Potsdam: Rollstuhlfahrer müssen am Hauptbahnhof umkehren
Der Aufzug am S-Bahngleis im Potsdamer Hauptbahnhof wird drei Monate lang ausgetauscht. Mobilitätseingeschränkte Fahrgäste sollen zurück nach Babelsberg fahren, dort den Aufzug und dann den Bus nutzen. Doch der Lift ist kaputt. Behinderten- und Tourismusvertreter sind empört.
Potsdam - An der Situation für mobilitätseingeschränkte Fahrgäste im Potsdamer Hauptbahnhof gibt es scharfe Kritik aus dem Potsdamer Rathaus und aus der Tourismusbranche. Wie berichtet wird der Fahrstuhl auf dem S-Bahngleis seit Ende März ausgetauscht, die Bauarbeiten sollen voraussichtlich bis 4. Juni dauern.
Fahrgäste werden in dieser Zeit auf den Bahnhof Babelsberg und Straßenbahnen und Busse von dort aus verwiesen – das erfahren Anreisende im Regelfall aber erst, wenn sie bereits in Potsdam auf dem Bahnsteig stehen und den dortigen Aushang – in deutscher Sprache – lesen können. Erschwerend kommt hinzu: Auch am S-Bahnhof Babelsberg ist der Lift laut Auskunft der Bahn-Webseite defekt.
Fahrgäste müssten bis Griebnitzsee oder Wannsee zurückfahren
Eine PNN-Anfrage zur voraussichtlichen Dauer dort hat die Deutsche Bahn bislang nicht beantwortet. Während alleinreisende Eltern mit Kinderwagen am Hauptbahnhof noch auf die Rolltreppe ausweichen können, müssten Rollstuhlfahrer aktuell einen enormen Umweg auf sich nehmen und bis Griebnitzsee oder Berlin-Wannsee zurückfahren, um dort in die Regionalbahn oder einen Bus umzusteigen. Jüngst hatte bereits der Regionalverband des Deutschen Bahnkunden-Verbandes scharfe Kritik geübt (PNN berichteten).
Der Kritik schließt sich nun auch der Potsdamer Behindertenbeauftragte Christoph Richter an. Der Potsdamer Hauptbahnhof sei „schon seit Jahren“ für seine störanfälligen Aufzüge bekannt, sagte Richter auf PNN-Anfrage. Viele Bürger und Gäste der Landeshauptstadt würden dadurch in ihrer Mobilität und Teilhabe behindert: „Dies ist untragbar.“ Es sei auch unverständlich, dass der Austausch eines Aufzuges fast drei Monate dauere. Die Deutsche Bahn müsse die Ausfallzeiten „auf ein Minimum“ reduzieren, betonte Richter.
Der Behindertenbeauftragte fordert in Richtung Deutsche Bahn „schnellstmöglich eine Lösung, die allen Reisenden den Ausstieg am Potsdamer Hauptbahnhof mit Verlassen des Bahnsteiges garantiert“. Dies könne etwa über Alternativen wie mobile Hilfsgeräte für Rollstuhlfahrer geschehen. Die Deutsche Bahn müsse dafür „zeitnah auf Interessensvereine und -verbände von Menschen mit Behinderungen“ zugehen, erklärte Richter.
"Das geht eigentlich gar nicht"
Auch Potsdams Tourismuschef Raimund Jennert von der Potsdamer Marketing und Service GmbH reagierte mit Unverständnis auf die aktuelle Situation: „Das geht eigentlich gar nicht“, sagte er den PNN. Die S-Bahn werde von Touristen bevorzugt für die Anreise nach Potsdam genutzt. Dass diese nun vom S-Bahn-Gleis zurück zu den Bahnhöfen Griebnitzsee oder gar Berlin-Wannsee geschickt werden, sei „unmöglich“: „Ich verstehe das Qualitätsmanagement der Bahn nicht.“ Betroffen seien insbesondere Rollstuhlfahrer, aber auch Fahrradtouristen, betonte Jennert: „Versuchen Sie mal, ein vollbepacktes Fahrrad die Treppe hochzutragen.“
Fahrstühle und Rolltreppen machen immer wieder Probleme
Nicht nur mit den Fahrstühlen, auch mit den Rolltreppen im Potsdamer Hauptbahnhof gibt es immer wieder Probleme. So war seit Anfang Februar die Rolltreppe am Gleis 2/4 defekt. Die Reparatur sollte bis Ende Mai dauern – am gestrigen Donnerstagabend rollte die Treppe aber wieder.
Das Management der Bahnhofspassagen hatte den Zustand des Bahnhofs auf PNN-Anfrage im April als gut bewertet. Ein Sprecher der Bahn hatte auf Instandsetzungsmaßnahmen verwiesen und angekündigt, dass 2020 ein weiterer Aufzug ausgetauscht werden soll. (mit Christine Fratzke)