Von Guido Berg: Regionalexpress mit Flügeln
Schnell nach Schönefeld und Berlin: IHK und Wissenschaftspark Golm legen Nahverkehrskonzept vor
Innovativer Vorschlag für den Schienennahverkehr in der Potsdamer Region: Die Industrie- und Handelskammer (IHK) und das Standortmanagement des Wissenschaftsparks Golm haben gestern vor Journalisten ein Gutachten vorgelegt, das eine „ganzheitliche Lösung“ darstellt, wie IHK-Chef René Kohl erklärte. Bislang habe es nur „kleinteilige Vorschläge“ gegeben – oder, wie der Golmer Standortmanager Friedrich Winskowski sagte, „immer nur Notstopfen von Löchern“. Ziel des Gutachtens ist eine schnelle Anbindung Golms an den 2012 eröffnenden Großflughafen „Willy Brandt“ in Schönefeld, aber auch an die Berliner Innenstadt. Gleichsam soll das Potsdamer Umland und die Zentren Oranienburg und Hennigsdorf mit Potsdam und Berlin auf effektive Weise verbunden werden.
Erstellt hat das Gutachten der in Potsdam bekannte Hamburger Verkehrsexperte Dieter Doege, einst Erarbeiter des damals heiß diskutierten „Takt 2000“ für den Potsdamer Verkehrsbetrieb ViP.
Grundlage der detaillierten Machbarkeitsstudie ist „ein Rückgriff auf die bestehende Infrastruktur“, so der IHK-Chef. Es müssten keine neue Brücken und Schienenwege gebaut werden. Dennoch sehe das von IHK und dem Wissenschaftspark Golm beauftragte Gutachten „eine Verdoppelung des Beförderungsangebotes“ vor. Was wie die Quadratur des Kreises anmutet, wird durch einen „Trick“ erreicht, so Kohl – durch ein völlig neues Herangehen: Wie bisher sollen auch künftig sehr lange Züge in Berlin auf die Reise gehen, sich aber künftig in Potsdam-Hauptbahnhof teilen und in unterschiedliche Richtungen weiterfahren. In der Fachsprache heißt dies „Flügelung“ der Züge. René Kohl: „Es ist wichtig, dass sich der Fahrgast in den richtigen Flügel setzt.“ Konkret könnte das für die wichtige Verbindung des Regionalexpress 1 von Eisenhüttenstadt bzw. Frankfurt/Oder über Berlin und Potsdam nach Magdeburg bedeuten, dass sich der Zug in Potsdam teilt. Der vordere Teil fährt als RE1 nach Magdeburg, der zweite Teil dagegen fährt als RB 21 die Route nach Berlin-Spandau. Da als Halbzug viel kürzer, könnte er auch an kleinen Bahnhöfen mit kurzen Bahnsteigen halten. So sieht Doeges Konzept auch einen Halt am Bahnhof Bornim-Grube vor, der derzeit stillgelegt ist. Nach Stopps unter anderem in Marquardt und Satzkorn könnte dieser Kurzzug wieder an den aus Nauen kommenden RB 14 angekoppelt werden und in Richtung Berlin-Ostbahnhof fahren und dort wiederum an den Regionalexpress 1 angekoppelt werden.
Das Flügel-Prinzip wird bereits erfolgreich in Hamburg angewendet, wo sich der Zug teilt in die Richtungen Airport und Poppenbüttel. Wie Verkehrsberater Doege erläuterte, erfolgt das An- und Abkoppeln der Züge automatisch mittels so genannter „Scharfenberg-Kupplungen“.
Umgesetzt werden müsste das Konzept mit modernen Elektro-Triebwagen, die über ein hohes Sprintvermögen vermögen, die schnell auf bis zu 160 Stundenkilometer beschleunigen. Eine große Anzahl dieser einstöckigen Triebwagen habe die Deutsche Bahn ohnehin bestellt, informierte der Golmer Wissenschaftler und langjährige Stadtverordnete Christian Seidel (SPD). Lediglich für den Regionalexpress müssten zur Wahrung der Wirtschaftlichkeit neue Doppelstock- Triebwagen angeschafft werden, so Doege. Möglicher Hersteller ist der Hennigsdorfer Bahnhersteller Bombardier.
Seidel erklärte, zwei Drittel der 11 000 in Golm Beschäftigten und Studierenden wohnen in Berlin. Doeges Gutachten sei ein „sehr konkreter Vorschlag“. Eine „gute Grundlage für die Entscheidungsträger“ nannte es das Golmer Ortsbeiratsmitglied Horst Heinzel (CDU). Und IHK-Chef Kohl: „Ich bin sehr optimistisch, dass der Vorschlag vom Landesverkehrsministerium aufgegriffen wird.“
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