man könnte ihn sehen, den Griebnitzsee, aber an diesem Januartag verschwindet er unter einer Nebeldecke. Die Fensterplätze im Restaurant Zweihunderteins im Bahnhofsgebäude sind trotzdem eine gute Wahl. Freier Blick auf Betriebsamkeit, Reisende, Kommen und Gehen, und eben diese Winterstimmung. Im Sommer, sagt Susann Laboga, ist es noch schöner. Da sitzen die Gäste draußen im Biergarten – Studenten, Filmleute, Rad-Touristen und Nachbarn bunt durcheinander. Gäste im Anzug und dazwischen Stand-Up-Paddler in Badehose. Denn auch ein Boot- und Fahrrad-Verleih ist im Haus ansässig. Susann Laboga, Inhaberin des Restaurants, findet das lockere Miteinander gut. „Wir bestücken auch Picknickkörbe für die Verleihräder“, sagt sie.

Zunächst muss die Brasserie am Griebnitzsee, wie das Zweihunderteins auch heißt, aus der Jahreswechselpause erwachen. Laboga hat Frühblüher mitgebracht, die auf die Tische kommen. Das macht sie selber, arrangiert, deckt ein, probiert neue Varianten. „Ohje, die Lampen muss ich noch reinigen“, sagt sie nach einem blick zur Decke. Die Unternehmerin, die erst vor wenigen Jahren von einem sicheren Job als Politikwissenschaftlerin in die Selbstständigkeit wechselte, ist ruhelos. Präsenz ist ihr wichtig. Machen. Dranbleiben. „Das konnte ich aus der Politik mitnehmen“, sagt sie. Damals arbeitete sie in Berlin für die FDP-Spitze. Und sehr gerne, sagt sie, hätte sie die Jamaikakoalition gehabt.

Nun also kochen statt koalieren. Alles begann 2013, als sie die Erfrischungshalle, den Bahnhofs-Imbiss, übernahm. Es gab Kaffee und Snacks, aber gerade das Uni-Publikum wollte Mittagessen. Also begann sie zu kochen: leckere, schnelle Gerichte. „Ich muss die Gäste dort in 30 Minuten satt bekommen.“

Das Restaurant, das im vergangenen Sommer als Nachfolger des Albers eröffnete, soll ein Angebot sein für die, die es nicht eilig haben. In den denkmalgeschützten Räumen soll man gerne verweilen. Die Küche ist erfrischend anders, aufbauend auf Tradition und doch mit einem experimentellen Dreh. Den verdankt die Chefin ihren beiden jungen Köchen, die sie aus der gehobenen Küche abgeworben hat. Nicolas Mai hat unter anderem im Gabriele Restaurant im Adlon-Hotel gekocht, Johannes Rüther in Lübeck. Am Griebnitzsee wird jetzt roher Blumenkohl mit aufregenden Gewürzen geröstet und Brot gebacken, sie räuchern Entenbrust und schmoren Ochsenbäckchen. Manche Rezepte kollidieren mit Erwartungshaltungen: Das Frikassee wird aus den gewohnten Zutaten völlig neu zusammengebaut, der Apfelstrudel wird entstrudelt. „Wer Lust hat auf Abenteuer, der ist hier richtig“, sagt Susann Laboga. Andererseits schätzt sie Bewährtes. So wird es demnächst den Sonntagsbraten geben: Das Fleisch wird im Stück serviert und dann von der Tischgemeinschaft selber aufgeschnitten – ein Angebot auch für Familien, die in einer semi-privaten Atmosphäre und vor allem ohne viel Aufwand das Wochenende ausklingen lassen möchten. Neben den Fine-Dining-Menüs findet sich auf der Karte auch Einfacheres, wie Pulled Pork, das passende Craft-Bier immer vorrätig. Laboga erzählt, dass Nachbarn besorgt gefragt hatten, ob hier jetzt alles vornehm werde oder ob sie auch mal im Schlafanzug auf einen Snack rüberkommen könnten.

Sie hätte nichts dagegen, sagt Susann Laboga amüsiert. Sie selbst ist auch hier zu Hause. Die Potsdamerin zog in den 80er Jahren nach Westdeutschland, studierte in Erlangen, arbeitete in Berlin und kam nun zurück an ihren Kindheitsort. Der Bahnhof Griebnitzsee war zu DDR-Zeiten allerdings Sperrgebiet. In der heutigen Erfrischungshalle saß damals ein Grenzposten, der den Straßenverkehr beobachtete, und im Restaurant war die Kantine der Grenzer. Den Krieg hatte der Bahnhof, der bis 1949 Babelsberg-Ufastadt hieß, damals gut überstanden, der Verfall begann erst später. Jetzt steht das Empfangsgebäude von 1931 unter Denkmalschutz. Das Restaurant wurde entsprechend vorsichtig umgebaut. Der Eingangsbereich blieb original erhalten, die Milchglasfenster, die wie eine Zierleiste entlang der Traufhöhe führen, ebenfalls. Gestalterisches Highlight sind die Säulen mit glasierten, orangen Fliesen. Dazu passt der graue Betonboden, moosgrüne Polsterstühle, schwarzlackierte Bistromöbel.

Das Know-how für Gastronomie hat sich Susann Laboga Schritt für Schritt angeeignet. Sie versuche wahrzunehmen, wie die Gäste ticken, was sie brauchen, sagt sie. Gemütlich soll es vor allem sein, ein Ort zum Bleiben. Zum Loslassen oder zum Ankommen, auch ganz im Wortsinn für die, die nach einem Arbeitstag hier abends aus der S-Bahn fallen. Genauso hatte sie es sich damals vorgestellt, als sie selber täglich mit der S-Bahn zur Arbeit fuhr.

Zweihunderteins, Rudolf-Breitscheid- Straße 201, geöffnet Mittwoch bis Samstag 18 bis 23 Uhr, Sonntag 10 bis 23 Uhr

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