Minusgeschäft Fahrstuhl: Pro Potsdam stoppt die barrierefreie Sanierung
Die Pro Potsdam stoppt die barrierefreie Sanierung und macht ein neues Gesetz dafür verantwortlich.
Potsdam - Das Bild ist wohl als eine Art Warnung gedacht: Auf der Titelseite des aktuellen „Servicemagazins“ der Pro Potsdam-Tochter Gewoba unterhält sich Pro-Potsdam-Geschäftsführer Jörn-Michael Westphal mit Marianne Seibert, der Vorsitzenden des Landesbehindertenbeirates. Seibert sitzt im Rollstuhl, Westphal ist in die Hocke gegangen, um mit ihr auf Augenhöhe zu sprechen – die beiden befinden sich ganz offensichtlich in einem Badezimmer. Darunter steht: „Barrierefreies Wohnen“ und in der Unterzeile: „Mehr Förderung nötig“.
Die Nachricht ist, das zeigt sich im dazugehörigen Text im Heft, folgende: Ein Umbau von alten Bestandswohnungen zu barrierefreien oder wenigstens barrierearmen Apartments mit Fahrstühlen und entsprechenden Bädern kann sich das kommunale Unternehmen künftig nicht mehr leisten. Der Grund: die Verschärfung der Mietpreisbremse, die zum Jahresanfang in Kraft getreten ist.
Hohe Baukosten
Diese beinhaltet unter anderem eine Kappungsgrenze für die Umlage von Modernisierungskosten. Das bedeutet, dass Vermieter innerhalb von sechs Jahren nicht mehr als drei Euro pro Quadratmeter für Modernisierungsmaßnahmen auf die bestehende Miete aufschlagen dürfen. Bei Mieten unterhalb von sieben Euro liegt die Kappungsgrenze sogar bei zwei Euro pro Quadratmetern. „Zwei Euro reichen nicht aus, um Aufzüge einzubauen, Grundrisse zu verändern und CO2-neutral zu sanieren“, so Westphal im Gewoba-Text. Und auf PNN-Anfrage konkretisiert er: „Komplexere Sanierungen mit Grundrissänderungen, zum Beispiel um einen Aufzug einzubauen oder die Bäder zu vergrößern, können wir aktuell nicht durchführen.“
Angesichts der derzeit sehr hohen Baukosten sei die Kappungsgrenze zu niedrig, so Westphal. In den Plattenbaugebieten, in denen die Pro Potsdam zahlreiche Wohnungen besitzt, lägen die Bestandsmieten teilweise bei vier bis fünf Euro pro Quadratmeter. Müsse man diese nun aufwendig sanieren, reichten zwei Euro mehr an Miete nicht aus. Durchschnittlich liegt die Miete einer Pro-Potsdam-Wohnung derzeit bei 6,27 Euro.
Wie berichtet will die Pro Potsdam bis 2033 ihren gesamten Bestand von 17.201 Wohnungen saniert haben – rund 5000 Wohnungen stehen noch aus. Bei diesem Ziel soll es auch bleiben, so Westphal. Allerdings wird nach jetzigem Stand eben so mancher Aufzug nicht eingebaut und so manches Bad nicht saniert. Welche Projekte konkret gestrichen werden, konnte Westphal noch nicht sagen. „Wir schauen uns jedes Gebäude einzeln an.“
Selbst Rampen sind nicht selbstverständlich
Denn ohnehin eignen sich nicht alle Gebäude für nachträgliche Aufzugseinbauten, so der Pro-Potsdam-Chef. Gerade bei Plattenbauten seien die Treppen oft so ausgerichtet, dass das Zwischenstockwerk zur Außenwand zeige. Ein nachträglich eingebauter Aufzug könnte dann nur auf halber Treppe halten – barrierefrei werden die Häuser dadurch nicht. Auch Gebäude, in denen nur ein oder zwei Wohnungen pro Stockwerk durch einen Fahrstuhl erschlossen würden, fallen durchs Raster – weil dann der Aufwand pro Wohnung zu hoch wäre.
Auch über Rampen denkt man bei der Pro Potsdam nach. Mit diesen können theoretisch immerhin die Wohnungen im Erdgeschoss barrierearm werden. Doch auch hier müssten bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden, so Westphal. So müsse genug Platz sein, um eine nach der Norm geneigte Rampe errichten zu können. „Und wir müssen klären, ob uns die Flächen davor überhaupt gehören oder ob es teuer wäre, diese zu erwerben.“ Anders ist die Lage laut Westphal bei Neubauten. Hier könnten Grundrisse und Aufzüge von vornherein so geplant werden, dass die Wohnungen barrierefrei oder barrierearm seien.
"Das rechnet sich einfach nicht"
Auch private Potsdamer Vermieter lehnen die Kappung der Modernisierung ab – etwa das Unternehmen Kirsch und Drechsler, das rund 1000 Wohnungen in Potsdam verwaltet. Zwar gebe es derzeit keinen Sanierungsbedarf im Bestand, so Firmenchef und Bürgerbündnis-Stadtverordneter Wolfhard Kirsch auf PNN-Anfrage. „Unsere Wohnungen sind saniert.“ Aber er kenne das Problem. So habe er kürzlich erwogen, ein Objekt zu kaufen. Doch als er kalkuliert habe, wie viel die Sanierung kosten würde, habe er lieber davon abgelassen. „Das rechnet sich einfach nicht.“
Die Lösung des Problems liegt aus Westphals Sicht auf der Hand: Die Differenz, die für die Vermieter durch die Kappungsgrenze entsteht, muss aus seiner Sicht durch Fördermittel ausgeglichen werden. Für energetische Sanierung gebe es Mittel, für generationengerechtes Sanieren hingegen nicht. Wenn sich das nicht ändert, so seine Botschaft, bleibt die Barrierefreiheit in Potsdam auf der Strecke – zumindest in den älteren Gebäuden.
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